Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres
37. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Postan-
stalten des In - und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal
9 Mark.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffee-
häuser und Konditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben
freundlichst gebeten.
Leipzig, im März 1878. Die Verlagshandlung.

Die deutsche Literaten 1752-1756.
Julian Schmidt. VonII.

In Berlin waren inzwischen große Veränderungen eingetreten. Friedrich
war mehr und mehr vereinsamt. Freilich übte die Stadt noch immer ihre
Anziehungskraft; Winckelmann (38 I.), der um diese Z'eit von Dresden aus
Berlin besuchte, schreibt: ich habe Wollüste genossen, die ich nicht wieder ge¬
nießen werde; ich habe Athen und Sparta in Potsdam gesehn, und bin mit
einer anbetungsvollen Verehrung gegen den göttlichen Monarchen erfüllt."

In einer Ode an Gleim läßt Klopstock, dessen Begeisterung für König
Friedrich "ohne Wünsche nach Lohn" gelten, erklärt aber im Namen der
deutschen Muse, sie folge ihm darin nicht. Wohl habe Friedrich große Hoff-
nungen erregt: "würdig war er, uns mehr als dein beglücktester Freiheitshasser,
o Rom, Octavian zu sein! So verkündete ihn, als er noch Jüngling war,
sein aufsteigender Geist. Noch da der Lorbeer ihm schon vom Blute der
Schlacht troff, und der Denker gepanzert ging, floß der dicht'rische Quell
Friedrich entgegen, ihm abzuwaschen die Schlacht. Aber er wandte sich, strömt'
in Haine, wohin ihm Heinrich's Sänger nicht folgen wird." -- "Sagt's
der Nachwelt nicht an, daß er nicht achtete, was er werth war zu sein; aber
sie hört es doch! Sagt's ihr traurig, und fordert ihre Söhne zu Richtern' auf."

Die Ode enthält eine vielleicht beabsichtigte Zweideutigkeit: der Sänger
Heinrich's kann Klopstock sein -- der das ursprünglich auf Friedrich gemünzte
Schlachtgedicht mit Abänderung einiger Stellen gegen alles Kostüm an Heinrich
den Vogelsteller adressirte -- vielleicht aber anch der Dichter der Henriade.

Voltaire's Aufenthalt in Berlin hatte ein Ende gefunden. Er hatte eine
arge Schmähschrift gegen Maupertuis geschrieben und sie gegen sein wieder¬
holtes Versprechen veröffentlicht; der König hatte sie dnrch Henkershand ver-


Grmzbotm II, 1373. 6

Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres
37. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Postan-
stalten des In - und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal
9 Mark.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffee-
häuser und Konditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben
freundlichst gebeten.
Leipzig, im März 1878. Die Verlagshandlung.

Die deutsche Literaten 1752-1756.
Julian Schmidt. VonII.

In Berlin waren inzwischen große Veränderungen eingetreten. Friedrich
war mehr und mehr vereinsamt. Freilich übte die Stadt noch immer ihre
Anziehungskraft; Winckelmann (38 I.), der um diese Z'eit von Dresden aus
Berlin besuchte, schreibt: ich habe Wollüste genossen, die ich nicht wieder ge¬
nießen werde; ich habe Athen und Sparta in Potsdam gesehn, und bin mit
einer anbetungsvollen Verehrung gegen den göttlichen Monarchen erfüllt."

In einer Ode an Gleim läßt Klopstock, dessen Begeisterung für König
Friedrich „ohne Wünsche nach Lohn" gelten, erklärt aber im Namen der
deutschen Muse, sie folge ihm darin nicht. Wohl habe Friedrich große Hoff-
nungen erregt: „würdig war er, uns mehr als dein beglücktester Freiheitshasser,
o Rom, Octavian zu sein! So verkündete ihn, als er noch Jüngling war,
sein aufsteigender Geist. Noch da der Lorbeer ihm schon vom Blute der
Schlacht troff, und der Denker gepanzert ging, floß der dicht'rische Quell
Friedrich entgegen, ihm abzuwaschen die Schlacht. Aber er wandte sich, strömt'
in Haine, wohin ihm Heinrich's Sänger nicht folgen wird." — „Sagt's
der Nachwelt nicht an, daß er nicht achtete, was er werth war zu sein; aber
sie hört es doch! Sagt's ihr traurig, und fordert ihre Söhne zu Richtern' auf."

Die Ode enthält eine vielleicht beabsichtigte Zweideutigkeit: der Sänger
Heinrich's kann Klopstock sein — der das ursprünglich auf Friedrich gemünzte
Schlachtgedicht mit Abänderung einiger Stellen gegen alles Kostüm an Heinrich
den Vogelsteller adressirte — vielleicht aber anch der Dichter der Henriade.

Voltaire's Aufenthalt in Berlin hatte ein Ende gefunden. Er hatte eine
arge Schmähschrift gegen Maupertuis geschrieben und sie gegen sein wieder¬
holtes Versprechen veröffentlicht; der König hatte sie dnrch Henkershand ver-


Grmzbotm II, 1373. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0045" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139866"/>
          </div>
        </div>
        <div>
          <floatingText>
            <body>
              <div type="advertisement">
                <p> Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres<lb/>
37. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Postan-<lb/>
stalten des In - und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal<lb/>
9 Mark.<lb/>
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffee-<lb/>
häuser und Konditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben<lb/>
freundlichst gebeten.<lb/>
Leipzig, im März 1878. Die Verlagshandlung.</p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die deutsche Literaten 1752-1756.<lb/><note type="byline"> Julian Schmidt.</note> VonII.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_133"> In Berlin waren inzwischen große Veränderungen eingetreten. Friedrich<lb/>
war mehr und mehr vereinsamt. Freilich übte die Stadt noch immer ihre<lb/>
Anziehungskraft; Winckelmann (38 I.), der um diese Z'eit von Dresden aus<lb/>
Berlin besuchte, schreibt: ich habe Wollüste genossen, die ich nicht wieder ge¬<lb/>
nießen werde; ich habe Athen und Sparta in Potsdam gesehn, und bin mit<lb/>
einer anbetungsvollen Verehrung gegen den göttlichen Monarchen erfüllt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_134"> In einer Ode an Gleim läßt Klopstock, dessen Begeisterung für König<lb/>
Friedrich &#x201E;ohne Wünsche nach Lohn" gelten, erklärt aber im Namen der<lb/>
deutschen Muse, sie folge ihm darin nicht. Wohl habe Friedrich große Hoff-<lb/>
nungen erregt: &#x201E;würdig war er, uns mehr als dein beglücktester Freiheitshasser,<lb/>
o Rom, Octavian zu sein! So verkündete ihn, als er noch Jüngling war,<lb/>
sein aufsteigender Geist. Noch da der Lorbeer ihm schon vom Blute der<lb/>
Schlacht troff, und der Denker gepanzert ging, floß der dicht'rische Quell<lb/>
Friedrich entgegen, ihm abzuwaschen die Schlacht. Aber er wandte sich, strömt'<lb/>
in Haine, wohin ihm Heinrich's Sänger nicht folgen wird." &#x2014; &#x201E;Sagt's<lb/>
der Nachwelt nicht an, daß er nicht achtete, was er werth war zu sein; aber<lb/>
sie hört es doch! Sagt's ihr traurig, und fordert ihre Söhne zu Richtern' auf."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_135"> Die Ode enthält eine vielleicht beabsichtigte Zweideutigkeit: der Sänger<lb/>
Heinrich's kann Klopstock sein &#x2014; der das ursprünglich auf Friedrich gemünzte<lb/>
Schlachtgedicht mit Abänderung einiger Stellen gegen alles Kostüm an Heinrich<lb/>
den Vogelsteller adressirte &#x2014; vielleicht aber anch der Dichter der Henriade.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_136" next="#ID_137"> Voltaire's Aufenthalt in Berlin hatte ein Ende gefunden. Er hatte eine<lb/>
arge Schmähschrift gegen Maupertuis geschrieben und sie gegen sein wieder¬<lb/>
holtes Versprechen veröffentlicht; der König hatte sie dnrch Henkershand ver-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grmzbotm II, 1373. 6</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0045] Mit diesem Hefte beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres 37. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Postan- stalten des In - und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal 9 Mark. Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffee- häuser und Konditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben freundlichst gebeten. Leipzig, im März 1878. Die Verlagshandlung. Die deutsche Literaten 1752-1756. Julian Schmidt. VonII. In Berlin waren inzwischen große Veränderungen eingetreten. Friedrich war mehr und mehr vereinsamt. Freilich übte die Stadt noch immer ihre Anziehungskraft; Winckelmann (38 I.), der um diese Z'eit von Dresden aus Berlin besuchte, schreibt: ich habe Wollüste genossen, die ich nicht wieder ge¬ nießen werde; ich habe Athen und Sparta in Potsdam gesehn, und bin mit einer anbetungsvollen Verehrung gegen den göttlichen Monarchen erfüllt." In einer Ode an Gleim läßt Klopstock, dessen Begeisterung für König Friedrich „ohne Wünsche nach Lohn" gelten, erklärt aber im Namen der deutschen Muse, sie folge ihm darin nicht. Wohl habe Friedrich große Hoff- nungen erregt: „würdig war er, uns mehr als dein beglücktester Freiheitshasser, o Rom, Octavian zu sein! So verkündete ihn, als er noch Jüngling war, sein aufsteigender Geist. Noch da der Lorbeer ihm schon vom Blute der Schlacht troff, und der Denker gepanzert ging, floß der dicht'rische Quell Friedrich entgegen, ihm abzuwaschen die Schlacht. Aber er wandte sich, strömt' in Haine, wohin ihm Heinrich's Sänger nicht folgen wird." — „Sagt's der Nachwelt nicht an, daß er nicht achtete, was er werth war zu sein; aber sie hört es doch! Sagt's ihr traurig, und fordert ihre Söhne zu Richtern' auf." Die Ode enthält eine vielleicht beabsichtigte Zweideutigkeit: der Sänger Heinrich's kann Klopstock sein — der das ursprünglich auf Friedrich gemünzte Schlachtgedicht mit Abänderung einiger Stellen gegen alles Kostüm an Heinrich den Vogelsteller adressirte — vielleicht aber anch der Dichter der Henriade. Voltaire's Aufenthalt in Berlin hatte ein Ende gefunden. Er hatte eine arge Schmähschrift gegen Maupertuis geschrieben und sie gegen sein wieder¬ holtes Versprechen veröffentlicht; der König hatte sie dnrch Henkershand ver- Grmzbotm II, 1373. 6

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/45
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/45>, abgerufen am 28.12.2024.