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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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recht": "Die Einkünfte eines Römischen Kaisers, so er von dem Reiche zu ge¬
nießen hat, seynd so wenig, daß man fast lieber gar davon schweigen sollte."
In früheren Zeiten war das anders. Alle Zölle und Münzgcfälle, alle
Bergwerke und Salzgruben waren entweder des Kaisers oder dieser bezog
wenigstens den Zehnten von dergleichen Nutzungen. Sämmtliche Reichsstädte
hatten zu Martini dem Kaiser die sog. "Stätte-Steuer" zu zahlen. Dieselbe
war nicht unbedeutend. Noch Anno 1402 hatte unter andern Nürnberg
2000 Goldgulden und die halbe Judensteuer zu entrichten. Wir sehen daraus,
daß auch des Kaisers Kammerknechte der Hofkammer zu steuern hatten, welcher
außerdem noch eine Menge anderer Gefälle zuflössen. Im Laufe der Jahr¬
hunderte verminderten sich jedoch die Einkünfte immer mehr. Was die Kaiser
nicht selbst verkauften, verpfändeten, verschenkten oder zu Lehn gaben, das
wußten die Stände bei jeder neuen Wahl an sich zu ziehen. Gegen Ende des
Reichs war dem Kaiser zu seiner eignen Verwendung weiter nichts geblieben,
als nur ein geringer Nest der Stättesteuer im Betrage von vielleicht 15000
Gulden und die von der Reichsritterschaft hin und wieder, namentlich zu
Kriegszeiten, bewilligten sog. Charitativgelder. Vielfach machte sich die Ansicht
geltend die Politik des Hauses Oesterreich habe es mit sich gebracht die kaiser¬
lichen Domänen in Verfall zu bringen, um ein weniger begütertes Haus von
der Uebernahme der Kaiserkrone abzuhalten und sie für sich zu reserviren.

Herrschte bei solcher Mißwirthschaft im Justiz- und Finanzwesen eine
vollkommene Rechtlosigkeit im Innern, so besiegelte die deutsche Wehrverfassung
die vollkommene Schutzlosigkeit nach Außen, und grade das war des deutschen
Reiches brennendste Wunde, das schlimmste Zeichen von der Erbärmlichkeit seiner
Verfassung. Durch die Reichsmatrikel von 1681 war allerdings eine Grund¬
lage gewonnen, uach welcher die Truppenaufgebote von Seiten der Reichsgewalt
geschehen konnten. Die Vertheilung der durch jene Matrikel auf die Kreise
^'epartirten Truppenstärken unter die Kreisstände, so wie überhaupt die ganze
Anordnung des Kreiswehrwesens blieb den Reichskreisen selbst überlassen. Wir
haben jedoch bereits oben erwähnt, wie der Reichsmilitärfuß zunächst von den
Kreistagen, dann aber noch von den einzelnen Ständen selbst herabgemindert
wurde. Wie das geschah bezeuge das nachstehende Beispiel. Das Slavina
der Matrikel des Obersüchsischen Kreises sollte betragen 1322 Reiter und 2707
Mann zu Fuß. Schon in demselben Jahre, wo die Matrikel reichsgesetzlich
geworden war, hatte aber der Obersächsische Kreistag ausgerechnet, daß nur
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1298 zu Pferd und 2655 ^20 zu Fuß zu stellen wären. "Und da¬
mit man der Beschwerlichkeit derer Brüche überhoben sein möge, sind dieselben
ebenfalls reduziret und eines jedweden Standes Kontingent an Reutern und


Grenzboten II. 1V7S. 42

recht": „Die Einkünfte eines Römischen Kaisers, so er von dem Reiche zu ge¬
nießen hat, seynd so wenig, daß man fast lieber gar davon schweigen sollte."
In früheren Zeiten war das anders. Alle Zölle und Münzgcfälle, alle
Bergwerke und Salzgruben waren entweder des Kaisers oder dieser bezog
wenigstens den Zehnten von dergleichen Nutzungen. Sämmtliche Reichsstädte
hatten zu Martini dem Kaiser die sog. „Stätte-Steuer" zu zahlen. Dieselbe
war nicht unbedeutend. Noch Anno 1402 hatte unter andern Nürnberg
2000 Goldgulden und die halbe Judensteuer zu entrichten. Wir sehen daraus,
daß auch des Kaisers Kammerknechte der Hofkammer zu steuern hatten, welcher
außerdem noch eine Menge anderer Gefälle zuflössen. Im Laufe der Jahr¬
hunderte verminderten sich jedoch die Einkünfte immer mehr. Was die Kaiser
nicht selbst verkauften, verpfändeten, verschenkten oder zu Lehn gaben, das
wußten die Stände bei jeder neuen Wahl an sich zu ziehen. Gegen Ende des
Reichs war dem Kaiser zu seiner eignen Verwendung weiter nichts geblieben,
als nur ein geringer Nest der Stättesteuer im Betrage von vielleicht 15000
Gulden und die von der Reichsritterschaft hin und wieder, namentlich zu
Kriegszeiten, bewilligten sog. Charitativgelder. Vielfach machte sich die Ansicht
geltend die Politik des Hauses Oesterreich habe es mit sich gebracht die kaiser¬
lichen Domänen in Verfall zu bringen, um ein weniger begütertes Haus von
der Uebernahme der Kaiserkrone abzuhalten und sie für sich zu reserviren.

Herrschte bei solcher Mißwirthschaft im Justiz- und Finanzwesen eine
vollkommene Rechtlosigkeit im Innern, so besiegelte die deutsche Wehrverfassung
die vollkommene Schutzlosigkeit nach Außen, und grade das war des deutschen
Reiches brennendste Wunde, das schlimmste Zeichen von der Erbärmlichkeit seiner
Verfassung. Durch die Reichsmatrikel von 1681 war allerdings eine Grund¬
lage gewonnen, uach welcher die Truppenaufgebote von Seiten der Reichsgewalt
geschehen konnten. Die Vertheilung der durch jene Matrikel auf die Kreise
^'epartirten Truppenstärken unter die Kreisstände, so wie überhaupt die ganze
Anordnung des Kreiswehrwesens blieb den Reichskreisen selbst überlassen. Wir
haben jedoch bereits oben erwähnt, wie der Reichsmilitärfuß zunächst von den
Kreistagen, dann aber noch von den einzelnen Ständen selbst herabgemindert
wurde. Wie das geschah bezeuge das nachstehende Beispiel. Das Slavina
der Matrikel des Obersüchsischen Kreises sollte betragen 1322 Reiter und 2707
Mann zu Fuß. Schon in demselben Jahre, wo die Matrikel reichsgesetzlich
geworden war, hatte aber der Obersächsische Kreistag ausgerechnet, daß nur
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1298 zu Pferd und 2655 ^20 zu Fuß zu stellen wären. „Und da¬
mit man der Beschwerlichkeit derer Brüche überhoben sein möge, sind dieselben
ebenfalls reduziret und eines jedweden Standes Kontingent an Reutern und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/333>, abgerufen am 27.07.2024.