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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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worden, wesentlich darum, weil sie der Geschichte der Fluth giebt. Ich gehe
sofort zur Mittheilung dieses wichtigsten Stückes über, nachdem ich um die
Uebersetzung durch einige orientirende Striche einen Rahmen gezogen.

Zwölf Thontäfelchen bilden die Serie; keins derselben ist vollständig er¬
halten, am vollständigsten glücklicherweise das elfte, welches die Fluthgeschichte
enthält. Wie vieldeutig indessen in der Assyriologic das Wort Vollständigkeit
ist, ersieht man aus der Thatsache, daß dieses Handflächengröße Thontäfelchen
aus nicht weniger als 16 Fragmenten besteht. -- Nach Ursprung und Alter
gehören sämmtliche Stücke zu dem oben mitgetheilten Schöpfungsberichte; sie
stammen nämlich wie dieser aus der Bibliothek Assurbanipals zu Niniveh und sind
Kopien älterer Originale, welche aus der Bibliothek von Erach kamen und nach
Smiths Schätzung gleichfalls ums Jahr 2000 v. Ch. entstanden sind; da jedoch
die Traditionen der Völker nicht in ihren ersten Anfängen zur schriftlichen
Fixirung gelangen, so darf man wohl mit Recht noch anf ein bei weiten:
höheres Alter schließen, wobei übrigens bemerkt zu werden verdient, namentlich
der gegenwärtig häufig beliebten Parallelisirung der ägyptischen und assyrischen
Knlturanfäuge willen, daß "bis jetzt noch kein historisches Monument entdeckt
worden ist, das früher als 2300 v. Chr. gesetzt werden kann, und daß selbst
dieses Datum noch zu früh für die ältesten bekannten Monumente sein mag.""')
Doch ist allerdings zu hoffen, daß unter dem ausgegrabenen Material Sparen
ältester Kulturreste eiues Tages gefunden werden, weil die Städte Babylon,
Sippara, und Larancha (Surripcck, Suripkhn) schon vor der Sintfluth große
Verkehrscentren waren, und weil zweitens die Babylonier uns berichten, daß
sie, gleichfalls vor der Fluth, geschriebene Aufzeichnungen besaßen.^)

Der Held der assyrischen Legende entspricht ziemlich zuverlässig dem
biblischen Nimrod, die Bezeichnung "Jzdubar" ist eine provisorische, da das
Phonogramm seines Namens bis jetzt von den Assyriologen nicht gelöst werden
konnte. Dieser Jzdubar ist der Heros der assyrischen Mythe: ein mächtiger
Jägersmann und Herrscher, berühmt durch seinen Stolz, der Schrecken seiner
Feinde, ein Mann der höchsten Tapferkeit und großer Weisheit. Aber anch
den Mächtigen befällt des Menschen Loos: Unglück und Krankheit kommen
über ihn, und mit Urhamsi, einem Schiffer sucht er Hasisadra (den griechischen
Xisnthros) auf, der in der Nähe des persischen Meerbusens die selige Gemein¬
schaft der Götter theilt. Diesen will Jzdubar um Heilung von seiner Krank¬
heit und um den Weg zur Unsterblichkeit angehn, und auf seine Frage ant¬
wortet Hasisadra mit dem merkwürdigen Flnthberichte:




<A. Anteil, Just. o5 Mx. S4.
") Ebendas.

worden, wesentlich darum, weil sie der Geschichte der Fluth giebt. Ich gehe
sofort zur Mittheilung dieses wichtigsten Stückes über, nachdem ich um die
Uebersetzung durch einige orientirende Striche einen Rahmen gezogen.

Zwölf Thontäfelchen bilden die Serie; keins derselben ist vollständig er¬
halten, am vollständigsten glücklicherweise das elfte, welches die Fluthgeschichte
enthält. Wie vieldeutig indessen in der Assyriologic das Wort Vollständigkeit
ist, ersieht man aus der Thatsache, daß dieses Handflächengröße Thontäfelchen
aus nicht weniger als 16 Fragmenten besteht. — Nach Ursprung und Alter
gehören sämmtliche Stücke zu dem oben mitgetheilten Schöpfungsberichte; sie
stammen nämlich wie dieser aus der Bibliothek Assurbanipals zu Niniveh und sind
Kopien älterer Originale, welche aus der Bibliothek von Erach kamen und nach
Smiths Schätzung gleichfalls ums Jahr 2000 v. Ch. entstanden sind; da jedoch
die Traditionen der Völker nicht in ihren ersten Anfängen zur schriftlichen
Fixirung gelangen, so darf man wohl mit Recht noch anf ein bei weiten:
höheres Alter schließen, wobei übrigens bemerkt zu werden verdient, namentlich
der gegenwärtig häufig beliebten Parallelisirung der ägyptischen und assyrischen
Knlturanfäuge willen, daß „bis jetzt noch kein historisches Monument entdeckt
worden ist, das früher als 2300 v. Chr. gesetzt werden kann, und daß selbst
dieses Datum noch zu früh für die ältesten bekannten Monumente sein mag.""')
Doch ist allerdings zu hoffen, daß unter dem ausgegrabenen Material Sparen
ältester Kulturreste eiues Tages gefunden werden, weil die Städte Babylon,
Sippara, und Larancha (Surripcck, Suripkhn) schon vor der Sintfluth große
Verkehrscentren waren, und weil zweitens die Babylonier uns berichten, daß
sie, gleichfalls vor der Fluth, geschriebene Aufzeichnungen besaßen.^)

Der Held der assyrischen Legende entspricht ziemlich zuverlässig dem
biblischen Nimrod, die Bezeichnung „Jzdubar" ist eine provisorische, da das
Phonogramm seines Namens bis jetzt von den Assyriologen nicht gelöst werden
konnte. Dieser Jzdubar ist der Heros der assyrischen Mythe: ein mächtiger
Jägersmann und Herrscher, berühmt durch seinen Stolz, der Schrecken seiner
Feinde, ein Mann der höchsten Tapferkeit und großer Weisheit. Aber anch
den Mächtigen befällt des Menschen Loos: Unglück und Krankheit kommen
über ihn, und mit Urhamsi, einem Schiffer sucht er Hasisadra (den griechischen
Xisnthros) auf, der in der Nähe des persischen Meerbusens die selige Gemein¬
schaft der Götter theilt. Diesen will Jzdubar um Heilung von seiner Krank¬
heit und um den Weg zur Unsterblichkeit angehn, und auf seine Frage ant¬
wortet Hasisadra mit dem merkwürdigen Flnthberichte:




<A. Anteil, Just. o5 Mx. S4.
«) Ebendas.
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[0063] worden, wesentlich darum, weil sie der Geschichte der Fluth giebt. Ich gehe sofort zur Mittheilung dieses wichtigsten Stückes über, nachdem ich um die Uebersetzung durch einige orientirende Striche einen Rahmen gezogen. Zwölf Thontäfelchen bilden die Serie; keins derselben ist vollständig er¬ halten, am vollständigsten glücklicherweise das elfte, welches die Fluthgeschichte enthält. Wie vieldeutig indessen in der Assyriologic das Wort Vollständigkeit ist, ersieht man aus der Thatsache, daß dieses Handflächengröße Thontäfelchen aus nicht weniger als 16 Fragmenten besteht. — Nach Ursprung und Alter gehören sämmtliche Stücke zu dem oben mitgetheilten Schöpfungsberichte; sie stammen nämlich wie dieser aus der Bibliothek Assurbanipals zu Niniveh und sind Kopien älterer Originale, welche aus der Bibliothek von Erach kamen und nach Smiths Schätzung gleichfalls ums Jahr 2000 v. Ch. entstanden sind; da jedoch die Traditionen der Völker nicht in ihren ersten Anfängen zur schriftlichen Fixirung gelangen, so darf man wohl mit Recht noch anf ein bei weiten: höheres Alter schließen, wobei übrigens bemerkt zu werden verdient, namentlich der gegenwärtig häufig beliebten Parallelisirung der ägyptischen und assyrischen Knlturanfäuge willen, daß „bis jetzt noch kein historisches Monument entdeckt worden ist, das früher als 2300 v. Chr. gesetzt werden kann, und daß selbst dieses Datum noch zu früh für die ältesten bekannten Monumente sein mag.""') Doch ist allerdings zu hoffen, daß unter dem ausgegrabenen Material Sparen ältester Kulturreste eiues Tages gefunden werden, weil die Städte Babylon, Sippara, und Larancha (Surripcck, Suripkhn) schon vor der Sintfluth große Verkehrscentren waren, und weil zweitens die Babylonier uns berichten, daß sie, gleichfalls vor der Fluth, geschriebene Aufzeichnungen besaßen.^) Der Held der assyrischen Legende entspricht ziemlich zuverlässig dem biblischen Nimrod, die Bezeichnung „Jzdubar" ist eine provisorische, da das Phonogramm seines Namens bis jetzt von den Assyriologen nicht gelöst werden konnte. Dieser Jzdubar ist der Heros der assyrischen Mythe: ein mächtiger Jägersmann und Herrscher, berühmt durch seinen Stolz, der Schrecken seiner Feinde, ein Mann der höchsten Tapferkeit und großer Weisheit. Aber anch den Mächtigen befällt des Menschen Loos: Unglück und Krankheit kommen über ihn, und mit Urhamsi, einem Schiffer sucht er Hasisadra (den griechischen Xisnthros) auf, der in der Nähe des persischen Meerbusens die selige Gemein¬ schaft der Götter theilt. Diesen will Jzdubar um Heilung von seiner Krank¬ heit und um den Weg zur Unsterblichkeit angehn, und auf seine Frage ant¬ wortet Hasisadra mit dem merkwürdigen Flnthberichte: <A. Anteil, Just. o5 Mx. S4. «) Ebendas.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/63>, abgerufen am 28.07.2024.