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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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weiße Häuser, die ebenfalls mit glasirten Jnnenecken, hellblau mit weiß und
grau mit weiß, ans das Freundlichste dekorirt sind, umgeben den algierischen
Palast, Hier werden jene marokkanischen und tunesischen Quincaillerieen feil¬
geboten, für welche Paris der Hauptstapelplatz geworden ist: Korallen, Meer-
fchaumpfeifen, Emailarbeiten, phantastischer Goldschmuck, der aus Münzen und
Halbmonden zusammengesetzt ist, Perlen, bunte Dosen, Backwaaren, Goldbrokat,
Pantoffel und Seidengewebe.

Ein bunteres Leben als hier entfaltet sich auf der andern Seite, im
tunesischen Bazar, der ein Gebäude für sich im maurischen Stile bildet.
Wie in einer Straße von Tunis reiht sich eine Halle an die andere. Alle
öffnen sich gegen einen bedeckten Gang durch den maurischen Hufeisenbogen.
Die Dächer sind flach, die Wände mit einem bunten Schachbrettmuster bemalt:
Gold, Blau und Roth spielen die Hauptrolle. Dicht daneben liegt ein dritter
Bazar, der von Marokko, auf dessen Dach ein Käse etablirt ist, wo in flachen
Schaalen schmutziggelber Mokka kredenzt wird und wo vier fette Türken eine
höllische, ohrenzerreißende Musik verüben. Hier werden dieselben bunten Nichtig¬
keiten feilgeboten, wie in dem algierischen Bazar: eine bedeutsame Rolle spielt
hier noch die tunesische Rosenessenz, die in langen, dicken, mit arabischen
Schriftzeichen bemalten Glasflaschen feilgeboten wird. Die Hälfte, drei Viertel
dieses Trödels werden jetzt mit derselben Kunstfertigkeit wie an Ort und Stelle,
aber mit einer geringeren Solidität in Paris fabrizirt. Wer sich davon über¬
zeugen will, mache einen Gang durch die (Zalöris an'travail auf dem Mars¬
felde, wo die "kleinen Industrieen" ihre Unterkunft gefunden haben und wo
vor den Augen des Publikums die niedlichen Sächelchen emaillirt, vergoldet
und bemalt werden, die später in die Bazare von Tunis, Marokko und Algier
wandern. Echt sind dort nur die vronzefarbenen Verkäufer und Verkäuferinnen
mit ihren weißen Burnussen, ihren grünen Turbans und ihren goldgestickten
Atlaswesten, echt ist auch die orientalische Pfiffigkeit, mit welcher dem Fremden
der gleißende Tand für unverhältnißmäßige Preise aufgehängt wird.

Dem algierischen Palast entspricht aus der anderen Seite des Troecidero
der Pavillon des himmlischen Reiches, der ernst und würdevoll auf eiuer kleinen
Anhöhe thront wie eine Statue Buddha's. Er besteht aus drei niedrigen, ein¬
stöckigen Flügeln, die einen viereckigen Hos umschließen, in dessen Mitte sich
aus anmuthigen Blumenbeeten ein gefälliges Gartenhaus erhebt. Die Holz¬
wände des Pavillons sind mit einem düstern, schwarzbraunen Anstrich verdeckt,
der ohne heitere Unterbrechung bis zu einem Friese emporreicht, auf deu sich
die ganze Farbenlust der chinesischen Dekorateure geworfen hat. Goldene
Hochreliefs, die den Eindruck kunstreich durchbrochener Arbeit machen, heben
sich von feuerrothen Grunde: Jagden und Kämpfe mit phantastischen Thieren


Grenzboten 1l, 187L, 65

weiße Häuser, die ebenfalls mit glasirten Jnnenecken, hellblau mit weiß und
grau mit weiß, ans das Freundlichste dekorirt sind, umgeben den algierischen
Palast, Hier werden jene marokkanischen und tunesischen Quincaillerieen feil¬
geboten, für welche Paris der Hauptstapelplatz geworden ist: Korallen, Meer-
fchaumpfeifen, Emailarbeiten, phantastischer Goldschmuck, der aus Münzen und
Halbmonden zusammengesetzt ist, Perlen, bunte Dosen, Backwaaren, Goldbrokat,
Pantoffel und Seidengewebe.

Ein bunteres Leben als hier entfaltet sich auf der andern Seite, im
tunesischen Bazar, der ein Gebäude für sich im maurischen Stile bildet.
Wie in einer Straße von Tunis reiht sich eine Halle an die andere. Alle
öffnen sich gegen einen bedeckten Gang durch den maurischen Hufeisenbogen.
Die Dächer sind flach, die Wände mit einem bunten Schachbrettmuster bemalt:
Gold, Blau und Roth spielen die Hauptrolle. Dicht daneben liegt ein dritter
Bazar, der von Marokko, auf dessen Dach ein Käse etablirt ist, wo in flachen
Schaalen schmutziggelber Mokka kredenzt wird und wo vier fette Türken eine
höllische, ohrenzerreißende Musik verüben. Hier werden dieselben bunten Nichtig¬
keiten feilgeboten, wie in dem algierischen Bazar: eine bedeutsame Rolle spielt
hier noch die tunesische Rosenessenz, die in langen, dicken, mit arabischen
Schriftzeichen bemalten Glasflaschen feilgeboten wird. Die Hälfte, drei Viertel
dieses Trödels werden jetzt mit derselben Kunstfertigkeit wie an Ort und Stelle,
aber mit einer geringeren Solidität in Paris fabrizirt. Wer sich davon über¬
zeugen will, mache einen Gang durch die (Zalöris an'travail auf dem Mars¬
felde, wo die „kleinen Industrieen" ihre Unterkunft gefunden haben und wo
vor den Augen des Publikums die niedlichen Sächelchen emaillirt, vergoldet
und bemalt werden, die später in die Bazare von Tunis, Marokko und Algier
wandern. Echt sind dort nur die vronzefarbenen Verkäufer und Verkäuferinnen
mit ihren weißen Burnussen, ihren grünen Turbans und ihren goldgestickten
Atlaswesten, echt ist auch die orientalische Pfiffigkeit, mit welcher dem Fremden
der gleißende Tand für unverhältnißmäßige Preise aufgehängt wird.

Dem algierischen Palast entspricht aus der anderen Seite des Troecidero
der Pavillon des himmlischen Reiches, der ernst und würdevoll auf eiuer kleinen
Anhöhe thront wie eine Statue Buddha's. Er besteht aus drei niedrigen, ein¬
stöckigen Flügeln, die einen viereckigen Hos umschließen, in dessen Mitte sich
aus anmuthigen Blumenbeeten ein gefälliges Gartenhaus erhebt. Die Holz¬
wände des Pavillons sind mit einem düstern, schwarzbraunen Anstrich verdeckt,
der ohne heitere Unterbrechung bis zu einem Friese emporreicht, auf deu sich
die ganze Farbenlust der chinesischen Dekorateure geworfen hat. Goldene
Hochreliefs, die den Eindruck kunstreich durchbrochener Arbeit machen, heben
sich von feuerrothen Grunde: Jagden und Kämpfe mit phantastischen Thieren


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[0517] weiße Häuser, die ebenfalls mit glasirten Jnnenecken, hellblau mit weiß und grau mit weiß, ans das Freundlichste dekorirt sind, umgeben den algierischen Palast, Hier werden jene marokkanischen und tunesischen Quincaillerieen feil¬ geboten, für welche Paris der Hauptstapelplatz geworden ist: Korallen, Meer- fchaumpfeifen, Emailarbeiten, phantastischer Goldschmuck, der aus Münzen und Halbmonden zusammengesetzt ist, Perlen, bunte Dosen, Backwaaren, Goldbrokat, Pantoffel und Seidengewebe. Ein bunteres Leben als hier entfaltet sich auf der andern Seite, im tunesischen Bazar, der ein Gebäude für sich im maurischen Stile bildet. Wie in einer Straße von Tunis reiht sich eine Halle an die andere. Alle öffnen sich gegen einen bedeckten Gang durch den maurischen Hufeisenbogen. Die Dächer sind flach, die Wände mit einem bunten Schachbrettmuster bemalt: Gold, Blau und Roth spielen die Hauptrolle. Dicht daneben liegt ein dritter Bazar, der von Marokko, auf dessen Dach ein Käse etablirt ist, wo in flachen Schaalen schmutziggelber Mokka kredenzt wird und wo vier fette Türken eine höllische, ohrenzerreißende Musik verüben. Hier werden dieselben bunten Nichtig¬ keiten feilgeboten, wie in dem algierischen Bazar: eine bedeutsame Rolle spielt hier noch die tunesische Rosenessenz, die in langen, dicken, mit arabischen Schriftzeichen bemalten Glasflaschen feilgeboten wird. Die Hälfte, drei Viertel dieses Trödels werden jetzt mit derselben Kunstfertigkeit wie an Ort und Stelle, aber mit einer geringeren Solidität in Paris fabrizirt. Wer sich davon über¬ zeugen will, mache einen Gang durch die (Zalöris an'travail auf dem Mars¬ felde, wo die „kleinen Industrieen" ihre Unterkunft gefunden haben und wo vor den Augen des Publikums die niedlichen Sächelchen emaillirt, vergoldet und bemalt werden, die später in die Bazare von Tunis, Marokko und Algier wandern. Echt sind dort nur die vronzefarbenen Verkäufer und Verkäuferinnen mit ihren weißen Burnussen, ihren grünen Turbans und ihren goldgestickten Atlaswesten, echt ist auch die orientalische Pfiffigkeit, mit welcher dem Fremden der gleißende Tand für unverhältnißmäßige Preise aufgehängt wird. Dem algierischen Palast entspricht aus der anderen Seite des Troecidero der Pavillon des himmlischen Reiches, der ernst und würdevoll auf eiuer kleinen Anhöhe thront wie eine Statue Buddha's. Er besteht aus drei niedrigen, ein¬ stöckigen Flügeln, die einen viereckigen Hos umschließen, in dessen Mitte sich aus anmuthigen Blumenbeeten ein gefälliges Gartenhaus erhebt. Die Holz¬ wände des Pavillons sind mit einem düstern, schwarzbraunen Anstrich verdeckt, der ohne heitere Unterbrechung bis zu einem Friese emporreicht, auf deu sich die ganze Farbenlust der chinesischen Dekorateure geworfen hat. Goldene Hochreliefs, die den Eindruck kunstreich durchbrochener Arbeit machen, heben sich von feuerrothen Grunde: Jagden und Kämpfe mit phantastischen Thieren Grenzboten 1l, 187L, 65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/517>, abgerufen am 01.09.2024.