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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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wäre es verboten.*) -- Dennoch äußerte das Heer den größten Einfluß auf
die Verfassungsentwickelung von Rom. Die Sagen von dem wiederholten
Auszuge des geschlossenen Heeres auf den heiligen Berg mit der Drohung,
eine gesonderte plebejische Stadt zu gründen, die Nachrichten davon, daß an¬
gesichts des unerträglichen Druckes der Patrizier die Masse des Volkes wieder¬
holt mit Verweigerung der Heeresfolge gedroht habe, geben Kunde von solchem
Einflüsse, und das, jenen Bewegungen entspringende Volkstribunat ist
gewiß hervorgegangen aus der Deputation plebejischer Heerestribuue, wenn
es in der Folge auch keinerlei militärische Beziehungen hatte, sondern lediglich
als eine dem patrizischen Konsulat gegenüber gestellte negative und kontrollirende
Institution der Plebs erscheint.**) Durch diese Volkstribune kommt denn auch
zum erstenmale eine Divergenz zwischen Staatsverfassung und Heeresverfassung
in das römische Volksthum. Die Vollgewalt des Staates hatte bisher durch¬
aus in den Centuriatkomitien, der Versammlung der Wehrpflichtigen geruht,
in welcher die Abstimmung sich nach dem Census richtete. Neben diesen
Centuriatkomitien hatten die alten Curienversammlungen des Patriciats als
eine ständische Einrichtung fortbestanden, der die Beamtenwahl und die
Bestätigung der Volksbeschlüsse zufiel. Nun stellten die Tribunen den alten
Curien die ooraltia. tributa, d. h. die Bezirksversammlungen der xlvvs,
entgegen, in denen nicht nach dem Vermögen sondern durch Mehrheitsbeschlüsse
(Plebiscite) abgestimmt wurde, und es gelang ihnen, nach und nach einen
immer bedeutenderen Theil der Volkssouveränetät in diese Tribuskomitien zu
verlegen. Dies aber war, so lange der Kriegsdienst nach dem Census geleistet
wurde, eine Störung des Gleichgewichtes zwischen staatlichem Rechte und
kriegerischer Leistung zu Gunsten der demokratischen Interessen. -- Im Jahre
445 setzte es die Opposition durch, daß, wie die Ehegemeinschaft zwischen
Patriziern und Plebejern gestattet wurde, fo auch an Stelle der Konsuln
konsularische Militärtribunen (trlvuni nMwrn oonsulm-i xotssts-es)
ernannt werden konnten, deren Amt Plebejern zugänglich war, und im Jahre
367 wurde gesetzlich festgestellt, daß der eine der beiden Konsuln Plebejer sein
müsse.

Diese letzte große Errungenschaft, die den ständischen Streit schlichtete, war
wohl großentheils eine Folge der schweren Kämpfe, welche Rom mit den
Etruskern durchzuführen hatte und welche gebieterisch die innere
Einheit des Volkes forderten.






*) Mommsen a. a> O.
**) I", Jahre 4S3 wurden 2, in der Folge S, endlich 10 Volkstribunen eingesetzt.

wäre es verboten.*) — Dennoch äußerte das Heer den größten Einfluß auf
die Verfassungsentwickelung von Rom. Die Sagen von dem wiederholten
Auszuge des geschlossenen Heeres auf den heiligen Berg mit der Drohung,
eine gesonderte plebejische Stadt zu gründen, die Nachrichten davon, daß an¬
gesichts des unerträglichen Druckes der Patrizier die Masse des Volkes wieder¬
holt mit Verweigerung der Heeresfolge gedroht habe, geben Kunde von solchem
Einflüsse, und das, jenen Bewegungen entspringende Volkstribunat ist
gewiß hervorgegangen aus der Deputation plebejischer Heerestribuue, wenn
es in der Folge auch keinerlei militärische Beziehungen hatte, sondern lediglich
als eine dem patrizischen Konsulat gegenüber gestellte negative und kontrollirende
Institution der Plebs erscheint.**) Durch diese Volkstribune kommt denn auch
zum erstenmale eine Divergenz zwischen Staatsverfassung und Heeresverfassung
in das römische Volksthum. Die Vollgewalt des Staates hatte bisher durch¬
aus in den Centuriatkomitien, der Versammlung der Wehrpflichtigen geruht,
in welcher die Abstimmung sich nach dem Census richtete. Neben diesen
Centuriatkomitien hatten die alten Curienversammlungen des Patriciats als
eine ständische Einrichtung fortbestanden, der die Beamtenwahl und die
Bestätigung der Volksbeschlüsse zufiel. Nun stellten die Tribunen den alten
Curien die ooraltia. tributa, d. h. die Bezirksversammlungen der xlvvs,
entgegen, in denen nicht nach dem Vermögen sondern durch Mehrheitsbeschlüsse
(Plebiscite) abgestimmt wurde, und es gelang ihnen, nach und nach einen
immer bedeutenderen Theil der Volkssouveränetät in diese Tribuskomitien zu
verlegen. Dies aber war, so lange der Kriegsdienst nach dem Census geleistet
wurde, eine Störung des Gleichgewichtes zwischen staatlichem Rechte und
kriegerischer Leistung zu Gunsten der demokratischen Interessen. — Im Jahre
445 setzte es die Opposition durch, daß, wie die Ehegemeinschaft zwischen
Patriziern und Plebejern gestattet wurde, fo auch an Stelle der Konsuln
konsularische Militärtribunen (trlvuni nMwrn oonsulm-i xotssts-es)
ernannt werden konnten, deren Amt Plebejern zugänglich war, und im Jahre
367 wurde gesetzlich festgestellt, daß der eine der beiden Konsuln Plebejer sein
müsse.

Diese letzte große Errungenschaft, die den ständischen Streit schlichtete, war
wohl großentheils eine Folge der schweren Kämpfe, welche Rom mit den
Etruskern durchzuführen hatte und welche gebieterisch die innere
Einheit des Volkes forderten.






*) Mommsen a. a> O.
**) I», Jahre 4S3 wurden 2, in der Folge S, endlich 10 Volkstribunen eingesetzt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/103>, abgerufen am 22.07.2024.