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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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gleichzeitigen oder unvermutheten Ankunft mehrerer Krankenzüge unzertrennlich
ist, stets mit kurzen Befehlen das Nichtige anordnet. Das ist aber nnr bei
einem eingeübten Personal möglich, in welchem Jeder ein für allemal an dem¬
selben Platz arbeitet. Durch diese Theilung der Arbeit allein ist es möglich,
den Leidenden schnell die möglichste Hülfe zu bringen. Nach wenigen Stun¬
den, sobald die Patienten frisch verbunden nud erquickt sind, müssen die Trans¬
portablen weiter geschafft werden. So geht es rastlos, Tag auf Tag, Nacht
ans Nacht, bis irgend ein Stillstand der Operationen, die Zerstörung der Kom¬
munikationen oder ein ähnlicher Zwischenfall, eine kurze Pause bringt. Sehr
treffend sagt der Verfasser hierüber: "Freilich stumpft ein solcher Dienst auf
die Dauer auch deu empfindsamsten Menschen ab. Herz und Gemüth werden
nicht befriedigt, die Arbeit ist zu ausgedehnt, die Zeit zu kurz, sich mit dem
Einzelnen zu beschäftigen, an ihm besondern Antheil zu nehmen. Kaum
ist der Eine fortgeschafft, fo kommt auch der Andere an. Ein weiches
Gemüth hält dies nicht aus, ein hartes wird bei diesem Dienst noch härter.
Deshalb ist es nothwendig, daß die Personen für diesen Evacuationsdienst be¬
sonders ausgesucht werden. Sie müssen praktischen Sinn und Energie haben,
viel Ruhe besitzen und nicht zu weich sein, dagegen sind leidenschaftliche und
unruhige, vorzüglich aber gefühllose Leute gar nicht zu verwenden. Ans einer
eingerichteten Station mit eingearbeiteten Leuten muß der Dienst wie ein Uhr¬
werk gehen. Alles muß ohne Aufregung und ohne viele Worte seinen ruhigen
Gang gehen von der Ankunft der Verwundeten mit den Landkarrentransporten
an, bis zur Einschiffung in die Eisenbahn, von der Reinigung der Lazarethe
an, bis zur Wiederbelegung derselben!" Auch zu der jetzt wieder von Unwis¬
senden bei Gelegenheit des russisch-türkischen Krieges zum Ueberdruß wieder¬
holten Behauptung: der Belagerer müsse bei Festungen während der Beschießung
bestimmte Häuser schonen, liefert der Verfasser aus seiner persönlichen Erfah¬
rung bei Toul ein drastisches Beispiel. Wenn dergleichen Schwätzer, ehe sie
solche unsinnige Anforderungen in die Welt schicken, und dadurch eine Menge
Leute täuschen, sich doch vorher bei dem ersten besten Artillerie-Unteroffiziere
über Längs- und Seitenabweichungen der Granaten belehren lassen mochten,
dann würden sie nicht vor den Soldaten ganz Enropas sich lächerlich machen.

Der Schluß des Buches bietet ebenfalls einen reichen Schatz an Erfah¬
rungen und wahrhaft praktischen Vorschlägen für die Zukunft. Möge es in
Deutschland, vorzüglich aber bei den Regierungen sein zahlreiches Publikum
finden, -- auch eine Uebersetzung in das Französische und Englische wäre
v. Clausewitz. dringend zu wünschen.




Verantwortlicher Redakteur - Dr. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. - Druck von Huthel Herrinnen in Leipzig.

gleichzeitigen oder unvermutheten Ankunft mehrerer Krankenzüge unzertrennlich
ist, stets mit kurzen Befehlen das Nichtige anordnet. Das ist aber nnr bei
einem eingeübten Personal möglich, in welchem Jeder ein für allemal an dem¬
selben Platz arbeitet. Durch diese Theilung der Arbeit allein ist es möglich,
den Leidenden schnell die möglichste Hülfe zu bringen. Nach wenigen Stun¬
den, sobald die Patienten frisch verbunden nud erquickt sind, müssen die Trans¬
portablen weiter geschafft werden. So geht es rastlos, Tag auf Tag, Nacht
ans Nacht, bis irgend ein Stillstand der Operationen, die Zerstörung der Kom¬
munikationen oder ein ähnlicher Zwischenfall, eine kurze Pause bringt. Sehr
treffend sagt der Verfasser hierüber: „Freilich stumpft ein solcher Dienst auf
die Dauer auch deu empfindsamsten Menschen ab. Herz und Gemüth werden
nicht befriedigt, die Arbeit ist zu ausgedehnt, die Zeit zu kurz, sich mit dem
Einzelnen zu beschäftigen, an ihm besondern Antheil zu nehmen. Kaum
ist der Eine fortgeschafft, fo kommt auch der Andere an. Ein weiches
Gemüth hält dies nicht aus, ein hartes wird bei diesem Dienst noch härter.
Deshalb ist es nothwendig, daß die Personen für diesen Evacuationsdienst be¬
sonders ausgesucht werden. Sie müssen praktischen Sinn und Energie haben,
viel Ruhe besitzen und nicht zu weich sein, dagegen sind leidenschaftliche und
unruhige, vorzüglich aber gefühllose Leute gar nicht zu verwenden. Ans einer
eingerichteten Station mit eingearbeiteten Leuten muß der Dienst wie ein Uhr¬
werk gehen. Alles muß ohne Aufregung und ohne viele Worte seinen ruhigen
Gang gehen von der Ankunft der Verwundeten mit den Landkarrentransporten
an, bis zur Einschiffung in die Eisenbahn, von der Reinigung der Lazarethe
an, bis zur Wiederbelegung derselben!" Auch zu der jetzt wieder von Unwis¬
senden bei Gelegenheit des russisch-türkischen Krieges zum Ueberdruß wieder¬
holten Behauptung: der Belagerer müsse bei Festungen während der Beschießung
bestimmte Häuser schonen, liefert der Verfasser aus seiner persönlichen Erfah¬
rung bei Toul ein drastisches Beispiel. Wenn dergleichen Schwätzer, ehe sie
solche unsinnige Anforderungen in die Welt schicken, und dadurch eine Menge
Leute täuschen, sich doch vorher bei dem ersten besten Artillerie-Unteroffiziere
über Längs- und Seitenabweichungen der Granaten belehren lassen mochten,
dann würden sie nicht vor den Soldaten ganz Enropas sich lächerlich machen.

Der Schluß des Buches bietet ebenfalls einen reichen Schatz an Erfah¬
rungen und wahrhaft praktischen Vorschlägen für die Zukunft. Möge es in
Deutschland, vorzüglich aber bei den Regierungen sein zahlreiches Publikum
finden, — auch eine Uebersetzung in das Französische und Englische wäre
v. Clausewitz. dringend zu wünschen.




Verantwortlicher Redakteur - Dr. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. - Druck von Huthel Herrinnen in Leipzig.
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[0084] gleichzeitigen oder unvermutheten Ankunft mehrerer Krankenzüge unzertrennlich ist, stets mit kurzen Befehlen das Nichtige anordnet. Das ist aber nnr bei einem eingeübten Personal möglich, in welchem Jeder ein für allemal an dem¬ selben Platz arbeitet. Durch diese Theilung der Arbeit allein ist es möglich, den Leidenden schnell die möglichste Hülfe zu bringen. Nach wenigen Stun¬ den, sobald die Patienten frisch verbunden nud erquickt sind, müssen die Trans¬ portablen weiter geschafft werden. So geht es rastlos, Tag auf Tag, Nacht ans Nacht, bis irgend ein Stillstand der Operationen, die Zerstörung der Kom¬ munikationen oder ein ähnlicher Zwischenfall, eine kurze Pause bringt. Sehr treffend sagt der Verfasser hierüber: „Freilich stumpft ein solcher Dienst auf die Dauer auch deu empfindsamsten Menschen ab. Herz und Gemüth werden nicht befriedigt, die Arbeit ist zu ausgedehnt, die Zeit zu kurz, sich mit dem Einzelnen zu beschäftigen, an ihm besondern Antheil zu nehmen. Kaum ist der Eine fortgeschafft, fo kommt auch der Andere an. Ein weiches Gemüth hält dies nicht aus, ein hartes wird bei diesem Dienst noch härter. Deshalb ist es nothwendig, daß die Personen für diesen Evacuationsdienst be¬ sonders ausgesucht werden. Sie müssen praktischen Sinn und Energie haben, viel Ruhe besitzen und nicht zu weich sein, dagegen sind leidenschaftliche und unruhige, vorzüglich aber gefühllose Leute gar nicht zu verwenden. Ans einer eingerichteten Station mit eingearbeiteten Leuten muß der Dienst wie ein Uhr¬ werk gehen. Alles muß ohne Aufregung und ohne viele Worte seinen ruhigen Gang gehen von der Ankunft der Verwundeten mit den Landkarrentransporten an, bis zur Einschiffung in die Eisenbahn, von der Reinigung der Lazarethe an, bis zur Wiederbelegung derselben!" Auch zu der jetzt wieder von Unwis¬ senden bei Gelegenheit des russisch-türkischen Krieges zum Ueberdruß wieder¬ holten Behauptung: der Belagerer müsse bei Festungen während der Beschießung bestimmte Häuser schonen, liefert der Verfasser aus seiner persönlichen Erfah¬ rung bei Toul ein drastisches Beispiel. Wenn dergleichen Schwätzer, ehe sie solche unsinnige Anforderungen in die Welt schicken, und dadurch eine Menge Leute täuschen, sich doch vorher bei dem ersten besten Artillerie-Unteroffiziere über Längs- und Seitenabweichungen der Granaten belehren lassen mochten, dann würden sie nicht vor den Soldaten ganz Enropas sich lächerlich machen. Der Schluß des Buches bietet ebenfalls einen reichen Schatz an Erfah¬ rungen und wahrhaft praktischen Vorschlägen für die Zukunft. Möge es in Deutschland, vorzüglich aber bei den Regierungen sein zahlreiches Publikum finden, — auch eine Uebersetzung in das Französische und Englische wäre v. Clausewitz. dringend zu wünschen. Verantwortlicher Redakteur - Dr. Hans Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. - Druck von Huthel Herrinnen in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/84>, abgerufen am 29.12.2024.