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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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schaft einen großen Coup auszuspielen, indem sie der geordneten konstitutio¬
nellen Gesetzesberathung die Autorität des Fürsten Bismark gegenüberstellt
und frischweg das ganze Volk für die letztere gegen die erstere Partei ergreifen
laßt. Das Manöver ist von einer so bodenlosen Lächerlichkeit, daß selbst die
Empörung, welche jeder rechtschaffene Mann über diese frivole Konfliktshetzerei
empfinden muß, hinter der nachhaltigen Heiterkeit über solch' genialen Beur¬
theile! des Volkswillens zurücktritt.

Die Hauptsache übrigens, welche Fürst Bismarck mit dem Nachtragsetat
allem Anscheine nach erstrebte, hat er doch erreicht. Seine Gründe für die
Errichtung eines Eisenbahnministeriums liefen durchweg auf den Nachweis der
Nothwendigkeit einer energischeren Eisenbahnpvlitik hinaus; die Grundstimmung,
aus welcher der ganze Vorschlag hervorgegangen, war offenbar die Unzufrieden¬
heit des Reichskanzlers mit dem Handelsminister Ueberhand. Nun ist der
letztere gegangen und der nach der allgemeinen Ansicht für das Eisenbahn¬
ministerium designirt gewesene Unterstaatssekretär Maybach an seine Stelle ge¬
treten. In der Sache kann also nunmehr die neue Phase der Eisenbahnpolitik
ebenso ungehindert in Szene gesetzt werden, wie wenn das Eisenbahnnnniflerinm
bewilligt worden wäre.

Unmittelbar nachdem der Justiz minister Leonhardt in der vereinigten
Sitzung beider Häuser des Landtags die königliche Schlußbotschaft verlesen
hatte, erschienen im Staatsanzeiger die neuen Minister Graf Botho Eulenburg,
Hobrecht und Maybach; der Vizepräsident Graf Stolberg-Wernigerode mußte
aus der formalen Rücksicht, daß der Nachtragsetat noch nicht gesetzlich voll¬
zogen war, ein wenig länger auf die amtliche Publikation warten. Der Ge¬
rüchte und Muthmaßungen über die demnächstige Haltung des also rckonstrn-
irten Ministeriums, ist Legion. Man thut am besten, die Thatsachen abzuwarten.
Das Eine aber, wir wiederholen es, steht fest: Das neue Ministerium ist nicht
der Ausdruck jener innigeren Uebereinstimmung zwischen Regierung und Volks¬
vertretung, deren Herstellung die besten Patrioten, als die durch das Wohl
des Landes dringend gebotene Lösung der schweren inneren Krise betrachtet
hatt v. ". en.




schaft einen großen Coup auszuspielen, indem sie der geordneten konstitutio¬
nellen Gesetzesberathung die Autorität des Fürsten Bismark gegenüberstellt
und frischweg das ganze Volk für die letztere gegen die erstere Partei ergreifen
laßt. Das Manöver ist von einer so bodenlosen Lächerlichkeit, daß selbst die
Empörung, welche jeder rechtschaffene Mann über diese frivole Konfliktshetzerei
empfinden muß, hinter der nachhaltigen Heiterkeit über solch' genialen Beur¬
theile! des Volkswillens zurücktritt.

Die Hauptsache übrigens, welche Fürst Bismarck mit dem Nachtragsetat
allem Anscheine nach erstrebte, hat er doch erreicht. Seine Gründe für die
Errichtung eines Eisenbahnministeriums liefen durchweg auf den Nachweis der
Nothwendigkeit einer energischeren Eisenbahnpvlitik hinaus; die Grundstimmung,
aus welcher der ganze Vorschlag hervorgegangen, war offenbar die Unzufrieden¬
heit des Reichskanzlers mit dem Handelsminister Ueberhand. Nun ist der
letztere gegangen und der nach der allgemeinen Ansicht für das Eisenbahn¬
ministerium designirt gewesene Unterstaatssekretär Maybach an seine Stelle ge¬
treten. In der Sache kann also nunmehr die neue Phase der Eisenbahnpolitik
ebenso ungehindert in Szene gesetzt werden, wie wenn das Eisenbahnnnniflerinm
bewilligt worden wäre.

Unmittelbar nachdem der Justiz minister Leonhardt in der vereinigten
Sitzung beider Häuser des Landtags die königliche Schlußbotschaft verlesen
hatte, erschienen im Staatsanzeiger die neuen Minister Graf Botho Eulenburg,
Hobrecht und Maybach; der Vizepräsident Graf Stolberg-Wernigerode mußte
aus der formalen Rücksicht, daß der Nachtragsetat noch nicht gesetzlich voll¬
zogen war, ein wenig länger auf die amtliche Publikation warten. Der Ge¬
rüchte und Muthmaßungen über die demnächstige Haltung des also rckonstrn-
irten Ministeriums, ist Legion. Man thut am besten, die Thatsachen abzuwarten.
Das Eine aber, wir wiederholen es, steht fest: Das neue Ministerium ist nicht
der Ausdruck jener innigeren Uebereinstimmung zwischen Regierung und Volks¬
vertretung, deren Herstellung die besten Patrioten, als die durch das Wohl
des Landes dringend gebotene Lösung der schweren inneren Krise betrachtet
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/79>, abgerufen am 06.10.2024.