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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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rücksichtigt wenigstens die Menge des Ertrages, wenn auch noch nicht seine
Beschaffenheit. Aber diese Vortheile werden durch eine lange Reihe von
Nachtheilen überwogen. Der verhältnißmäßig hohe Steuersatz, gerade hundert
Prozent von dem mittleren Durchschnittswerthe des Zentners, wurde noch immer
zur Vernichtung des Baues der schlechteren Sorten dränge"; auch müßte, was bei
den Preisschwankuugeu des Tabaks auf dem Weltmarkte sein großen Schwierigkeiten
hat, jeder kleinste Fehler bei der vergleichenden Abmessung der Steuer und des
Zolls vermieden werden, wenn nicht gelegentlich die ausländische Konkurrenz
übermächtig auf die heimische Tabakskultur hereinbrechen soll. Ferner wäre
eine verlockende Prämie auf die Verfälschung des Krautes durch Surrogate
gesetzt; die Konsumenten würden in demselben Umfange schlechter, wie theurer
rauchen; speziell auf die ärmeren Klassen fiel die Steuer mit doppelter Wucht,
da sie die billigeren Tabake ganz vom Markte verdrängen würde. Und noch sind
dies die geringeren Bedenken. Denn weiter ist die Gewichtssteuer für zwei Haupt-
betheiligte, für den Staat und für die Pflanzer, nichts anderes als das Monopol
ohne seine Licht- aber mit seinen Schattenseiten. Der Staat hätte die peinliche und
schwierige Kontrole; die Bestandsaufnahme der Ernte, die amtliche Abwiegung, die
Haftung des Pflanzers für die richtige Gewichtsmenge, alle diese Bestimmungen sind,
wie Stauffenberg im Reichstage nachwies, der französischen Monopolgesetzgebung
entnommen, aber der gehoffte und vermuthlich noch weit überschätzte Gewinn wäre
winzig gegenüber den Summen, welche beispielsweise die frciuzösische Regie abwirft.
Und nun gar der Pflanzer! Sein französischer Kollege wird zwar ebenso kontrolirt,
aber er weiß wenigstens wofür. Der Staat quält ihn nicht nur, sondern er
sorgt auch für ihn; er giebt ihm den richtigen Samen, er lehrt ihn den besten,
landwirtschaftlichen Betrieb und schließlich ist er von vornherein sein Käufer
und zwar sein Käufer zu recht civilen Preisen. Allein was erwartet den deut¬
sche" Pflanzer unter der projektirten Gewichtssteuer, wenn er auf sein Risiko
gebaut und alle Chikanen der Kontrole glücklich überwunden hat? Nichts an¬
deres, als das Glück, den vollen Werth seiner Ernte, noch ehe er sie zu Markte
bringen kann, an den Staat als Steuer zu zahlen ohne den leisesten Schatten
einer Gewähr, daß sie ihm im Preise der Waare wieder ersetzt wird oder daß
er überhaupt nur einen Käufer zu irgend welchem Preise findet. Und es sind
verhältnißmäßig bedeutende Summen, um welche es sich handelt; der Steuersatz
für die durchschnittliche Ernte des Hektars würde schon 840 Mk. betragen. Die
kleinen Leute, welche die ungeheure Mehrzahl der Tabakspflanzer bilden, haben
weder Kapital noch Kredit; sie müßten den Tabaksbau aufgeben, und es ist scholl
hervorgehoben, daß es sich hierbei nicht um den einfachen Uebergang von einer
landwirtschaftlichen Kultur zur andern handelt, sondern um eine soziale Frage
von schwerster Bedeutung, um die Frage, ob Zehntausende von Familien aus


rücksichtigt wenigstens die Menge des Ertrages, wenn auch noch nicht seine
Beschaffenheit. Aber diese Vortheile werden durch eine lange Reihe von
Nachtheilen überwogen. Der verhältnißmäßig hohe Steuersatz, gerade hundert
Prozent von dem mittleren Durchschnittswerthe des Zentners, wurde noch immer
zur Vernichtung des Baues der schlechteren Sorten dränge»; auch müßte, was bei
den Preisschwankuugeu des Tabaks auf dem Weltmarkte sein großen Schwierigkeiten
hat, jeder kleinste Fehler bei der vergleichenden Abmessung der Steuer und des
Zolls vermieden werden, wenn nicht gelegentlich die ausländische Konkurrenz
übermächtig auf die heimische Tabakskultur hereinbrechen soll. Ferner wäre
eine verlockende Prämie auf die Verfälschung des Krautes durch Surrogate
gesetzt; die Konsumenten würden in demselben Umfange schlechter, wie theurer
rauchen; speziell auf die ärmeren Klassen fiel die Steuer mit doppelter Wucht,
da sie die billigeren Tabake ganz vom Markte verdrängen würde. Und noch sind
dies die geringeren Bedenken. Denn weiter ist die Gewichtssteuer für zwei Haupt-
betheiligte, für den Staat und für die Pflanzer, nichts anderes als das Monopol
ohne seine Licht- aber mit seinen Schattenseiten. Der Staat hätte die peinliche und
schwierige Kontrole; die Bestandsaufnahme der Ernte, die amtliche Abwiegung, die
Haftung des Pflanzers für die richtige Gewichtsmenge, alle diese Bestimmungen sind,
wie Stauffenberg im Reichstage nachwies, der französischen Monopolgesetzgebung
entnommen, aber der gehoffte und vermuthlich noch weit überschätzte Gewinn wäre
winzig gegenüber den Summen, welche beispielsweise die frciuzösische Regie abwirft.
Und nun gar der Pflanzer! Sein französischer Kollege wird zwar ebenso kontrolirt,
aber er weiß wenigstens wofür. Der Staat quält ihn nicht nur, sondern er
sorgt auch für ihn; er giebt ihm den richtigen Samen, er lehrt ihn den besten,
landwirtschaftlichen Betrieb und schließlich ist er von vornherein sein Käufer
und zwar sein Käufer zu recht civilen Preisen. Allein was erwartet den deut¬
sche» Pflanzer unter der projektirten Gewichtssteuer, wenn er auf sein Risiko
gebaut und alle Chikanen der Kontrole glücklich überwunden hat? Nichts an¬
deres, als das Glück, den vollen Werth seiner Ernte, noch ehe er sie zu Markte
bringen kann, an den Staat als Steuer zu zahlen ohne den leisesten Schatten
einer Gewähr, daß sie ihm im Preise der Waare wieder ersetzt wird oder daß
er überhaupt nur einen Käufer zu irgend welchem Preise findet. Und es sind
verhältnißmäßig bedeutende Summen, um welche es sich handelt; der Steuersatz
für die durchschnittliche Ernte des Hektars würde schon 840 Mk. betragen. Die
kleinen Leute, welche die ungeheure Mehrzahl der Tabakspflanzer bilden, haben
weder Kapital noch Kredit; sie müßten den Tabaksbau aufgeben, und es ist scholl
hervorgehoben, daß es sich hierbei nicht um den einfachen Uebergang von einer
landwirtschaftlichen Kultur zur andern handelt, sondern um eine soziale Frage
von schwerster Bedeutung, um die Frage, ob Zehntausende von Familien aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/294>, abgerufen am 27.07.2024.