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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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von Fleisch und Brod in eiuer verhültnißmüßig so kurzen Spanne Zeit um
das Zehn- und Zwanzigfache im Gefolge beiden mußte, ist leicht zu ermessen.
Dem entspricht deun auch die enorme Sterblichkeit in der Stadt während jeuer
Zeit; binnen wenigen Monaten mögen wohl an die 10,000 Menschen in Augs¬
burg gestorben sein. Ueberhaupt hat die Bevölkerung der Stadt in den
3 Jahren der schwedischen Okkupation um ein Beträchtliches abgenommen, ob¬
wohl diese Abnahme nicht so fürchterlich war, wie man in der Regel annimmt.
Haintzelmann sagt, (4/3 1635) man habe die Einwohnerzahl Augsburgs zur
Zeit der Ankunft Gustav Adolfs auf 70-80,000 geschätzt, nach dem Abzüge
der Schweden 1635 seien davon noch 18,000 übrig gewesen; dieser Angabe
folgen die meisten späteren Chronisten und Geschichtsschreiber. Allein Augs¬
burg hat nie 70,000 Einwohner gehabt. Aus den Zeiten vor dem dreißig¬
jährigen Kriege sind uns zwar keine sicheren Ziffer" über die Seelenzahl
überliefert, doch sind wir im Stande aus den Steuerregistern, in die
Jahr sür Jahr jede Steuerpflichtige Person, männlichen sowohl wie weib¬
lichen Geschlechtes namentlich eingetragen wurde, wenigstens ungefähr die Zahl
der Bewohner zu berechnen. Darnach hat dieselbe wahrscheinlich niemals
50,000 betragen. Vor dem Beginn des dreißigjährigen Krieges, im Jahre
1617, mag die Stadt etwa 45000 Seelen gezählt haben.*) Nun hat aber
schon in den 14 ersten Jahren des Krieges 1618--1631 lüll. eine sehr be¬
trächtliche Abnahme der Bevölkerung stattgefunden. Allein in den beiden Jahren
1627 und besonders 1628, in welchen die Pest in Augsburg grassirte, und die
Sterblichkeit eine überaus hohe war, betrug der Ueberschuß der Gestorbenen über
die Gebornen nahezu 10,000.**) Im Uebrigen halten sich von 1618--1631 lüll.
die Geborenen und die Gestorbenen die Wage; der Zufluß von Außen kann
bei den schlechten Zeitumständen schwerlich bedeutend gewesen sein; viel eher
dürfte ein fortwährender Abfluß stattgefunden haben, und jedenfalls wissen
wir, daß in den Zeiten der katholischen Reformation 1629--1631 lüll. viele
Evangelische fortgezogen sind. Wenn wir daher annehmen, daß Augsburg in
den 14 ersten Jahren des Kriegs einen Verlust von etwa 11,000 Seelen er¬
litten, so ist diese Ziffer vermuthlich noch zu niedrig gegriffen. Darnach Hütte
also die Stadt bei der Ankunft Gustav Adolf's im Frühjahr 1632 wohl kaum noch




denn die meisten Lcbensmiticl wurden in den beiden letzten Monaten der Blokade geradezu
als Raritäten bezahlt.
viao x^. 423, Anmerkung 2.
Nämlich Gestorbene 1627 ^ 2484
1023 -- 9611
zusammen 12,105
Geborne in 1627 und 1628 2304
Ueberschuß der Gestorbenen 9301

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von Fleisch und Brod in eiuer verhültnißmüßig so kurzen Spanne Zeit um
das Zehn- und Zwanzigfache im Gefolge beiden mußte, ist leicht zu ermessen.
Dem entspricht deun auch die enorme Sterblichkeit in der Stadt während jeuer
Zeit; binnen wenigen Monaten mögen wohl an die 10,000 Menschen in Augs¬
burg gestorben sein. Ueberhaupt hat die Bevölkerung der Stadt in den
3 Jahren der schwedischen Okkupation um ein Beträchtliches abgenommen, ob¬
wohl diese Abnahme nicht so fürchterlich war, wie man in der Regel annimmt.
Haintzelmann sagt, (4/3 1635) man habe die Einwohnerzahl Augsburgs zur
Zeit der Ankunft Gustav Adolfs auf 70-80,000 geschätzt, nach dem Abzüge
der Schweden 1635 seien davon noch 18,000 übrig gewesen; dieser Angabe
folgen die meisten späteren Chronisten und Geschichtsschreiber. Allein Augs¬
burg hat nie 70,000 Einwohner gehabt. Aus den Zeiten vor dem dreißig¬
jährigen Kriege sind uns zwar keine sicheren Ziffer» über die Seelenzahl
überliefert, doch sind wir im Stande aus den Steuerregistern, in die
Jahr sür Jahr jede Steuerpflichtige Person, männlichen sowohl wie weib¬
lichen Geschlechtes namentlich eingetragen wurde, wenigstens ungefähr die Zahl
der Bewohner zu berechnen. Darnach hat dieselbe wahrscheinlich niemals
50,000 betragen. Vor dem Beginn des dreißigjährigen Krieges, im Jahre
1617, mag die Stadt etwa 45000 Seelen gezählt haben.*) Nun hat aber
schon in den 14 ersten Jahren des Krieges 1618—1631 lüll. eine sehr be¬
trächtliche Abnahme der Bevölkerung stattgefunden. Allein in den beiden Jahren
1627 und besonders 1628, in welchen die Pest in Augsburg grassirte, und die
Sterblichkeit eine überaus hohe war, betrug der Ueberschuß der Gestorbenen über
die Gebornen nahezu 10,000.**) Im Uebrigen halten sich von 1618—1631 lüll.
die Geborenen und die Gestorbenen die Wage; der Zufluß von Außen kann
bei den schlechten Zeitumständen schwerlich bedeutend gewesen sein; viel eher
dürfte ein fortwährender Abfluß stattgefunden haben, und jedenfalls wissen
wir, daß in den Zeiten der katholischen Reformation 1629—1631 lüll. viele
Evangelische fortgezogen sind. Wenn wir daher annehmen, daß Augsburg in
den 14 ersten Jahren des Kriegs einen Verlust von etwa 11,000 Seelen er¬
litten, so ist diese Ziffer vermuthlich noch zu niedrig gegriffen. Darnach Hütte
also die Stadt bei der Ankunft Gustav Adolf's im Frühjahr 1632 wohl kaum noch




denn die meisten Lcbensmiticl wurden in den beiden letzten Monaten der Blokade geradezu
als Raritäten bezahlt.
viao x^. 423, Anmerkung 2.
Nämlich Gestorbene 1627 ^ 2484
1023 — 9611
zusammen 12,105
Geborne in 1627 und 1628 2304
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/466>, abgerufen am 01.09.2024.