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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Erman, beide groß als Reisende, Encke, den Kometeneutdecker, Vogel
v. Falkenstein, damals noch Hauptmann, den Zoologen Lichtenstein,
Alexander v. Humboldt, den Botaniker Link u. s. w. Gelehrte und Laien
reichten sich die Hand um "die Erdkunde im weitesten Sinne zu fordern",
rasch wuchs die Zahl der Mitglieder, Dank dem besondern Charakter einer
Wissenschaft, wie die Geographie, deren Resultate für jeden Gebildeten leicht
zugängig und von Interesse sind. Eine solche aus heterogenen Elementen zu¬
sammengesetzte Vereinigung, die ohne der Außenwelt gegenüber die Ansprüche
einer wirklich gelehrten Korporation zu erheben, in ihrem gemeinsamen Streben
dennoch berufen war, ans die Forderung der Wissenschaft anregend zu wirken,
mußte wohl bei den damaligen, von kleinlichen Interessen bewegten gesell¬
schaftlichen Verhältnissen Berlins als eine durchaus neue Erscheinung gelten.
Der Boden war dnrch Alexander von Humboldt's berühmte Vortrüge in der
Singakademie über den Kosmos und durch Karl Ritter's Vorlesungen über
vergleichende Erdkunde günstig vorbereitet und der letztgenannte große Gelehrte
wurde der erste Präsident des Vereins, dem er den Stempel seines geistigen
Wesens aufdrückte. Aber staatliche Unterstützung, maritime Beziehungen, nationale
Stellung fehlten. Durch die Mittheilungen, welche Humboldt aus seiner über¬
reichen Korrespondenz machte, durch die Thätigkeit des späteren Kriegsministers
v. Roon, durch Ergebnisse der Reisen der Prinzen Waldemar und Adalbert
von Preußen kam frisches Leben in die Gesellschaft. Lepsius legte ihr die Re¬
sultate seiner ägyptischen Forschungen vor, Heinrich Barth brachte ihr die
Kunde feiner Entschleierung Centralafrikas. Nun laufen, seit den fünfziger
Jahren, die Fäden sämmtlicher Forschungen auf theoretischem wie praktischem
Gebiete bei ihr zusammen und die letzte Stiftung des geographischen Vereins,
die afrikanische Gesellschaft, beweist wie er das deutsche Erbtheil im schwarzen
Kontinente mit Erfolg angetreten hat.

Aus Koner's Festschrift möge noch eine interessante Episode mit politischem
Beigeschmack hier eine Stelle finden. Im Jahre 1854, zu einer Zeit, in
welcher die politischen Parteien sich schroff einander gegenüberstanden, wurde
eine der Reaktion angehörige Person einstimmig abgewiesen, ein Fall, der als
eine politische Demonstration angesehen wurde, so daß der Kriegsminister
sämmtliche der Gesellschaft angehörige Offiziere zum Austritt aufforderte. Der
Verein ward fast in seinem Bestände bedroht und nur der energischen Ver¬
wendung und dem Ansehen Humboldt's und Ritter's gelang es, die peinliche
Angelegenheit beizulegen, Humboldt kvrrespoudirte eifrig mit Herrn v. Hinkeldey
und hier ist eine Stelle in einem seiner Briefe, die Koner als charakteristisch
für Humboldt anführt: "Prinz Adalbert, heißt es da, wird dem ganzen
Militäraufstand fern bleiben." Und in der That erschien der Prinz als ein-


Erman, beide groß als Reisende, Encke, den Kometeneutdecker, Vogel
v. Falkenstein, damals noch Hauptmann, den Zoologen Lichtenstein,
Alexander v. Humboldt, den Botaniker Link u. s. w. Gelehrte und Laien
reichten sich die Hand um „die Erdkunde im weitesten Sinne zu fordern",
rasch wuchs die Zahl der Mitglieder, Dank dem besondern Charakter einer
Wissenschaft, wie die Geographie, deren Resultate für jeden Gebildeten leicht
zugängig und von Interesse sind. Eine solche aus heterogenen Elementen zu¬
sammengesetzte Vereinigung, die ohne der Außenwelt gegenüber die Ansprüche
einer wirklich gelehrten Korporation zu erheben, in ihrem gemeinsamen Streben
dennoch berufen war, ans die Forderung der Wissenschaft anregend zu wirken,
mußte wohl bei den damaligen, von kleinlichen Interessen bewegten gesell¬
schaftlichen Verhältnissen Berlins als eine durchaus neue Erscheinung gelten.
Der Boden war dnrch Alexander von Humboldt's berühmte Vortrüge in der
Singakademie über den Kosmos und durch Karl Ritter's Vorlesungen über
vergleichende Erdkunde günstig vorbereitet und der letztgenannte große Gelehrte
wurde der erste Präsident des Vereins, dem er den Stempel seines geistigen
Wesens aufdrückte. Aber staatliche Unterstützung, maritime Beziehungen, nationale
Stellung fehlten. Durch die Mittheilungen, welche Humboldt aus seiner über¬
reichen Korrespondenz machte, durch die Thätigkeit des späteren Kriegsministers
v. Roon, durch Ergebnisse der Reisen der Prinzen Waldemar und Adalbert
von Preußen kam frisches Leben in die Gesellschaft. Lepsius legte ihr die Re¬
sultate seiner ägyptischen Forschungen vor, Heinrich Barth brachte ihr die
Kunde feiner Entschleierung Centralafrikas. Nun laufen, seit den fünfziger
Jahren, die Fäden sämmtlicher Forschungen auf theoretischem wie praktischem
Gebiete bei ihr zusammen und die letzte Stiftung des geographischen Vereins,
die afrikanische Gesellschaft, beweist wie er das deutsche Erbtheil im schwarzen
Kontinente mit Erfolg angetreten hat.

Aus Koner's Festschrift möge noch eine interessante Episode mit politischem
Beigeschmack hier eine Stelle finden. Im Jahre 1854, zu einer Zeit, in
welcher die politischen Parteien sich schroff einander gegenüberstanden, wurde
eine der Reaktion angehörige Person einstimmig abgewiesen, ein Fall, der als
eine politische Demonstration angesehen wurde, so daß der Kriegsminister
sämmtliche der Gesellschaft angehörige Offiziere zum Austritt aufforderte. Der
Verein ward fast in seinem Bestände bedroht und nur der energischen Ver¬
wendung und dem Ansehen Humboldt's und Ritter's gelang es, die peinliche
Angelegenheit beizulegen, Humboldt kvrrespoudirte eifrig mit Herrn v. Hinkeldey
und hier ist eine Stelle in einem seiner Briefe, die Koner als charakteristisch
für Humboldt anführt: „Prinz Adalbert, heißt es da, wird dem ganzen
Militäraufstand fern bleiben." Und in der That erschien der Prinz als ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/276>, abgerufen am 29.12.2024.