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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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sichern Grundlagen, um nicht mehr und nicht weniger, als um die Frage, ob
zwischen dem Reichskanzler und seinen treuesten Genüssen hinfort die Friedens¬
pfeife erloschen oder in frischeren Zügen weiter dampfen soll. Da lohnt es sich
wohl, daß anch diese Blätter die Tabaksfrage einer umfassenderen Würdigung
unterziehen. Natürlich soll dabei uicht wiederholt werden, was der Leser
aus seiner Tageszeitung schon bis zum Ueberdrusse gelernt hat; die Steuer¬
reform an Haupt und Gliedern, in Reich, Staat und Gemeinde, die Frage
der verfassungsmäßigen Bürgschaften, das homerische Schelten der konservativen
und offiziösen Blätter, wie wenn wir am Vorabend der Wahlschlacht stünden
-- alles das bleibt ganz und gar bei Seite. Es mag höchstens gestattet sein,
auf die kleine Schrift "Das Tabaksmonopol. Eine Freiheits- und Verfassungs-
frage" (Magdeburg, Faber) hinzuweisen, welche diese Gesichtspunkte in ebenso
loyaler und patriotischer, wie lichtvoller und, zutreffender Weise erörtert. Hier
soll nur der Hintergrund gezeichnet werden, auf welchem sich die viel bewegten
Tageskämpfe abspielen; es soll versucht werden, in knappen Rahmen ein durch¬
sichtiges Bild zu entwerfen von dem Tabak als einem Grundpfeiler der modernen
Staats- und Volkswirthschaft.

Auch in dieser Begrenzung ist die Aufgabe noch sehr verwickelter Natur.
Die Tabaksfrage ist zugleich eine kommerzielle, eine industrielle und eine land¬
wirtschaftliche Frage; sie hat eine finanz-, eine Steuer- und nicht zuletzt auch
eine sozialpolitische Seite; wie ein sensibles Nervengeslecht breitet sie sich durch
alle Glieder des gesellschaftlichen und staatlichen Organismus. Und noch ist
wenig sicheres Material vorhanden, von dem aus sich ein objektives Erfassen
ihres ganzen Zusammenhangs erlangen ließe. Selbst die amtlichen Hilfsquellen
sickern nur spärlich und versiegen nur zu schnell; soll doch erst durch das
Enquetegesetz, welches dem Reichstage vorliegt, für die gesetzgebenden Körper¬
schaften des Reichs die nothwendige und unerläßliche Statistik beschafft wer¬
den. Die Tabaksliteratur ist zwar recht umfangreich; namentlich seit der be¬
rühmten Rede des Reichskanzlers treibt sie fast täglich neue Schößlinge, aber
in ihrer überwiegenden Masse ist sie wenig mehr, wie Makulatur. Und wieder
die Minderzahl besserer und guter Schriften ist durchweg polemischen Charak¬
ters; nur indem man gleichmäßig alle zugleich berücksichtigt, gewinnt man
einen erschöpfenden Ueberblick, soweit sich eben heute überhaupt schon ein er¬
schöpfender Ueberblick gewinnen läßt. Es gilt, zu sammeln, zu sichten, zu
sieben, um den spärlichen Weizen von der reichlichen Spreu zu sondern.

So setzt sich diese bescheidene Studie aus lauter kleinen Mosaikstiften zu¬
sammen. Um einen Satz niederzuschreiben, war es oft nöthig, fünf oder zehn
Quellen zu vergleichen, zwei oder drei Quellen zu benützen. Unter solchen
Umständen erweist es sich unmöglich, regelmäßig zu citiren, wenn nicht aller


sichern Grundlagen, um nicht mehr und nicht weniger, als um die Frage, ob
zwischen dem Reichskanzler und seinen treuesten Genüssen hinfort die Friedens¬
pfeife erloschen oder in frischeren Zügen weiter dampfen soll. Da lohnt es sich
wohl, daß anch diese Blätter die Tabaksfrage einer umfassenderen Würdigung
unterziehen. Natürlich soll dabei uicht wiederholt werden, was der Leser
aus seiner Tageszeitung schon bis zum Ueberdrusse gelernt hat; die Steuer¬
reform an Haupt und Gliedern, in Reich, Staat und Gemeinde, die Frage
der verfassungsmäßigen Bürgschaften, das homerische Schelten der konservativen
und offiziösen Blätter, wie wenn wir am Vorabend der Wahlschlacht stünden
— alles das bleibt ganz und gar bei Seite. Es mag höchstens gestattet sein,
auf die kleine Schrift „Das Tabaksmonopol. Eine Freiheits- und Verfassungs-
frage" (Magdeburg, Faber) hinzuweisen, welche diese Gesichtspunkte in ebenso
loyaler und patriotischer, wie lichtvoller und, zutreffender Weise erörtert. Hier
soll nur der Hintergrund gezeichnet werden, auf welchem sich die viel bewegten
Tageskämpfe abspielen; es soll versucht werden, in knappen Rahmen ein durch¬
sichtiges Bild zu entwerfen von dem Tabak als einem Grundpfeiler der modernen
Staats- und Volkswirthschaft.

Auch in dieser Begrenzung ist die Aufgabe noch sehr verwickelter Natur.
Die Tabaksfrage ist zugleich eine kommerzielle, eine industrielle und eine land¬
wirtschaftliche Frage; sie hat eine finanz-, eine Steuer- und nicht zuletzt auch
eine sozialpolitische Seite; wie ein sensibles Nervengeslecht breitet sie sich durch
alle Glieder des gesellschaftlichen und staatlichen Organismus. Und noch ist
wenig sicheres Material vorhanden, von dem aus sich ein objektives Erfassen
ihres ganzen Zusammenhangs erlangen ließe. Selbst die amtlichen Hilfsquellen
sickern nur spärlich und versiegen nur zu schnell; soll doch erst durch das
Enquetegesetz, welches dem Reichstage vorliegt, für die gesetzgebenden Körper¬
schaften des Reichs die nothwendige und unerläßliche Statistik beschafft wer¬
den. Die Tabaksliteratur ist zwar recht umfangreich; namentlich seit der be¬
rühmten Rede des Reichskanzlers treibt sie fast täglich neue Schößlinge, aber
in ihrer überwiegenden Masse ist sie wenig mehr, wie Makulatur. Und wieder
die Minderzahl besserer und guter Schriften ist durchweg polemischen Charak¬
ters; nur indem man gleichmäßig alle zugleich berücksichtigt, gewinnt man
einen erschöpfenden Ueberblick, soweit sich eben heute überhaupt schon ein er¬
schöpfender Ueberblick gewinnen läßt. Es gilt, zu sammeln, zu sichten, zu
sieben, um den spärlichen Weizen von der reichlichen Spreu zu sondern.

So setzt sich diese bescheidene Studie aus lauter kleinen Mosaikstiften zu¬
sammen. Um einen Satz niederzuschreiben, war es oft nöthig, fünf oder zehn
Quellen zu vergleichen, zwei oder drei Quellen zu benützen. Unter solchen
Umständen erweist es sich unmöglich, regelmäßig zu citiren, wenn nicht aller


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/286>, abgerufen am 01.09.2024.