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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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die wenig würdige Art, wie ein konservativer Abgeordneter den um das preu¬
ßische Justizwesen immerhin wohlverdienten Mann verhöhnte, von allen Seiten
lebhaft verurtheilt wurde.--

Der Vollständigkeit wegen sei hinzugefügt, daß noch einige Gesetzentwürfe
geringerer Ordnung, darunter das Synodalgesetz für Schleswig-Holstein und
Nassau, und die Uebernahme der Berliner Stadtbahn auf den Staat, definitiv
erledigt worden sind.

Inzwischen ist die Aufmerksamkeit namentlich in den letzten Tagen der
Woche vorwiegend von der "Rekonstruktion des Staatsministeriums" in An¬
spruch genommen worden. Im Augenblicke, da wir schreiben, sind die Namen
der "neuen Männer" zwar bekannt, über die politische Bedeutung des Ganzen
aber ist das Urtheil noch im Schwanken. So lange sich nicht mit Sicherheit über¬
sehen läßt, ob der Eintritt der neuen Elemente etwa den Rücktritt bisheriger
Mitglieder des Ministeriums zur Folge haben wird oder nicht, wird man gut
thun, feine Meinung zurückzuhalten. Immerhin aber steht die bedauerliche
Thatsache sest, daß der Ausgang, welchen die Miuisterkrise gefunden hat, die
so lange ersehnte lebendigere Fühlung zwischeu Regierung und Volksvertretung
X> nicht bedeutet.




Literaten.
Schillers Briefwechsel mit Körner. Von 1784 bis zum Tode Schillers.
Hermlsgcgeben von K. Gvdcle. Wohlfeile Ausgabe. Leipzig, Veit K Co.. 1878.

Nächst der Goethe-Schiller'sehen Korrespondenz hat unsere klassische Lite-
raturperiode keinen Briefwechsel von der Bedeutung anzuweisen, wie der
zwischen Schiller und Körner, dem Vater Theodor Körners. Von dem Ab¬
schlüsse des Freundschaftsbündnisses zwischen beiden, welches, unbedeutende und
vorübergehende Trübungen abgerechnet, bis zu Schillers Tod unwandelbar
aufrecht erhalten blieb, datirt bekanntlich in Schillers Leben die Periode gei¬
stiger Reife und sittlicher Klärung. Ja, dieses Bündniß markirt für Schiller's
ganze Entwicklung einen ähnlichen Wendepunkt wie in dem Leben Goethe's
die italienische Reise. Zu der Vertiefung seines ganzen Wesens, an welcher
Schiller in dem Jahrzehnt von 1784 bis 1794, also bis zu dem Zeitpunkte,
wo er Goethe, dem lange gemiedenen und fast beneideten, voll Zuversicht an
die Seite treten konnte, unablässig gearbeitet hatte, zu dieser Vertiefung, die


die wenig würdige Art, wie ein konservativer Abgeordneter den um das preu¬
ßische Justizwesen immerhin wohlverdienten Mann verhöhnte, von allen Seiten
lebhaft verurtheilt wurde.--

Der Vollständigkeit wegen sei hinzugefügt, daß noch einige Gesetzentwürfe
geringerer Ordnung, darunter das Synodalgesetz für Schleswig-Holstein und
Nassau, und die Uebernahme der Berliner Stadtbahn auf den Staat, definitiv
erledigt worden sind.

Inzwischen ist die Aufmerksamkeit namentlich in den letzten Tagen der
Woche vorwiegend von der „Rekonstruktion des Staatsministeriums" in An¬
spruch genommen worden. Im Augenblicke, da wir schreiben, sind die Namen
der „neuen Männer" zwar bekannt, über die politische Bedeutung des Ganzen
aber ist das Urtheil noch im Schwanken. So lange sich nicht mit Sicherheit über¬
sehen läßt, ob der Eintritt der neuen Elemente etwa den Rücktritt bisheriger
Mitglieder des Ministeriums zur Folge haben wird oder nicht, wird man gut
thun, feine Meinung zurückzuhalten. Immerhin aber steht die bedauerliche
Thatsache sest, daß der Ausgang, welchen die Miuisterkrise gefunden hat, die
so lange ersehnte lebendigere Fühlung zwischeu Regierung und Volksvertretung
X> nicht bedeutet.




Literaten.
Schillers Briefwechsel mit Körner. Von 1784 bis zum Tode Schillers.
Hermlsgcgeben von K. Gvdcle. Wohlfeile Ausgabe. Leipzig, Veit K Co.. 1878.

Nächst der Goethe-Schiller'sehen Korrespondenz hat unsere klassische Lite-
raturperiode keinen Briefwechsel von der Bedeutung anzuweisen, wie der
zwischen Schiller und Körner, dem Vater Theodor Körners. Von dem Ab¬
schlüsse des Freundschaftsbündnisses zwischen beiden, welches, unbedeutende und
vorübergehende Trübungen abgerechnet, bis zu Schillers Tod unwandelbar
aufrecht erhalten blieb, datirt bekanntlich in Schillers Leben die Periode gei¬
stiger Reife und sittlicher Klärung. Ja, dieses Bündniß markirt für Schiller's
ganze Entwicklung einen ähnlichen Wendepunkt wie in dem Leben Goethe's
die italienische Reise. Zu der Vertiefung seines ganzen Wesens, an welcher
Schiller in dem Jahrzehnt von 1784 bis 1794, also bis zu dem Zeitpunkte,
wo er Goethe, dem lange gemiedenen und fast beneideten, voll Zuversicht an
die Seite treten konnte, unablässig gearbeitet hatte, zu dieser Vertiefung, die


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[0042] die wenig würdige Art, wie ein konservativer Abgeordneter den um das preu¬ ßische Justizwesen immerhin wohlverdienten Mann verhöhnte, von allen Seiten lebhaft verurtheilt wurde.-- Der Vollständigkeit wegen sei hinzugefügt, daß noch einige Gesetzentwürfe geringerer Ordnung, darunter das Synodalgesetz für Schleswig-Holstein und Nassau, und die Uebernahme der Berliner Stadtbahn auf den Staat, definitiv erledigt worden sind. Inzwischen ist die Aufmerksamkeit namentlich in den letzten Tagen der Woche vorwiegend von der „Rekonstruktion des Staatsministeriums" in An¬ spruch genommen worden. Im Augenblicke, da wir schreiben, sind die Namen der „neuen Männer" zwar bekannt, über die politische Bedeutung des Ganzen aber ist das Urtheil noch im Schwanken. So lange sich nicht mit Sicherheit über¬ sehen läßt, ob der Eintritt der neuen Elemente etwa den Rücktritt bisheriger Mitglieder des Ministeriums zur Folge haben wird oder nicht, wird man gut thun, feine Meinung zurückzuhalten. Immerhin aber steht die bedauerliche Thatsache sest, daß der Ausgang, welchen die Miuisterkrise gefunden hat, die so lange ersehnte lebendigere Fühlung zwischeu Regierung und Volksvertretung X> nicht bedeutet. Literaten. Schillers Briefwechsel mit Körner. Von 1784 bis zum Tode Schillers. Hermlsgcgeben von K. Gvdcle. Wohlfeile Ausgabe. Leipzig, Veit K Co.. 1878. Nächst der Goethe-Schiller'sehen Korrespondenz hat unsere klassische Lite- raturperiode keinen Briefwechsel von der Bedeutung anzuweisen, wie der zwischen Schiller und Körner, dem Vater Theodor Körners. Von dem Ab¬ schlüsse des Freundschaftsbündnisses zwischen beiden, welches, unbedeutende und vorübergehende Trübungen abgerechnet, bis zu Schillers Tod unwandelbar aufrecht erhalten blieb, datirt bekanntlich in Schillers Leben die Periode gei¬ stiger Reife und sittlicher Klärung. Ja, dieses Bündniß markirt für Schiller's ganze Entwicklung einen ähnlichen Wendepunkt wie in dem Leben Goethe's die italienische Reise. Zu der Vertiefung seines ganzen Wesens, an welcher Schiller in dem Jahrzehnt von 1784 bis 1794, also bis zu dem Zeitpunkte, wo er Goethe, dem lange gemiedenen und fast beneideten, voll Zuversicht an die Seite treten konnte, unablässig gearbeitet hatte, zu dieser Vertiefung, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/42>, abgerufen am 27.07.2024.