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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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in seiner Geschichte der Erdkunde treffend chcirakterisirt. Diese Stelle möge
hier einen Platz finden, um zu zeigen, wie es auf diesem Gebiete anders und
liesser geworden ist, seit das neue nationale Leben unser Vaterland durchzieht.
"Wer die Geschichte der Erdkunde zur Hand nimmt, sagt der unvergeßliche
Leipziger Gelehrte, um darin die Ehren des deutschen Volks verzeichnet zu
finden, der wird gemischten Eindrücken entgegen gehen. Er wird gewahren,
daß er einer Nation angehöre, die überreich an Zierden und arm an Thaten
ist. Wo hohe Aufgaben nur durch die Kräfte eines Staats gelöst werden
können, zeigt unsere Geschichte nichts als eine Reihe versäumter Gelegenheiten;
wo es aber dem Einzelnen möglich war, ohne öffentlichen Beistand der Wissen¬
schaft große Dienste zu leisten, oder wo fremde Nationen thatenlustig nach
Werkzeugen suchte", da haben sich stets Deutsche herbeigedrängt, und die Zahl
der Unsrigen, die in die Gefahr gingen und in ihr unterlagen, ist bis auf die
Gegenwart ruhmwürdig groß gewesen. Was hätten audere Nationen geleistet,
wenn sie über eine ähnliche Fülle geistiger Kräfte zu verfügen gehabt hätten!
Wenn wir dennoch bei der Vertheilung wissenschaftlicher Verdienste nicht hinter
anderen Völkern zurückstehen, so müssen wir unsere Vertreter um so höher
feiern, weil sie so viel erringen konnten, obgleich sie Deutsche waren!"

Wie anders ist das jetzt geworden! Das Reich als solches beginnt sich
an der geographischen Forschung zu betheiligen und giebt den Forschern die
nöthigen Mittel und die letzteren entfalten stolz die schwarz-weiß-rothe Flagge.
Ein Schamgefühl braucht uns jetzt nicht mehr zu überkommen, wie wir es
empfanden, als unser Landsmann Robert Schomburgk die Quellen des Esse-
quibo entdeckte und dabei die britische Flagge hoch hinauf und seinen Hut
tief herab zog!

Der Historiograph des Berliner Jubelvereins ist Professor Wilhelm
Kor er, Vorstand der Universitätsbibliothek geworden. Seine Schrift, ge¬
schmückt mit einem Stahlstichbildniß Karl Ritter's, führt den Titel: Zur Er¬
innerung an das fünfzigjährige Bestehen der Gesellschaft für Erdkunde zu
Berlin. Aus ihr entnehmen wir zum Schluß die nachstehenden Data.

Es war am 20. April 1828 als bei Gelegenheit der Feier des funfzig¬
jährigen Dienstjnbiläums des durch seine kartographischen Arbeiten rühmlichst
bekannten Plankammer-Inspektors Kapitän Reymcmn, von einer Anzahl der
Anwesenden der Wunsch ausgesprochen wurde, zum Andenken an diesen Tag
einen Verein von Freunden der Erdkunde zu stifte". Unter den Gründern des
neuen Vereins nennen wir Heinrich Berg Haus, Direktor v. Klöden, Prof.
Zeune, Prof. Stein, Karl Ritter, Hauptmann, jetzt General v. Baeyer
(einer der wenigen Ueberlebenden, der große Begründer der europäischem Grad-
wessung), Leopold v. Buch, Adalbert v. Chamisso, Ehrenberg und


in seiner Geschichte der Erdkunde treffend chcirakterisirt. Diese Stelle möge
hier einen Platz finden, um zu zeigen, wie es auf diesem Gebiete anders und
liesser geworden ist, seit das neue nationale Leben unser Vaterland durchzieht.
„Wer die Geschichte der Erdkunde zur Hand nimmt, sagt der unvergeßliche
Leipziger Gelehrte, um darin die Ehren des deutschen Volks verzeichnet zu
finden, der wird gemischten Eindrücken entgegen gehen. Er wird gewahren,
daß er einer Nation angehöre, die überreich an Zierden und arm an Thaten
ist. Wo hohe Aufgaben nur durch die Kräfte eines Staats gelöst werden
können, zeigt unsere Geschichte nichts als eine Reihe versäumter Gelegenheiten;
wo es aber dem Einzelnen möglich war, ohne öffentlichen Beistand der Wissen¬
schaft große Dienste zu leisten, oder wo fremde Nationen thatenlustig nach
Werkzeugen suchte«, da haben sich stets Deutsche herbeigedrängt, und die Zahl
der Unsrigen, die in die Gefahr gingen und in ihr unterlagen, ist bis auf die
Gegenwart ruhmwürdig groß gewesen. Was hätten audere Nationen geleistet,
wenn sie über eine ähnliche Fülle geistiger Kräfte zu verfügen gehabt hätten!
Wenn wir dennoch bei der Vertheilung wissenschaftlicher Verdienste nicht hinter
anderen Völkern zurückstehen, so müssen wir unsere Vertreter um so höher
feiern, weil sie so viel erringen konnten, obgleich sie Deutsche waren!"

Wie anders ist das jetzt geworden! Das Reich als solches beginnt sich
an der geographischen Forschung zu betheiligen und giebt den Forschern die
nöthigen Mittel und die letzteren entfalten stolz die schwarz-weiß-rothe Flagge.
Ein Schamgefühl braucht uns jetzt nicht mehr zu überkommen, wie wir es
empfanden, als unser Landsmann Robert Schomburgk die Quellen des Esse-
quibo entdeckte und dabei die britische Flagge hoch hinauf und seinen Hut
tief herab zog!

Der Historiograph des Berliner Jubelvereins ist Professor Wilhelm
Kor er, Vorstand der Universitätsbibliothek geworden. Seine Schrift, ge¬
schmückt mit einem Stahlstichbildniß Karl Ritter's, führt den Titel: Zur Er¬
innerung an das fünfzigjährige Bestehen der Gesellschaft für Erdkunde zu
Berlin. Aus ihr entnehmen wir zum Schluß die nachstehenden Data.

Es war am 20. April 1828 als bei Gelegenheit der Feier des funfzig¬
jährigen Dienstjnbiläums des durch seine kartographischen Arbeiten rühmlichst
bekannten Plankammer-Inspektors Kapitän Reymcmn, von einer Anzahl der
Anwesenden der Wunsch ausgesprochen wurde, zum Andenken an diesen Tag
einen Verein von Freunden der Erdkunde zu stifte». Unter den Gründern des
neuen Vereins nennen wir Heinrich Berg Haus, Direktor v. Klöden, Prof.
Zeune, Prof. Stein, Karl Ritter, Hauptmann, jetzt General v. Baeyer
(einer der wenigen Ueberlebenden, der große Begründer der europäischem Grad-
wessung), Leopold v. Buch, Adalbert v. Chamisso, Ehrenberg und


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[0275] in seiner Geschichte der Erdkunde treffend chcirakterisirt. Diese Stelle möge hier einen Platz finden, um zu zeigen, wie es auf diesem Gebiete anders und liesser geworden ist, seit das neue nationale Leben unser Vaterland durchzieht. „Wer die Geschichte der Erdkunde zur Hand nimmt, sagt der unvergeßliche Leipziger Gelehrte, um darin die Ehren des deutschen Volks verzeichnet zu finden, der wird gemischten Eindrücken entgegen gehen. Er wird gewahren, daß er einer Nation angehöre, die überreich an Zierden und arm an Thaten ist. Wo hohe Aufgaben nur durch die Kräfte eines Staats gelöst werden können, zeigt unsere Geschichte nichts als eine Reihe versäumter Gelegenheiten; wo es aber dem Einzelnen möglich war, ohne öffentlichen Beistand der Wissen¬ schaft große Dienste zu leisten, oder wo fremde Nationen thatenlustig nach Werkzeugen suchte«, da haben sich stets Deutsche herbeigedrängt, und die Zahl der Unsrigen, die in die Gefahr gingen und in ihr unterlagen, ist bis auf die Gegenwart ruhmwürdig groß gewesen. Was hätten audere Nationen geleistet, wenn sie über eine ähnliche Fülle geistiger Kräfte zu verfügen gehabt hätten! Wenn wir dennoch bei der Vertheilung wissenschaftlicher Verdienste nicht hinter anderen Völkern zurückstehen, so müssen wir unsere Vertreter um so höher feiern, weil sie so viel erringen konnten, obgleich sie Deutsche waren!" Wie anders ist das jetzt geworden! Das Reich als solches beginnt sich an der geographischen Forschung zu betheiligen und giebt den Forschern die nöthigen Mittel und die letzteren entfalten stolz die schwarz-weiß-rothe Flagge. Ein Schamgefühl braucht uns jetzt nicht mehr zu überkommen, wie wir es empfanden, als unser Landsmann Robert Schomburgk die Quellen des Esse- quibo entdeckte und dabei die britische Flagge hoch hinauf und seinen Hut tief herab zog! Der Historiograph des Berliner Jubelvereins ist Professor Wilhelm Kor er, Vorstand der Universitätsbibliothek geworden. Seine Schrift, ge¬ schmückt mit einem Stahlstichbildniß Karl Ritter's, führt den Titel: Zur Er¬ innerung an das fünfzigjährige Bestehen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Aus ihr entnehmen wir zum Schluß die nachstehenden Data. Es war am 20. April 1828 als bei Gelegenheit der Feier des funfzig¬ jährigen Dienstjnbiläums des durch seine kartographischen Arbeiten rühmlichst bekannten Plankammer-Inspektors Kapitän Reymcmn, von einer Anzahl der Anwesenden der Wunsch ausgesprochen wurde, zum Andenken an diesen Tag einen Verein von Freunden der Erdkunde zu stifte». Unter den Gründern des neuen Vereins nennen wir Heinrich Berg Haus, Direktor v. Klöden, Prof. Zeune, Prof. Stein, Karl Ritter, Hauptmann, jetzt General v. Baeyer (einer der wenigen Ueberlebenden, der große Begründer der europäischem Grad- wessung), Leopold v. Buch, Adalbert v. Chamisso, Ehrenberg und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/275>, abgerufen am 01.09.2024.