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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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man den Kamin zu verzieren Pflegt; die Unschuld in der Maske; Faune, Nym¬
phen und Bacchanten u. s. w. ohne Anstand eingeführt.

Auf die Frage, warum er nicht wirkliche Bauern gezeichnet, erwiderte er:
"was soll der Dichter mit jenen Zuständen, wo der Landmann mit saurer
Arbeit unterthünig seinem Fürsten und den Städten den Ueberfluß liefern muß,
und Unterdrückung und Armuth ihn ungesittet und schlan und niederträchtig
gemacht haben?"

Darin sah er richtiger als Haller in den "Alpen"; aber er glaubte sich
der liosutis, xosties. bedienen zu dürfen. "Ihr, die ihr mit übermüthigem
Blick von euern Palästen herabblickt: wem quillt die süße Lust aus der stillen
Gegend? euch ihr Herrscher, oder dem armen Hirten, der im Grase ruht?
Er athmet Entzücken; zufrieden, unwissend, daß er arm ist; die schöne Natur
ist ihm eine ewige Quelle von reinem Vergnügen; das ruhige Gemüth und das
redliche Herz streuen immer Vergnügen vor ihm her, wie die Morgensonne vor
dir her die bethante Gegend mit Glanz überströmt."

So ist es freilich nur in einem idealen Land, wo alle Hirtinnen schmachten
und alle Schäferknaben ohne Mißklang die Flöte blasen.

In den "Sympathien" (19 Briefe an verschiedene Damen) verdammt
Wieland nicht blos den Ovid, sondern auch Amkreon, Tibull u. s. w. "Ein
frommer Alter hat der mißbrauchten Dichtkunst ihren rechten Namen gegeben;
da er sie den Wein der Teufel nannte, womit sie unbesonnene Seelen berauscht,
um sie wie durch einen Zaubertrank in Vieh zu verwandeln. -- Der Feind
alles Guten verwandelt sich bald in den Bacchus, bald in den Cupido, bald
in einen unfläthigen Satyr, und begeistert die witzigen Jünglinge unsrer Zeit,
die lüsternen Triebe der ausgearteten Natur mit einem Schein von Sittlichkeit
zu schmücken." -- Wieland schließt mit dem Trumpf: "jeder, der sich Gleich¬
gültigkeit gegen die Religion für keine Ehre rechnet, sollte das schlechteste
Kirchenlied dem reizendsten Lied eines Uz unendlich vorziehn!"

Noch schwülstiger wird er in den "Empfindungen eines Christen." In der
Zueignung an Sack denuncirte er "schwärmende Anbeter des Bacchus und
der Venus, die man nach der inbrünstigen Andacht, womit sie diese elenden
Götzen lobpreisen, sür eine Bande Epikurischer Heiden halten sollte, die sich
verschworen haben, alles Heilige lächerlich zu machen, und die wenigen Em¬
pfindungen von Gott, die im Herzen der leichtsinnigen Jugend schlummern,
völlig auszutilgen;" er forderte ihn auf, "die Unordnung und das Aergerniß
zu rügen, welches diese leichtsinnigen Witzlinge anrichten;" und machte ihn --
"weil dieses Ungeziefer, welches so tief unter Ihrem Gesichtskreis kriecht, Ihnen
vielleicht nicht einmal bekannt ist", -- hauptsächlich auf Uz' Gedichte auf-


man den Kamin zu verzieren Pflegt; die Unschuld in der Maske; Faune, Nym¬
phen und Bacchanten u. s. w. ohne Anstand eingeführt.

Auf die Frage, warum er nicht wirkliche Bauern gezeichnet, erwiderte er:
„was soll der Dichter mit jenen Zuständen, wo der Landmann mit saurer
Arbeit unterthünig seinem Fürsten und den Städten den Ueberfluß liefern muß,
und Unterdrückung und Armuth ihn ungesittet und schlan und niederträchtig
gemacht haben?"

Darin sah er richtiger als Haller in den „Alpen"; aber er glaubte sich
der liosutis, xosties. bedienen zu dürfen. „Ihr, die ihr mit übermüthigem
Blick von euern Palästen herabblickt: wem quillt die süße Lust aus der stillen
Gegend? euch ihr Herrscher, oder dem armen Hirten, der im Grase ruht?
Er athmet Entzücken; zufrieden, unwissend, daß er arm ist; die schöne Natur
ist ihm eine ewige Quelle von reinem Vergnügen; das ruhige Gemüth und das
redliche Herz streuen immer Vergnügen vor ihm her, wie die Morgensonne vor
dir her die bethante Gegend mit Glanz überströmt."

So ist es freilich nur in einem idealen Land, wo alle Hirtinnen schmachten
und alle Schäferknaben ohne Mißklang die Flöte blasen.

In den „Sympathien" (19 Briefe an verschiedene Damen) verdammt
Wieland nicht blos den Ovid, sondern auch Amkreon, Tibull u. s. w. „Ein
frommer Alter hat der mißbrauchten Dichtkunst ihren rechten Namen gegeben;
da er sie den Wein der Teufel nannte, womit sie unbesonnene Seelen berauscht,
um sie wie durch einen Zaubertrank in Vieh zu verwandeln. — Der Feind
alles Guten verwandelt sich bald in den Bacchus, bald in den Cupido, bald
in einen unfläthigen Satyr, und begeistert die witzigen Jünglinge unsrer Zeit,
die lüsternen Triebe der ausgearteten Natur mit einem Schein von Sittlichkeit
zu schmücken." — Wieland schließt mit dem Trumpf: „jeder, der sich Gleich¬
gültigkeit gegen die Religion für keine Ehre rechnet, sollte das schlechteste
Kirchenlied dem reizendsten Lied eines Uz unendlich vorziehn!"

Noch schwülstiger wird er in den „Empfindungen eines Christen." In der
Zueignung an Sack denuncirte er „schwärmende Anbeter des Bacchus und
der Venus, die man nach der inbrünstigen Andacht, womit sie diese elenden
Götzen lobpreisen, sür eine Bande Epikurischer Heiden halten sollte, die sich
verschworen haben, alles Heilige lächerlich zu machen, und die wenigen Em¬
pfindungen von Gott, die im Herzen der leichtsinnigen Jugend schlummern,
völlig auszutilgen;" er forderte ihn auf, „die Unordnung und das Aergerniß
zu rügen, welches diese leichtsinnigen Witzlinge anrichten;" und machte ihn —
„weil dieses Ungeziefer, welches so tief unter Ihrem Gesichtskreis kriecht, Ihnen
vielleicht nicht einmal bekannt ist", — hauptsächlich auf Uz' Gedichte auf-


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[0028] man den Kamin zu verzieren Pflegt; die Unschuld in der Maske; Faune, Nym¬ phen und Bacchanten u. s. w. ohne Anstand eingeführt. Auf die Frage, warum er nicht wirkliche Bauern gezeichnet, erwiderte er: „was soll der Dichter mit jenen Zuständen, wo der Landmann mit saurer Arbeit unterthünig seinem Fürsten und den Städten den Ueberfluß liefern muß, und Unterdrückung und Armuth ihn ungesittet und schlan und niederträchtig gemacht haben?" Darin sah er richtiger als Haller in den „Alpen"; aber er glaubte sich der liosutis, xosties. bedienen zu dürfen. „Ihr, die ihr mit übermüthigem Blick von euern Palästen herabblickt: wem quillt die süße Lust aus der stillen Gegend? euch ihr Herrscher, oder dem armen Hirten, der im Grase ruht? Er athmet Entzücken; zufrieden, unwissend, daß er arm ist; die schöne Natur ist ihm eine ewige Quelle von reinem Vergnügen; das ruhige Gemüth und das redliche Herz streuen immer Vergnügen vor ihm her, wie die Morgensonne vor dir her die bethante Gegend mit Glanz überströmt." So ist es freilich nur in einem idealen Land, wo alle Hirtinnen schmachten und alle Schäferknaben ohne Mißklang die Flöte blasen. In den „Sympathien" (19 Briefe an verschiedene Damen) verdammt Wieland nicht blos den Ovid, sondern auch Amkreon, Tibull u. s. w. „Ein frommer Alter hat der mißbrauchten Dichtkunst ihren rechten Namen gegeben; da er sie den Wein der Teufel nannte, womit sie unbesonnene Seelen berauscht, um sie wie durch einen Zaubertrank in Vieh zu verwandeln. — Der Feind alles Guten verwandelt sich bald in den Bacchus, bald in den Cupido, bald in einen unfläthigen Satyr, und begeistert die witzigen Jünglinge unsrer Zeit, die lüsternen Triebe der ausgearteten Natur mit einem Schein von Sittlichkeit zu schmücken." — Wieland schließt mit dem Trumpf: „jeder, der sich Gleich¬ gültigkeit gegen die Religion für keine Ehre rechnet, sollte das schlechteste Kirchenlied dem reizendsten Lied eines Uz unendlich vorziehn!" Noch schwülstiger wird er in den „Empfindungen eines Christen." In der Zueignung an Sack denuncirte er „schwärmende Anbeter des Bacchus und der Venus, die man nach der inbrünstigen Andacht, womit sie diese elenden Götzen lobpreisen, sür eine Bande Epikurischer Heiden halten sollte, die sich verschworen haben, alles Heilige lächerlich zu machen, und die wenigen Em¬ pfindungen von Gott, die im Herzen der leichtsinnigen Jugend schlummern, völlig auszutilgen;" er forderte ihn auf, „die Unordnung und das Aergerniß zu rügen, welches diese leichtsinnigen Witzlinge anrichten;" und machte ihn — „weil dieses Ungeziefer, welches so tief unter Ihrem Gesichtskreis kriecht, Ihnen vielleicht nicht einmal bekannt ist", — hauptsächlich auf Uz' Gedichte auf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/28>, abgerufen am 29.12.2024.