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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Vorstädte rekosnoszirten, trat durch das neu zuströmende Material, das nun
in die occidentalen Museen, durch Botta ins Louvre, durch Layard ins britische
Museum wanderte, die assyrische Forschung in ihre 2. Phase.

In England fanden die gewonnenen Inschriften an Hincks und Sir
Henry Rawlinson, von 1866 an aber namentlich an George Smith eifrige
Bearbeiter und Entzifferer; nach mühevollen Studien fand namentlich der letztere
unter dem fast verachteten Schütte der assyrischen Monumente kleine, verstüm¬
melte Thontäfelchen, vou denen das eine ihm einen assyrischen Sintfluthsbericht
mit den überraschendsten Parallelen zu demjenigen der Genesis lieferte. Am
3. Dezember 1872 gab Smith in einer Sitzung der "Gesellschaft für biblische
Archäologie" in London eine Beschreibung und Uebersetzung der assyrischen
Version; infolge dieser das englische Publikum auss höchste in Anspruch
nehmenden Entzifferung traten die Eigenthümer des Londoner vÄll^-^vIvArgPd
mit Smith in Verbindung, und nachdem dieser am 26. Decbr. 1872 in dem
Artikel: "°Ung,t mia^ torincl. in ^.Sö^ris" seine Leser mit seinen assyrischen
Hoffnungen bekannt gemacht hatte, ging er,am 20. Jan. 1873 an den Tigris,
um weiter nachzugraben.*) -- Damit treten wir in die dritte und letzte Phase
der Ausgrabungen. Smith hat am 19. Juli desselben Jahres ganze Wagen¬
ladungen aus diesem "klassischen Boden der Ziegelsteine" mit nach London ge¬
schleppt, und in der kurzen ihm gegönnten Muße sind seine Forschungen nach
so sicherer Methode und auf so bestimmte Zielpunkte hin geführt worden, daß
er bei seiner noch in demselben Jahre erfolgenden zweiten Expedition bereits
auf die Suche ganz bestimmter Thontäfelchen ausging, welche die Lücken in
den entzifferten Legendenserien ausfüllen sollten und mit Recht an gewissen
Stellen in Niniveh Nähe vermuthet wurden.**) Im Juni 1874 landete Smith
seine zweite kostbare Ladung an London-bridge. Eine dritte Reise wurde An¬
fangs 1876 unternommen, ergab abermals wichtige Funde, aber George Smith
selbst erlag Ende August in Aleppo in der Blüthe seiner Jahre einem hitzigen
Fieber, der erfolg- und hoffnungsreichsten Arbeit entrissen und mit Recht von
der gestimmten Wissenschaft betrauert.

Soviel über den historischen Verfolg unseres Gegenstandes; noch mehr
muß ich meine geographischen Notizen beschränken. -- Die lokale Tradition
der Eingeborenen brachte lediglich die zahlreichen Schutthügel auf dem linken
Tigrisufer, Mossul gegenüber, in Frage; es blieben auch die Ausgrabungen
von Rich und Ainsworth hier nicht ohne Erfolg; als Botta 1843 in der
Nähe beim Dorfe Kujundschik grub, ergaben sich zuerst nur geringe Re-




') <A, LmitK, ^.Wz-'ritu vikivoveriizs; 6. KÄ,> I^ouüo", 1876, xag, 16.
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LmitK, lIio vlikUo-w ^voount ot SensÄ", I^onäon 1376, pu,x. 4--6; bes. Mg. 8
am Ende.

Vorstädte rekosnoszirten, trat durch das neu zuströmende Material, das nun
in die occidentalen Museen, durch Botta ins Louvre, durch Layard ins britische
Museum wanderte, die assyrische Forschung in ihre 2. Phase.

In England fanden die gewonnenen Inschriften an Hincks und Sir
Henry Rawlinson, von 1866 an aber namentlich an George Smith eifrige
Bearbeiter und Entzifferer; nach mühevollen Studien fand namentlich der letztere
unter dem fast verachteten Schütte der assyrischen Monumente kleine, verstüm¬
melte Thontäfelchen, vou denen das eine ihm einen assyrischen Sintfluthsbericht
mit den überraschendsten Parallelen zu demjenigen der Genesis lieferte. Am
3. Dezember 1872 gab Smith in einer Sitzung der „Gesellschaft für biblische
Archäologie" in London eine Beschreibung und Uebersetzung der assyrischen
Version; infolge dieser das englische Publikum auss höchste in Anspruch
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mit Smith in Verbindung, und nachdem dieser am 26. Decbr. 1872 in dem
Artikel: „°Ung,t mia^ torincl. in ^.Sö^ris" seine Leser mit seinen assyrischen
Hoffnungen bekannt gemacht hatte, ging er,am 20. Jan. 1873 an den Tigris,
um weiter nachzugraben.*) — Damit treten wir in die dritte und letzte Phase
der Ausgrabungen. Smith hat am 19. Juli desselben Jahres ganze Wagen¬
ladungen aus diesem „klassischen Boden der Ziegelsteine" mit nach London ge¬
schleppt, und in der kurzen ihm gegönnten Muße sind seine Forschungen nach
so sicherer Methode und auf so bestimmte Zielpunkte hin geführt worden, daß
er bei seiner noch in demselben Jahre erfolgenden zweiten Expedition bereits
auf die Suche ganz bestimmter Thontäfelchen ausging, welche die Lücken in
den entzifferten Legendenserien ausfüllen sollten und mit Recht an gewissen
Stellen in Niniveh Nähe vermuthet wurden.**) Im Juni 1874 landete Smith
seine zweite kostbare Ladung an London-bridge. Eine dritte Reise wurde An¬
fangs 1876 unternommen, ergab abermals wichtige Funde, aber George Smith
selbst erlag Ende August in Aleppo in der Blüthe seiner Jahre einem hitzigen
Fieber, der erfolg- und hoffnungsreichsten Arbeit entrissen und mit Recht von
der gestimmten Wissenschaft betrauert.

Soviel über den historischen Verfolg unseres Gegenstandes; noch mehr
muß ich meine geographischen Notizen beschränken. — Die lokale Tradition
der Eingeborenen brachte lediglich die zahlreichen Schutthügel auf dem linken
Tigrisufer, Mossul gegenüber, in Frage; es blieben auch die Ausgrabungen
von Rich und Ainsworth hier nicht ohne Erfolg; als Botta 1843 in der
Nähe beim Dorfe Kujundschik grub, ergaben sich zuerst nur geringe Re-




') <A, LmitK, ^.Wz-'ritu vikivoveriizs; 6. KÄ,> I^ouüo», 1876, xag, 16.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/8>, abgerufen am 29.12.2024.