Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und türkisch. So kam es, daß er über alle Tagesfragen sich mit Bauern und
Paschas, mit Christen und Türken, Armeniern und Griechen eingehend unter¬
halten und aus ihren Gesprächen die'Quintessenz ziehen konnte. Während er
unnachsichtig das ganze türkische Regierungssystem verdammt, stellt er nicht
minder schonungslos die Korruption der Russen und die von ihren Generalen
begangenen Gräuel blos und wenn nur die Hälfte aller hier mitgetheilten
Thatsache" wahr ist, so paßt auf die Feinde -- wenigstens insoweit sie sich
auf asiatischem Boden begegnen -- das Wort, welches Heim von dem Juden
und dem Mönche gebraucht.

Soviel zur allgemeinen Charakteristik des Buches. Was die Einzelheiten
betrifft, so sind sie sowohl amüsant als lehrreich und das Ganze ist gut ge¬
schrieben, so daß wir wohl dem Werke eine deutsche Uebersetzung wünschten.
Von Skutari, das auf der andern Seite des Bosporus, Konstantinopel gegen¬
über, liegt, brach Burnaby auf. Seine Begleiter waren ein ehrlicher englischer
Offiziersdiener, Radford, und ein türkischer Schurke, Osman mit Namen,
Letzterer aber bei aller Schurkerei ein Bursche voll Humor und Mutterwitz,
so daß wir es wirklich bedauerten, ihn schon im ersten Bande entlassen zu sehen.

Es war ein rauher Dezemberabend als dies Kleeblatt seinen Ritt von
Skutari nach Osten zu begann. Packpferde trugen alles Nöthige; unter ihnen
war eins, das auf den Namen Obadjcch getauft war und unserm Reisenden
viel Aerger bereitete. Bei der Ueberfahrt über den Bosporus schlägt es mit
den Hufen eine Blechbüchse voll Patronen durch und verursacht so eine gefähr¬
liche Explosion; in Skutari, wo es wieder ausschlägt, ruinirt es den Wagen
eines Beys und als es diese Stadt eben hinter sich hat, wirft es seine Ladung
ab und verschwindet im Dunkeln. Das war der Anfang und Osman rief:
"O Herr, unser Fatum ist ein schlechtes. Das Pferd -- verflucht sei seine
Mutter -- ist auf und davon. Was sollen wir machen?" Bnrnaby war der
Ansicht, Osman sei an dem Unglück schuld, da er deu Obadjah schlecht gesattelt
habe; Radford schob aber die Sache auf Osman's vieles Beten. "Soll er
eine Arbeit verrichten, dann kniet er erst und beugt das Haupt zur Erde. El,
seht den Schlingel, da betet er schon wieder und benutzt meinen Mantel als
Teppich!" Osman wurde ausgesandt, um das Pferd wiederzubringen; einen
Tag blieb er aus, dann kehrte er seelenrnhig zurück und sagte "^.t Altai, es
ist fort!" Burnaby sah sein Roß niemals wieder; er spricht aber den Ver¬
dacht ans, daß es Osman gefunden und verkauft haben könne. Natürlich be¬
hielt der Schurke den Preis für sich. Das Wort söll-Zi hatte überhaupt für
Burnaby eine ominöse Bedeutung; es ist das erste und letzte, welches der
Reisende in der Türkei hört und als Osman auch den Thee gestohlen hatte,
hieß es einfach ssitäi!


Grenzboten II. 1878. 9

und türkisch. So kam es, daß er über alle Tagesfragen sich mit Bauern und
Paschas, mit Christen und Türken, Armeniern und Griechen eingehend unter¬
halten und aus ihren Gesprächen die'Quintessenz ziehen konnte. Während er
unnachsichtig das ganze türkische Regierungssystem verdammt, stellt er nicht
minder schonungslos die Korruption der Russen und die von ihren Generalen
begangenen Gräuel blos und wenn nur die Hälfte aller hier mitgetheilten
Thatsache» wahr ist, so paßt auf die Feinde — wenigstens insoweit sie sich
auf asiatischem Boden begegnen — das Wort, welches Heim von dem Juden
und dem Mönche gebraucht.

Soviel zur allgemeinen Charakteristik des Buches. Was die Einzelheiten
betrifft, so sind sie sowohl amüsant als lehrreich und das Ganze ist gut ge¬
schrieben, so daß wir wohl dem Werke eine deutsche Uebersetzung wünschten.
Von Skutari, das auf der andern Seite des Bosporus, Konstantinopel gegen¬
über, liegt, brach Burnaby auf. Seine Begleiter waren ein ehrlicher englischer
Offiziersdiener, Radford, und ein türkischer Schurke, Osman mit Namen,
Letzterer aber bei aller Schurkerei ein Bursche voll Humor und Mutterwitz,
so daß wir es wirklich bedauerten, ihn schon im ersten Bande entlassen zu sehen.

Es war ein rauher Dezemberabend als dies Kleeblatt seinen Ritt von
Skutari nach Osten zu begann. Packpferde trugen alles Nöthige; unter ihnen
war eins, das auf den Namen Obadjcch getauft war und unserm Reisenden
viel Aerger bereitete. Bei der Ueberfahrt über den Bosporus schlägt es mit
den Hufen eine Blechbüchse voll Patronen durch und verursacht so eine gefähr¬
liche Explosion; in Skutari, wo es wieder ausschlägt, ruinirt es den Wagen
eines Beys und als es diese Stadt eben hinter sich hat, wirft es seine Ladung
ab und verschwindet im Dunkeln. Das war der Anfang und Osman rief:
„O Herr, unser Fatum ist ein schlechtes. Das Pferd — verflucht sei seine
Mutter — ist auf und davon. Was sollen wir machen?" Bnrnaby war der
Ansicht, Osman sei an dem Unglück schuld, da er deu Obadjah schlecht gesattelt
habe; Radford schob aber die Sache auf Osman's vieles Beten. „Soll er
eine Arbeit verrichten, dann kniet er erst und beugt das Haupt zur Erde. El,
seht den Schlingel, da betet er schon wieder und benutzt meinen Mantel als
Teppich!" Osman wurde ausgesandt, um das Pferd wiederzubringen; einen
Tag blieb er aus, dann kehrte er seelenrnhig zurück und sagte „^.t Altai, es
ist fort!" Burnaby sah sein Roß niemals wieder; er spricht aber den Ver¬
dacht ans, daß es Osman gefunden und verkauft haben könne. Natürlich be¬
hielt der Schurke den Preis für sich. Das Wort söll-Zi hatte überhaupt für
Burnaby eine ominöse Bedeutung; es ist das erste und letzte, welches der
Reisende in der Türkei hört und als Osman auch den Thee gestohlen hatte,
hieß es einfach ssitäi!


Grenzboten II. 1878. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0069" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139890"/>
          <p xml:id="ID_245" prev="#ID_244"> und türkisch. So kam es, daß er über alle Tagesfragen sich mit Bauern und<lb/>
Paschas, mit Christen und Türken, Armeniern und Griechen eingehend unter¬<lb/>
halten und aus ihren Gesprächen die'Quintessenz ziehen konnte. Während er<lb/>
unnachsichtig das ganze türkische Regierungssystem verdammt, stellt er nicht<lb/>
minder schonungslos die Korruption der Russen und die von ihren Generalen<lb/>
begangenen Gräuel blos und wenn nur die Hälfte aller hier mitgetheilten<lb/>
Thatsache» wahr ist, so paßt auf die Feinde &#x2014; wenigstens insoweit sie sich<lb/>
auf asiatischem Boden begegnen &#x2014; das Wort, welches Heim von dem Juden<lb/>
und dem Mönche gebraucht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_246"> Soviel zur allgemeinen Charakteristik des Buches. Was die Einzelheiten<lb/>
betrifft, so sind sie sowohl amüsant als lehrreich und das Ganze ist gut ge¬<lb/>
schrieben, so daß wir wohl dem Werke eine deutsche Uebersetzung wünschten.<lb/>
Von Skutari, das auf der andern Seite des Bosporus, Konstantinopel gegen¬<lb/>
über, liegt, brach Burnaby auf. Seine Begleiter waren ein ehrlicher englischer<lb/>
Offiziersdiener, Radford, und ein türkischer Schurke, Osman mit Namen,<lb/>
Letzterer aber bei aller Schurkerei ein Bursche voll Humor und Mutterwitz,<lb/>
so daß wir es wirklich bedauerten, ihn schon im ersten Bande entlassen zu sehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_247"> Es war ein rauher Dezemberabend als dies Kleeblatt seinen Ritt von<lb/>
Skutari nach Osten zu begann. Packpferde trugen alles Nöthige; unter ihnen<lb/>
war eins, das auf den Namen Obadjcch getauft war und unserm Reisenden<lb/>
viel Aerger bereitete. Bei der Ueberfahrt über den Bosporus schlägt es mit<lb/>
den Hufen eine Blechbüchse voll Patronen durch und verursacht so eine gefähr¬<lb/>
liche Explosion; in Skutari, wo es wieder ausschlägt, ruinirt es den Wagen<lb/>
eines Beys und als es diese Stadt eben hinter sich hat, wirft es seine Ladung<lb/>
ab und verschwindet im Dunkeln. Das war der Anfang und Osman rief:<lb/>
&#x201E;O Herr, unser Fatum ist ein schlechtes. Das Pferd &#x2014; verflucht sei seine<lb/>
Mutter &#x2014; ist auf und davon. Was sollen wir machen?" Bnrnaby war der<lb/>
Ansicht, Osman sei an dem Unglück schuld, da er deu Obadjah schlecht gesattelt<lb/>
habe; Radford schob aber die Sache auf Osman's vieles Beten. &#x201E;Soll er<lb/>
eine Arbeit verrichten, dann kniet er erst und beugt das Haupt zur Erde. El,<lb/>
seht den Schlingel, da betet er schon wieder und benutzt meinen Mantel als<lb/>
Teppich!" Osman wurde ausgesandt, um das Pferd wiederzubringen; einen<lb/>
Tag blieb er aus, dann kehrte er seelenrnhig zurück und sagte &#x201E;^.t Altai, es<lb/>
ist fort!" Burnaby sah sein Roß niemals wieder; er spricht aber den Ver¬<lb/>
dacht ans, daß es Osman gefunden und verkauft haben könne. Natürlich be¬<lb/>
hielt der Schurke den Preis für sich. Das Wort söll-Zi hatte überhaupt für<lb/>
Burnaby eine ominöse Bedeutung; es ist das erste und letzte, welches der<lb/>
Reisende in der Türkei hört und als Osman auch den Thee gestohlen hatte,<lb/>
hieß es einfach ssitäi!</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1878. 9</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0069] und türkisch. So kam es, daß er über alle Tagesfragen sich mit Bauern und Paschas, mit Christen und Türken, Armeniern und Griechen eingehend unter¬ halten und aus ihren Gesprächen die'Quintessenz ziehen konnte. Während er unnachsichtig das ganze türkische Regierungssystem verdammt, stellt er nicht minder schonungslos die Korruption der Russen und die von ihren Generalen begangenen Gräuel blos und wenn nur die Hälfte aller hier mitgetheilten Thatsache» wahr ist, so paßt auf die Feinde — wenigstens insoweit sie sich auf asiatischem Boden begegnen — das Wort, welches Heim von dem Juden und dem Mönche gebraucht. Soviel zur allgemeinen Charakteristik des Buches. Was die Einzelheiten betrifft, so sind sie sowohl amüsant als lehrreich und das Ganze ist gut ge¬ schrieben, so daß wir wohl dem Werke eine deutsche Uebersetzung wünschten. Von Skutari, das auf der andern Seite des Bosporus, Konstantinopel gegen¬ über, liegt, brach Burnaby auf. Seine Begleiter waren ein ehrlicher englischer Offiziersdiener, Radford, und ein türkischer Schurke, Osman mit Namen, Letzterer aber bei aller Schurkerei ein Bursche voll Humor und Mutterwitz, so daß wir es wirklich bedauerten, ihn schon im ersten Bande entlassen zu sehen. Es war ein rauher Dezemberabend als dies Kleeblatt seinen Ritt von Skutari nach Osten zu begann. Packpferde trugen alles Nöthige; unter ihnen war eins, das auf den Namen Obadjcch getauft war und unserm Reisenden viel Aerger bereitete. Bei der Ueberfahrt über den Bosporus schlägt es mit den Hufen eine Blechbüchse voll Patronen durch und verursacht so eine gefähr¬ liche Explosion; in Skutari, wo es wieder ausschlägt, ruinirt es den Wagen eines Beys und als es diese Stadt eben hinter sich hat, wirft es seine Ladung ab und verschwindet im Dunkeln. Das war der Anfang und Osman rief: „O Herr, unser Fatum ist ein schlechtes. Das Pferd — verflucht sei seine Mutter — ist auf und davon. Was sollen wir machen?" Bnrnaby war der Ansicht, Osman sei an dem Unglück schuld, da er deu Obadjah schlecht gesattelt habe; Radford schob aber die Sache auf Osman's vieles Beten. „Soll er eine Arbeit verrichten, dann kniet er erst und beugt das Haupt zur Erde. El, seht den Schlingel, da betet er schon wieder und benutzt meinen Mantel als Teppich!" Osman wurde ausgesandt, um das Pferd wiederzubringen; einen Tag blieb er aus, dann kehrte er seelenrnhig zurück und sagte „^.t Altai, es ist fort!" Burnaby sah sein Roß niemals wieder; er spricht aber den Ver¬ dacht ans, daß es Osman gefunden und verkauft haben könne. Natürlich be¬ hielt der Schurke den Preis für sich. Das Wort söll-Zi hatte überhaupt für Burnaby eine ominöse Bedeutung; es ist das erste und letzte, welches der Reisende in der Türkei hört und als Osman auch den Thee gestohlen hatte, hieß es einfach ssitäi! Grenzboten II. 1878. 9

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/69
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/69>, abgerufen am 29.12.2024.