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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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astronomischen Arbeit der Assyrer, deren Spezialstudien uns auf vielen Denk¬
mälern noch vorliegen. -- Meine Uebersetzung giebt seist wörtlich den Text
Fox Talbots in den Reevräs ok tds?äst von 1877;^) ich habe aber einen
Argwohn gegen ihn, denn er scheint mir in die höchst gefährliche Klasse der
"geschmackvollen" Übersetzungen zu gehören; wenigstens hat Chat Boseciwen
noch am 6. Oktober 1877 in der ^s.aom^^) denselben wichtigen Text ver¬
öffentlicht, der von dem gegebenen wesentlich abweicht, sich aber durch seine
geringere Verständlichkeit d. h. durch sein weniger geschmackvolles Arrangement
empfiehlt.

Der Inhalt der weiteren Thonstücke ist zu fragmentarisch für eine sichere
Herstellung seines Zusammenhangs. Sie enthalten Parallelen zum 6. Schö¬
pfungstage, der Erschaffung der Thiere und des Menschen, dessen Reinheit aus¬
drücklich erwähnt wird, z. B. -- "Der Gott Herr hörte es und ward voll
Zorns, -- Weil der Mensch seine Reinheit verletzt hatte" ?c. Der Sündenfall
wird in den Inschriften nicht erwähnt; dagegen befindet sich im drie. Museum
eine frappante Illustration dazu, ein altbaüylonisches Cyliuderfragment, welches .
zwei menschliche Figuren, zwischen ihnen einen Baum, nach dem sie die Hände
ausstrecken, und hinter der einen weiblichen Figur eine Schlange darstellt^),
sodaß sich also die alttestamentliche Verbindung der Schlange mit der ersten Sünde
auch für die altbabylonische Tradition ergiebt. -- Auf den Fall erfolgt der
Fluch der Götter über den Menschen (und die Schlange): Weisheit und Er¬
kenntnis sollen ihm Schaden bringen, einem Tyrannen soll er unterworfen sein;
die Seinen sollen ihn hassen, die Frucht seiner Arbeit soll er nicht genießen,
seine Wünsche sollen nicht erfüllt, seine Gebete nicht erhört werden.

Dagegen fehlt nun sowohl die bildliche wie schriftliche Darstellung der
bibl. Periode von Adam, seineu Söhnen, namentlich vom Brudermord bis auf
Noah, zu welchem die babylonische Legende bekanntlich sehr eingehende Paral¬
lelen liefert, -- Diese zeitliche Lücke wird nach Smith ausgefüllt durch Mythen
von Kämpfen der Götter Bel, Merodach, Shamas und Vul, die bald wechsel¬
seitig, bald gegen Mensch und Thier erfolgen, und in denen die Verworrenheit der
gegenseitigen Beziehungen von den Gelehrten bis heute uoch nicht hat gelöst
werden können, f)

Der sogenannten Jzdubarserie dagegen, welche der noachischen Episode der
Genesis entspricht, ist von allen Seiten ein verdientes Interesse entgegengebracht






x-^, 117--118.
") i>aZ, 344, wo das Genauere zu vergleichen ist.
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findet.
f) Am ausführlichsten behandelt diese Periode Lullu, OluüS. ^evormt ok KvnWis,
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astronomischen Arbeit der Assyrer, deren Spezialstudien uns auf vielen Denk¬
mälern noch vorliegen. — Meine Uebersetzung giebt seist wörtlich den Text
Fox Talbots in den Reevräs ok tds?äst von 1877;^) ich habe aber einen
Argwohn gegen ihn, denn er scheint mir in die höchst gefährliche Klasse der
„geschmackvollen" Übersetzungen zu gehören; wenigstens hat Chat Boseciwen
noch am 6. Oktober 1877 in der ^s.aom^^) denselben wichtigen Text ver¬
öffentlicht, der von dem gegebenen wesentlich abweicht, sich aber durch seine
geringere Verständlichkeit d. h. durch sein weniger geschmackvolles Arrangement
empfiehlt.

Der Inhalt der weiteren Thonstücke ist zu fragmentarisch für eine sichere
Herstellung seines Zusammenhangs. Sie enthalten Parallelen zum 6. Schö¬
pfungstage, der Erschaffung der Thiere und des Menschen, dessen Reinheit aus¬
drücklich erwähnt wird, z. B. — „Der Gott Herr hörte es und ward voll
Zorns, — Weil der Mensch seine Reinheit verletzt hatte" ?c. Der Sündenfall
wird in den Inschriften nicht erwähnt; dagegen befindet sich im drie. Museum
eine frappante Illustration dazu, ein altbaüylonisches Cyliuderfragment, welches .
zwei menschliche Figuren, zwischen ihnen einen Baum, nach dem sie die Hände
ausstrecken, und hinter der einen weiblichen Figur eine Schlange darstellt^),
sodaß sich also die alttestamentliche Verbindung der Schlange mit der ersten Sünde
auch für die altbabylonische Tradition ergiebt. — Auf den Fall erfolgt der
Fluch der Götter über den Menschen (und die Schlange): Weisheit und Er¬
kenntnis sollen ihm Schaden bringen, einem Tyrannen soll er unterworfen sein;
die Seinen sollen ihn hassen, die Frucht seiner Arbeit soll er nicht genießen,
seine Wünsche sollen nicht erfüllt, seine Gebete nicht erhört werden.

Dagegen fehlt nun sowohl die bildliche wie schriftliche Darstellung der
bibl. Periode von Adam, seineu Söhnen, namentlich vom Brudermord bis auf
Noah, zu welchem die babylonische Legende bekanntlich sehr eingehende Paral¬
lelen liefert, — Diese zeitliche Lücke wird nach Smith ausgefüllt durch Mythen
von Kämpfen der Götter Bel, Merodach, Shamas und Vul, die bald wechsel¬
seitig, bald gegen Mensch und Thier erfolgen, und in denen die Verworrenheit der
gegenseitigen Beziehungen von den Gelehrten bis heute uoch nicht hat gelöst
werden können, f)

Der sogenannten Jzdubarserie dagegen, welche der noachischen Episode der
Genesis entspricht, ist von allen Seiten ein verdientes Interesse entgegengebracht






x-^, 117—118.
") i>aZ, 344, wo das Genauere zu vergleichen ist.
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findet.
f) Am ausführlichsten behandelt diese Periode Lullu, OluüS. ^evormt ok KvnWis,
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[0062] astronomischen Arbeit der Assyrer, deren Spezialstudien uns auf vielen Denk¬ mälern noch vorliegen. — Meine Uebersetzung giebt seist wörtlich den Text Fox Talbots in den Reevräs ok tds?äst von 1877;^) ich habe aber einen Argwohn gegen ihn, denn er scheint mir in die höchst gefährliche Klasse der „geschmackvollen" Übersetzungen zu gehören; wenigstens hat Chat Boseciwen noch am 6. Oktober 1877 in der ^s.aom^^) denselben wichtigen Text ver¬ öffentlicht, der von dem gegebenen wesentlich abweicht, sich aber durch seine geringere Verständlichkeit d. h. durch sein weniger geschmackvolles Arrangement empfiehlt. Der Inhalt der weiteren Thonstücke ist zu fragmentarisch für eine sichere Herstellung seines Zusammenhangs. Sie enthalten Parallelen zum 6. Schö¬ pfungstage, der Erschaffung der Thiere und des Menschen, dessen Reinheit aus¬ drücklich erwähnt wird, z. B. — „Der Gott Herr hörte es und ward voll Zorns, — Weil der Mensch seine Reinheit verletzt hatte" ?c. Der Sündenfall wird in den Inschriften nicht erwähnt; dagegen befindet sich im drie. Museum eine frappante Illustration dazu, ein altbaüylonisches Cyliuderfragment, welches . zwei menschliche Figuren, zwischen ihnen einen Baum, nach dem sie die Hände ausstrecken, und hinter der einen weiblichen Figur eine Schlange darstellt^), sodaß sich also die alttestamentliche Verbindung der Schlange mit der ersten Sünde auch für die altbabylonische Tradition ergiebt. — Auf den Fall erfolgt der Fluch der Götter über den Menschen (und die Schlange): Weisheit und Er¬ kenntnis sollen ihm Schaden bringen, einem Tyrannen soll er unterworfen sein; die Seinen sollen ihn hassen, die Frucht seiner Arbeit soll er nicht genießen, seine Wünsche sollen nicht erfüllt, seine Gebete nicht erhört werden. Dagegen fehlt nun sowohl die bildliche wie schriftliche Darstellung der bibl. Periode von Adam, seineu Söhnen, namentlich vom Brudermord bis auf Noah, zu welchem die babylonische Legende bekanntlich sehr eingehende Paral¬ lelen liefert, — Diese zeitliche Lücke wird nach Smith ausgefüllt durch Mythen von Kämpfen der Götter Bel, Merodach, Shamas und Vul, die bald wechsel¬ seitig, bald gegen Mensch und Thier erfolgen, und in denen die Verworrenheit der gegenseitigen Beziehungen von den Gelehrten bis heute uoch nicht hat gelöst werden können, f) Der sogenannten Jzdubarserie dagegen, welche der noachischen Episode der Genesis entspricht, ist von allen Seiten ein verdientes Interesse entgegengebracht x-^, 117—118. ") i>aZ, 344, wo das Genauere zu vergleichen ist. — ) 6. LmitK, <ZK»la. ^.ovouAt ot ««»., xax. 91, wo sich eine Abbildung des Cylinders findet. f) Am ausführlichsten behandelt diese Periode Lullu, OluüS. ^evormt ok KvnWis, MS Ils ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/62>, abgerufen am 28.07.2024.