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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Herbste bei der Heimkehr vom Feldzuge das Fest der Wasserweihe am
19. Oktober. So bezeichnen die Jahresfeste der Römer die jährliche Kriegszeit.

Die Vereinigung der gesammten Gewalt in den Händen des Königs gab
diesem eine große Macht, welche der Landesfeind, doch oftmals auch der
Bürger schwer einPfand. Der Uebermuth forderte den Haß heraus. Die
Opposition setzte es endlich dnrch, daß das Königthum aufhörte, lebens¬
länglich zu sein, und an die Stelle des bisherigen r<zx traten zwei Jahres-
Herrscher, welche sich xr^Stores Feldherrn, ^'ucticss Richter, oder auch schlichtweg
nur Kollegen, eonsulss, nannten. Jeder der beiden Konsuln übte während des
gemeinschaftlichen Amtsjahres die höchste Macht so voll und ganz wie der König
sie innegehabt; aber diesem rechtlichen Verhältnisse gegenüber bildete sich doch
bald die Praxis heraus, daß der eine Konsul den Heerbefehl, der andere die
Rechtspflege übernahm.*) Jedem Konsul war überdies freigestellt, in außer¬
ordentlichen Zeiten, wenn etwa ein schwerer Krieg die Herstellung der ursprüng¬
lichen Einheit der Magistratur zu fordern schien, die kollegialische Gleich¬
berechtigung zu suspendiren und einen dritten Amtsgenossen zu ernennen, dem
dann beide Konsuln gehorchten. Ein solcher Inhaber der außerordentlichen
Magistratur führte deu Namen des Heermeisters (in, avisier xoxuli)
oder des Gebieters (äioraror) und hatte sich sofort einen eng^istsr sciniwiu,
einen Reitermeister zu ernennen, woraus erhellt, daß der äiotg-lor nrspünglich
als Führer des Fußvolks gedacht wurde. -- Die Diktatur erlosch stets mit
dem Amte des ernennenden Jahreskonsuls und durfte überhaupt niemals länger
als ein halbes Jahr währen.

Auch ohne einen Diktator zu ernennen, konnte übrigens der Konsul den
Heerbefehl einem andern Manne übertragen, der dann aber nur als der Be¬
auftragte, der Ikarus des Konsuls erscheint.

Im Heere herrschte der Feldherr, mochte er nun Konsul, Diktator oder
Legat sein, mit unbeschränkter Gewalt wie einst der König. Aber weder er
noch seine Truppen durften, bestimmte Ausnahmefälle abgerechnet, die Stadt
betreten, solange sie unter dem Kriegsgesetze standen. Die staatsrechtliche
Trennung des militärischen vom bürgerlichen Elemente vollzieht sich. Zwar
kam es anfangs wohl noch vor, daß der Feldherr im Lager seine Mannschaft
zur Bürgerversammlung berief, und so gefaßte Beschlusse blieben auch giltig.
Aber die Sitte mißbilligte derartiges Verfahren, und bald unterblieb es als



*) In der Folge wurde der Geschäftskreis des Consulates durch Einführung der Censur
(im Jahre 443) und der Prätur (366) entlastet. Die beiden Censoren beaufsichtigten
nicht nur die Sitten, sondern auch die Eintheilung des Volkes, den Prätoren wurde die
Rechtspflege übertragen.

Herbste bei der Heimkehr vom Feldzuge das Fest der Wasserweihe am
19. Oktober. So bezeichnen die Jahresfeste der Römer die jährliche Kriegszeit.

Die Vereinigung der gesammten Gewalt in den Händen des Königs gab
diesem eine große Macht, welche der Landesfeind, doch oftmals auch der
Bürger schwer einPfand. Der Uebermuth forderte den Haß heraus. Die
Opposition setzte es endlich dnrch, daß das Königthum aufhörte, lebens¬
länglich zu sein, und an die Stelle des bisherigen r<zx traten zwei Jahres-
Herrscher, welche sich xr^Stores Feldherrn, ^'ucticss Richter, oder auch schlichtweg
nur Kollegen, eonsulss, nannten. Jeder der beiden Konsuln übte während des
gemeinschaftlichen Amtsjahres die höchste Macht so voll und ganz wie der König
sie innegehabt; aber diesem rechtlichen Verhältnisse gegenüber bildete sich doch
bald die Praxis heraus, daß der eine Konsul den Heerbefehl, der andere die
Rechtspflege übernahm.*) Jedem Konsul war überdies freigestellt, in außer¬
ordentlichen Zeiten, wenn etwa ein schwerer Krieg die Herstellung der ursprüng¬
lichen Einheit der Magistratur zu fordern schien, die kollegialische Gleich¬
berechtigung zu suspendiren und einen dritten Amtsgenossen zu ernennen, dem
dann beide Konsuln gehorchten. Ein solcher Inhaber der außerordentlichen
Magistratur führte deu Namen des Heermeisters (in, avisier xoxuli)
oder des Gebieters (äioraror) und hatte sich sofort einen eng^istsr sciniwiu,
einen Reitermeister zu ernennen, woraus erhellt, daß der äiotg-lor nrspünglich
als Führer des Fußvolks gedacht wurde. — Die Diktatur erlosch stets mit
dem Amte des ernennenden Jahreskonsuls und durfte überhaupt niemals länger
als ein halbes Jahr währen.

Auch ohne einen Diktator zu ernennen, konnte übrigens der Konsul den
Heerbefehl einem andern Manne übertragen, der dann aber nur als der Be¬
auftragte, der Ikarus des Konsuls erscheint.

Im Heere herrschte der Feldherr, mochte er nun Konsul, Diktator oder
Legat sein, mit unbeschränkter Gewalt wie einst der König. Aber weder er
noch seine Truppen durften, bestimmte Ausnahmefälle abgerechnet, die Stadt
betreten, solange sie unter dem Kriegsgesetze standen. Die staatsrechtliche
Trennung des militärischen vom bürgerlichen Elemente vollzieht sich. Zwar
kam es anfangs wohl noch vor, daß der Feldherr im Lager seine Mannschaft
zur Bürgerversammlung berief, und so gefaßte Beschlusse blieben auch giltig.
Aber die Sitte mißbilligte derartiges Verfahren, und bald unterblieb es als



*) In der Folge wurde der Geschäftskreis des Consulates durch Einführung der Censur
(im Jahre 443) und der Prätur (366) entlastet. Die beiden Censoren beaufsichtigten
nicht nur die Sitten, sondern auch die Eintheilung des Volkes, den Prätoren wurde die
Rechtspflege übertragen.
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[0102] Herbste bei der Heimkehr vom Feldzuge das Fest der Wasserweihe am 19. Oktober. So bezeichnen die Jahresfeste der Römer die jährliche Kriegszeit. Die Vereinigung der gesammten Gewalt in den Händen des Königs gab diesem eine große Macht, welche der Landesfeind, doch oftmals auch der Bürger schwer einPfand. Der Uebermuth forderte den Haß heraus. Die Opposition setzte es endlich dnrch, daß das Königthum aufhörte, lebens¬ länglich zu sein, und an die Stelle des bisherigen r<zx traten zwei Jahres- Herrscher, welche sich xr^Stores Feldherrn, ^'ucticss Richter, oder auch schlichtweg nur Kollegen, eonsulss, nannten. Jeder der beiden Konsuln übte während des gemeinschaftlichen Amtsjahres die höchste Macht so voll und ganz wie der König sie innegehabt; aber diesem rechtlichen Verhältnisse gegenüber bildete sich doch bald die Praxis heraus, daß der eine Konsul den Heerbefehl, der andere die Rechtspflege übernahm.*) Jedem Konsul war überdies freigestellt, in außer¬ ordentlichen Zeiten, wenn etwa ein schwerer Krieg die Herstellung der ursprüng¬ lichen Einheit der Magistratur zu fordern schien, die kollegialische Gleich¬ berechtigung zu suspendiren und einen dritten Amtsgenossen zu ernennen, dem dann beide Konsuln gehorchten. Ein solcher Inhaber der außerordentlichen Magistratur führte deu Namen des Heermeisters (in, avisier xoxuli) oder des Gebieters (äioraror) und hatte sich sofort einen eng^istsr sciniwiu, einen Reitermeister zu ernennen, woraus erhellt, daß der äiotg-lor nrspünglich als Führer des Fußvolks gedacht wurde. — Die Diktatur erlosch stets mit dem Amte des ernennenden Jahreskonsuls und durfte überhaupt niemals länger als ein halbes Jahr währen. Auch ohne einen Diktator zu ernennen, konnte übrigens der Konsul den Heerbefehl einem andern Manne übertragen, der dann aber nur als der Be¬ auftragte, der Ikarus des Konsuls erscheint. Im Heere herrschte der Feldherr, mochte er nun Konsul, Diktator oder Legat sein, mit unbeschränkter Gewalt wie einst der König. Aber weder er noch seine Truppen durften, bestimmte Ausnahmefälle abgerechnet, die Stadt betreten, solange sie unter dem Kriegsgesetze standen. Die staatsrechtliche Trennung des militärischen vom bürgerlichen Elemente vollzieht sich. Zwar kam es anfangs wohl noch vor, daß der Feldherr im Lager seine Mannschaft zur Bürgerversammlung berief, und so gefaßte Beschlusse blieben auch giltig. Aber die Sitte mißbilligte derartiges Verfahren, und bald unterblieb es als *) In der Folge wurde der Geschäftskreis des Consulates durch Einführung der Censur (im Jahre 443) und der Prätur (366) entlastet. Die beiden Censoren beaufsichtigten nicht nur die Sitten, sondern auch die Eintheilung des Volkes, den Prätoren wurde die Rechtspflege übertragen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/102>, abgerufen am 22.07.2024.