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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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wird schwarz auf weiß sehen, daß die genannten Institutionen und noch viele
andere mehr schon längst sür gottlos und unmoralisch erklärt und als solche
von der Kirche verdammt sind. Ihre Abschaffung wäre also die nothwendigste
Folge einer die Gesetze kontrolirenden Befugniß der Kirche, wie es Curci
will. --

Doch genug! Mag nun noch eine "Einrichtung der Verhältnisse Roms in
der Art, daß der Papst dort würdig als Souverän von Italien residiren kann",
was wohl eine Entfernung des königlichen Hofes einschließen soll, hinzukommen
oder nicht -- das Angeführte wird genügen, um mit dem Erstaunen über diese
ungeheuerlichen Zumuthungen die Gewißheit zu verbinden, daß nicht ein ver¬
ständiger und vaterlandsliebender Italiener sich durch diese Vorschläge bethören läßt.

Wir wollen nicht blos der Kuriosität wegen, sondern anch um zu zeigen,
wie die Kirche im Falle der Macht "auf gesetzlichem Wege Verfassnngs-Modi-
fikationen" durchführen würde, zum Schluß Curci's Feldzugsplan betrachten.
Wir können nichts Besseres thun als ihn mit seinen eigenen Worten hierher¬
setzen: "Seht, wie die Sache vor sich gehen konnte: Ist jener Entwurf loyal
vom Könige acceptirt worden -- und man hat mehr als ein Anzeichen, daß
er es von ganzem Herzen acceptiren würde (?!) -- und sind die geeigneten
Verständigungen getroffen, so löst man die Kammern ans und ernennt
ein christliches Ministerium, sür welches sich noch in Italien, besonders
im alten Piemont, vorzügliche Elemente finden. Der Papst und der König
geben in diesem Sinne ihre deutlichen und freimüthigen Erklärungen ab. In¬
zwischen modifizirt das Ministerium: innerhalb einiger Monate gemäß der
neuen Richtung das Beamtenpersonal, dessen größter Theil, der aus reinem
Interesse dient, aus demselben Motiv und vielleicht noch mit mehr Neigung
bei der neuen Richtung bleibt. Zu gleicher Zeit macht eine umfassende, ver¬
ständige, christliche Presse sich ein's Werk, die Geister über jenen Entwurf
aufzuklären und der Opposition in der Presse entgegenzutreten, welcher man
alle durch die Gesetze garantirte Freiheit läßt. Was die thätliche Oppo¬
sition betrifft, so ist das Heer da, welches tapfer und dem Könige
treu ist; und das ist genug. Sind die Dinge so vorbereitet, so kommt man
zu den allgemeinen Wahlen. Wenn bei diesen der Papst und der König, die
Kirche und die Regierung auf einen einzigen Zweck gemeinsam hinstreben
(oosxirasssro), diese, indem sie alle gesetzlichen Mittel, die sie in ihrer Gewalt
hat, geltend macht, jene, indem sie ihren mächtigen Organismus
von Bischöfen und Pfarrern spielen läßt, vorzüglich unter der acker¬
bauenden Bevölkerung, welche bei uns mehr als neun Zehntel des Ganzen
ausmacht, so kann nicht der mindeste Zweifel sein, daß man ein Parlament
mit einer immensen christlichen Majorität erhält. Dies erzielt, ist


wird schwarz auf weiß sehen, daß die genannten Institutionen und noch viele
andere mehr schon längst sür gottlos und unmoralisch erklärt und als solche
von der Kirche verdammt sind. Ihre Abschaffung wäre also die nothwendigste
Folge einer die Gesetze kontrolirenden Befugniß der Kirche, wie es Curci
will. —

Doch genug! Mag nun noch eine „Einrichtung der Verhältnisse Roms in
der Art, daß der Papst dort würdig als Souverän von Italien residiren kann",
was wohl eine Entfernung des königlichen Hofes einschließen soll, hinzukommen
oder nicht — das Angeführte wird genügen, um mit dem Erstaunen über diese
ungeheuerlichen Zumuthungen die Gewißheit zu verbinden, daß nicht ein ver¬
ständiger und vaterlandsliebender Italiener sich durch diese Vorschläge bethören läßt.

Wir wollen nicht blos der Kuriosität wegen, sondern anch um zu zeigen,
wie die Kirche im Falle der Macht „auf gesetzlichem Wege Verfassnngs-Modi-
fikationen" durchführen würde, zum Schluß Curci's Feldzugsplan betrachten.
Wir können nichts Besseres thun als ihn mit seinen eigenen Worten hierher¬
setzen: „Seht, wie die Sache vor sich gehen konnte: Ist jener Entwurf loyal
vom Könige acceptirt worden — und man hat mehr als ein Anzeichen, daß
er es von ganzem Herzen acceptiren würde (?!) — und sind die geeigneten
Verständigungen getroffen, so löst man die Kammern ans und ernennt
ein christliches Ministerium, sür welches sich noch in Italien, besonders
im alten Piemont, vorzügliche Elemente finden. Der Papst und der König
geben in diesem Sinne ihre deutlichen und freimüthigen Erklärungen ab. In¬
zwischen modifizirt das Ministerium: innerhalb einiger Monate gemäß der
neuen Richtung das Beamtenpersonal, dessen größter Theil, der aus reinem
Interesse dient, aus demselben Motiv und vielleicht noch mit mehr Neigung
bei der neuen Richtung bleibt. Zu gleicher Zeit macht eine umfassende, ver¬
ständige, christliche Presse sich ein's Werk, die Geister über jenen Entwurf
aufzuklären und der Opposition in der Presse entgegenzutreten, welcher man
alle durch die Gesetze garantirte Freiheit läßt. Was die thätliche Oppo¬
sition betrifft, so ist das Heer da, welches tapfer und dem Könige
treu ist; und das ist genug. Sind die Dinge so vorbereitet, so kommt man
zu den allgemeinen Wahlen. Wenn bei diesen der Papst und der König, die
Kirche und die Regierung auf einen einzigen Zweck gemeinsam hinstreben
(oosxirasssro), diese, indem sie alle gesetzlichen Mittel, die sie in ihrer Gewalt
hat, geltend macht, jene, indem sie ihren mächtigen Organismus
von Bischöfen und Pfarrern spielen läßt, vorzüglich unter der acker¬
bauenden Bevölkerung, welche bei uns mehr als neun Zehntel des Ganzen
ausmacht, so kann nicht der mindeste Zweifel sein, daß man ein Parlament
mit einer immensen christlichen Majorität erhält. Dies erzielt, ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/258>, abgerufen am 27.07.2024.