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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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10 Prozent von ihrem Absatz als Tantieme, welche die Konsumenten im Preise
der Waare zu ersetzen haben. Der Rest der deutschen Detaillisten würde ans
seinem Erwerbe herausgedrängt oder soweit er den Handel nnr nebenbei be¬
trieb, in seiner Existenzmöglichkeit geschmälert werden; volkswirtschaftlich wären
darüber uicht viele Worte zu verlieren, da dieser Kleinhandel mit Tabak kaum
zu den Zierden unseres geschäftlichen Verkehrs gehört, allein eine große Unzu¬
friedenheit würde dadurch immerhin erregt werden. Vernichtet würde der
Großhandel mit Tabak; die Regie versorgt sich entweder selbst an den Pro¬
duktionsplätzen des ausländischen Tabaks oder sie kann sich günstigsten Falls
mit der Hilfe weniger Firmen behelfen. Hamburg träfe ein schwerer Schlag,
Bremen wäre ruinirt. Schon diese eine wahrhaft erschreckende Thatsache, daß
die Regie "verstümmelnd niedersank mit Kälte" eines der treuesten und ver¬
dientesten Glieder des Reichs, predigt mit tausend Zungen wider sie.

Mag man die unbestreitbaren Vorzüge des Monopols noch so hoch schätzen,
im deutschen Reiche thürmen sich ihm gewaltige, schwer, wenn überhaupt zu
überwindende Hindernisse entgegen. Eine etwas freundlichere Perspektive er¬
öffnet der Blick ans das dritte, große Steuersystem des Auslandes. Die
amerikanische Fabrikatstener ist vielleicht ein Unikum in der Steuergeschichte
aller civilisirten Staaten. Der Fiscus läßt Landwirthschaft, Industrie und
Handel frei schalten und walten und behält sich seinerseits nur den genauesten
und intimsten Einblick in den Geschäftsverkehr mit Tabak uach allen Richtun¬
gen hin vor. Pflanzern, Fabrikanten und Händlern ist gesetzlich die penibelste
Buchführung über alle Käufe, Verkäufe, Versendungen ?e. vorgeschrieben; jeder¬
zeit muß den Steuerbeamten Einsicht in die Bücher gewährt werden, so daß
sich jedes Blatt Tabak vom Moment der Ernte bis zu seinem Verglimmen
zwischen den Lippen des Rauchers verfolge" läßt. Für den Fabrikanten als
den eigentlichen steuernden ist diese Kontrole dann noch verstärkt. Er ist ver¬
pflichtet, bei Beginn seines Betriebes den Ort der Fabrik, die Art der Fabri¬
kate, welche erzeugt werden sollen, eine detaillirte Beschreibung der Fabrikein¬
richtungen, ein genaues Inventar seiner Vorräthe und Materialien ?e. dem
Distriktssteuerbeamteu einzureichen und am 1. Januar jeden Jahres zu er¬
neuern, ferner allmonatlich seine Bücher abzuschließen und einen vollständigen
Auszug gleichfalls amtlich zu deponiren, so daß der Fiscus ununterbrochen
den genauesten Ueberblick darüber hat, was zu versteuern war und was ver¬
steuert ist. Aber auch mit dieser Kontrole ist es noch nicht genug. Alles ihm
von den Fabrikanten überlieferte Material betreffs ihres Vertriebes legt der
Distriktsfleuerbeamtc in einem öffentlichen Kataster aus, in welches Jedermann
Einsicht nehmen darf. So hat jeder Konkurrent, jeder Kunde, jeder Arbeiter
der Fabrik, ihre ganze Nachbarschaft ein Mittel zu prüfen, ob die versteuerte


10 Prozent von ihrem Absatz als Tantieme, welche die Konsumenten im Preise
der Waare zu ersetzen haben. Der Rest der deutschen Detaillisten würde ans
seinem Erwerbe herausgedrängt oder soweit er den Handel nnr nebenbei be¬
trieb, in seiner Existenzmöglichkeit geschmälert werden; volkswirtschaftlich wären
darüber uicht viele Worte zu verlieren, da dieser Kleinhandel mit Tabak kaum
zu den Zierden unseres geschäftlichen Verkehrs gehört, allein eine große Unzu¬
friedenheit würde dadurch immerhin erregt werden. Vernichtet würde der
Großhandel mit Tabak; die Regie versorgt sich entweder selbst an den Pro¬
duktionsplätzen des ausländischen Tabaks oder sie kann sich günstigsten Falls
mit der Hilfe weniger Firmen behelfen. Hamburg träfe ein schwerer Schlag,
Bremen wäre ruinirt. Schon diese eine wahrhaft erschreckende Thatsache, daß
die Regie „verstümmelnd niedersank mit Kälte" eines der treuesten und ver¬
dientesten Glieder des Reichs, predigt mit tausend Zungen wider sie.

Mag man die unbestreitbaren Vorzüge des Monopols noch so hoch schätzen,
im deutschen Reiche thürmen sich ihm gewaltige, schwer, wenn überhaupt zu
überwindende Hindernisse entgegen. Eine etwas freundlichere Perspektive er¬
öffnet der Blick ans das dritte, große Steuersystem des Auslandes. Die
amerikanische Fabrikatstener ist vielleicht ein Unikum in der Steuergeschichte
aller civilisirten Staaten. Der Fiscus läßt Landwirthschaft, Industrie und
Handel frei schalten und walten und behält sich seinerseits nur den genauesten
und intimsten Einblick in den Geschäftsverkehr mit Tabak uach allen Richtun¬
gen hin vor. Pflanzern, Fabrikanten und Händlern ist gesetzlich die penibelste
Buchführung über alle Käufe, Verkäufe, Versendungen ?e. vorgeschrieben; jeder¬
zeit muß den Steuerbeamten Einsicht in die Bücher gewährt werden, so daß
sich jedes Blatt Tabak vom Moment der Ernte bis zu seinem Verglimmen
zwischen den Lippen des Rauchers verfolge» läßt. Für den Fabrikanten als
den eigentlichen steuernden ist diese Kontrole dann noch verstärkt. Er ist ver¬
pflichtet, bei Beginn seines Betriebes den Ort der Fabrik, die Art der Fabri¬
kate, welche erzeugt werden sollen, eine detaillirte Beschreibung der Fabrikein¬
richtungen, ein genaues Inventar seiner Vorräthe und Materialien ?e. dem
Distriktssteuerbeamteu einzureichen und am 1. Januar jeden Jahres zu er¬
neuern, ferner allmonatlich seine Bücher abzuschließen und einen vollständigen
Auszug gleichfalls amtlich zu deponiren, so daß der Fiscus ununterbrochen
den genauesten Ueberblick darüber hat, was zu versteuern war und was ver¬
steuert ist. Aber auch mit dieser Kontrole ist es noch nicht genug. Alles ihm
von den Fabrikanten überlieferte Material betreffs ihres Vertriebes legt der
Distriktsfleuerbeamtc in einem öffentlichen Kataster aus, in welches Jedermann
Einsicht nehmen darf. So hat jeder Konkurrent, jeder Kunde, jeder Arbeiter
der Fabrik, ihre ganze Nachbarschaft ein Mittel zu prüfen, ob die versteuerte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/303>, abgerufen am 01.09.2024.