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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Fontaine", die immer zu zwei aus jedem Becken emporsteigen, entspricht irgend¬
wie dem Massenaufgebot des flüssigen Elements. Die größte dieser Fontainen
soll beim stärksten Druck 23 Meter hoch steigen. Die Fontaine von Sanssouci
steigt -- um ein deutsches Beispiel anzuführen -- bis 37 Meter.

Ans dem Rande des großen Bassins stehen vier kolossale Thiere aus ver¬
goldetem Erz: ein Stier von Cam, ein Roß von Nonillart, ein Rhinoceros
von Jaequemart und ein Elephant von Freiniet. Nach der einen Version sollen
diese vier Kolosse, die alle mit den Köpfen nach außen gekehrt und je nach
ihrem Temperament mehr oder minder lebhaft bewegt sind, die wilden Natur¬
kräfte symbolisiren, nach einer anderen sollen sie als die Vertreter der vier
fremden Welttheile aufgefaßt werden. Ist diese letztere Version die richtige, so
würde sich der Gedankenreichthum der Franzosen in keinem günstigen Lichte
zeigen. Denn die Bildhauer, welche mit der kargen Dekoration des Industrie-
Palastes auf dem Marsfelde betraut waren, haben auch nichts besseres gewußt,
als die Fac/abe der Eingangsgalerie mit den Statuen der zweiundzwanzig
Länder zu schmücken, welche dem Appell Frankreichs an die civilisirte Welt ge¬
folgt sind.

Der Raum zwischen dem Trvcaderopalast und der Seine ist die interes¬
santeste, wechselvollste und amüsanteste Partie der gestimmten Weltausstellung.
Während das Marsfeld für denjenigen, der sich nicht ausschließlich ernsten
Studien widmen will, herzlich wenig bietet, entfaltet sich im "Parke" des Tro-
cadero, wo sich die Nationen Asiens und Afrikas ein Rendezvous gegeben haben,
ein buntes, bewegtes Bild.

Man darf die Bezeichnung "Park" nicht allzu buchstäblich nehmen. Wenn
man nicht aus dem eleganten Holzbau, dem LüMst. av I'aäwini8ti-!>.die>Q ckss
torsts, der eine Ausstellung sämmtlicher bei der Waldkultur verwendeten Werk¬
zeuge, sämmtlicher Forstprodukte, zierlicher Modelle u. s. w. enthält, mit
Staunen erführe, wie weit die Forstkultur Frankreich's, auch eine Quelle
seines Nationalreichthums, gediehen ist, der "Park" des Troeadero würde uns
keinen Respekt einflößen. Wer niemals im Sonnenbrande über die Legion
spitzer Kieselsteine, mit denen die Wege des "Parks" passirbar gemacht worden
sind, von Pavillon zu Pavillon geschlichen ist, der vermag die bittre Ironie,
die in dem Worte "Park" liegt, nicht nach Gebühr zu würdigen. Den General¬
kommissar und seine Arbeiterheere trifft kein Vorwurf. Aus einem Boden,
der mit einem ungeheuren Kostenaufwand aus tausend und aber tausend
Wagenladungen schwarzer Erde aufgehäuft ist, lassen sich keine schattigen Baum-
gruppen stampfen, keine erfrischenden Quellen hervorzaubern. Man hat Bäume
aus allen Ecken und Enden zusammengeschleppt, aber nnr selten assimilirte
sich einer dem neuen Boden. Größere Triumphe konnte die französische Garten-


Fontaine», die immer zu zwei aus jedem Becken emporsteigen, entspricht irgend¬
wie dem Massenaufgebot des flüssigen Elements. Die größte dieser Fontainen
soll beim stärksten Druck 23 Meter hoch steigen. Die Fontaine von Sanssouci
steigt — um ein deutsches Beispiel anzuführen — bis 37 Meter.

Ans dem Rande des großen Bassins stehen vier kolossale Thiere aus ver¬
goldetem Erz: ein Stier von Cam, ein Roß von Nonillart, ein Rhinoceros
von Jaequemart und ein Elephant von Freiniet. Nach der einen Version sollen
diese vier Kolosse, die alle mit den Köpfen nach außen gekehrt und je nach
ihrem Temperament mehr oder minder lebhaft bewegt sind, die wilden Natur¬
kräfte symbolisiren, nach einer anderen sollen sie als die Vertreter der vier
fremden Welttheile aufgefaßt werden. Ist diese letztere Version die richtige, so
würde sich der Gedankenreichthum der Franzosen in keinem günstigen Lichte
zeigen. Denn die Bildhauer, welche mit der kargen Dekoration des Industrie-
Palastes auf dem Marsfelde betraut waren, haben auch nichts besseres gewußt,
als die Fac/abe der Eingangsgalerie mit den Statuen der zweiundzwanzig
Länder zu schmücken, welche dem Appell Frankreichs an die civilisirte Welt ge¬
folgt sind.

Der Raum zwischen dem Trvcaderopalast und der Seine ist die interes¬
santeste, wechselvollste und amüsanteste Partie der gestimmten Weltausstellung.
Während das Marsfeld für denjenigen, der sich nicht ausschließlich ernsten
Studien widmen will, herzlich wenig bietet, entfaltet sich im „Parke" des Tro-
cadero, wo sich die Nationen Asiens und Afrikas ein Rendezvous gegeben haben,
ein buntes, bewegtes Bild.

Man darf die Bezeichnung „Park" nicht allzu buchstäblich nehmen. Wenn
man nicht aus dem eleganten Holzbau, dem LüMst. av I'aäwini8ti-!>.die>Q ckss
torsts, der eine Ausstellung sämmtlicher bei der Waldkultur verwendeten Werk¬
zeuge, sämmtlicher Forstprodukte, zierlicher Modelle u. s. w. enthält, mit
Staunen erführe, wie weit die Forstkultur Frankreich's, auch eine Quelle
seines Nationalreichthums, gediehen ist, der „Park" des Troeadero würde uns
keinen Respekt einflößen. Wer niemals im Sonnenbrande über die Legion
spitzer Kieselsteine, mit denen die Wege des „Parks" passirbar gemacht worden
sind, von Pavillon zu Pavillon geschlichen ist, der vermag die bittre Ironie,
die in dem Worte „Park" liegt, nicht nach Gebühr zu würdigen. Den General¬
kommissar und seine Arbeiterheere trifft kein Vorwurf. Aus einem Boden,
der mit einem ungeheuren Kostenaufwand aus tausend und aber tausend
Wagenladungen schwarzer Erde aufgehäuft ist, lassen sich keine schattigen Baum-
gruppen stampfen, keine erfrischenden Quellen hervorzaubern. Man hat Bäume
aus allen Ecken und Enden zusammengeschleppt, aber nnr selten assimilirte
sich einer dem neuen Boden. Größere Triumphe konnte die französische Garten-


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[0514] Fontaine», die immer zu zwei aus jedem Becken emporsteigen, entspricht irgend¬ wie dem Massenaufgebot des flüssigen Elements. Die größte dieser Fontainen soll beim stärksten Druck 23 Meter hoch steigen. Die Fontaine von Sanssouci steigt — um ein deutsches Beispiel anzuführen — bis 37 Meter. Ans dem Rande des großen Bassins stehen vier kolossale Thiere aus ver¬ goldetem Erz: ein Stier von Cam, ein Roß von Nonillart, ein Rhinoceros von Jaequemart und ein Elephant von Freiniet. Nach der einen Version sollen diese vier Kolosse, die alle mit den Köpfen nach außen gekehrt und je nach ihrem Temperament mehr oder minder lebhaft bewegt sind, die wilden Natur¬ kräfte symbolisiren, nach einer anderen sollen sie als die Vertreter der vier fremden Welttheile aufgefaßt werden. Ist diese letztere Version die richtige, so würde sich der Gedankenreichthum der Franzosen in keinem günstigen Lichte zeigen. Denn die Bildhauer, welche mit der kargen Dekoration des Industrie- Palastes auf dem Marsfelde betraut waren, haben auch nichts besseres gewußt, als die Fac/abe der Eingangsgalerie mit den Statuen der zweiundzwanzig Länder zu schmücken, welche dem Appell Frankreichs an die civilisirte Welt ge¬ folgt sind. Der Raum zwischen dem Trvcaderopalast und der Seine ist die interes¬ santeste, wechselvollste und amüsanteste Partie der gestimmten Weltausstellung. Während das Marsfeld für denjenigen, der sich nicht ausschließlich ernsten Studien widmen will, herzlich wenig bietet, entfaltet sich im „Parke" des Tro- cadero, wo sich die Nationen Asiens und Afrikas ein Rendezvous gegeben haben, ein buntes, bewegtes Bild. Man darf die Bezeichnung „Park" nicht allzu buchstäblich nehmen. Wenn man nicht aus dem eleganten Holzbau, dem LüMst. av I'aäwini8ti-!>.die>Q ckss torsts, der eine Ausstellung sämmtlicher bei der Waldkultur verwendeten Werk¬ zeuge, sämmtlicher Forstprodukte, zierlicher Modelle u. s. w. enthält, mit Staunen erführe, wie weit die Forstkultur Frankreich's, auch eine Quelle seines Nationalreichthums, gediehen ist, der „Park" des Troeadero würde uns keinen Respekt einflößen. Wer niemals im Sonnenbrande über die Legion spitzer Kieselsteine, mit denen die Wege des „Parks" passirbar gemacht worden sind, von Pavillon zu Pavillon geschlichen ist, der vermag die bittre Ironie, die in dem Worte „Park" liegt, nicht nach Gebühr zu würdigen. Den General¬ kommissar und seine Arbeiterheere trifft kein Vorwurf. Aus einem Boden, der mit einem ungeheuren Kostenaufwand aus tausend und aber tausend Wagenladungen schwarzer Erde aufgehäuft ist, lassen sich keine schattigen Baum- gruppen stampfen, keine erfrischenden Quellen hervorzaubern. Man hat Bäume aus allen Ecken und Enden zusammengeschleppt, aber nnr selten assimilirte sich einer dem neuen Boden. Größere Triumphe konnte die französische Garten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/514>, abgerufen am 01.09.2024.