Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Das ist die Anschauung, auf Grund deren Curci Aussöhnung zwischen
Staat und Kirche predigt und auf welcher seine Concordat vorschlüge
beruhen: Die Prinzipien und die Personen, welche das gegenwärtige Italien
leiten, sind von Grund aus verwerflich und mit ihnen ist keine Aussöhnung
möglich! Sie müssen also beseitigt werden. Wie fängt man das an? --
Curci hat darauf eine Antwort, die erstaunlich genug klingt: "Um das zu er¬
reichen, ist es unerläßlich sich des eigenen Rechtes zu bedienen, indem man in
die gesetzlichen Bahnen eintritt und ohne Nebenzwecke (scwM ssomräi twi)
die Dinge acceptirt wie sie sind", was an einer andern Stelle wieder¬
holt wird mit den Worten: "Mit der aufrichtigen, loyalen und von
Hintergedanken freien Acceptirung Italiens, wie es ist, müßte Hand in
Hand gehen die Anerkennung des Königs" u. s. w. Stehen diese Worte nicht
im schneidensten Widerspruch mit der oben ausgesprochenen Unmöglichkeit eines
Paktes mit der Landesregierung und Landesvertretung, die doch wohl einen Theil
des "Italien, wie es ist" ausmachen? -- O, nein! Denn nach jesuitischen Sprach¬
gebrauch bedeutet eine "aufrichtige, loyale und von Hintergedanken freie Aner¬
kennung" eben durchaus keine Anerkennung. Sie bedeutet nur, daß man
Mangels anderer Mittel sich stellt, als erkenne man Italien an, um
den Einfluß zu gewinnen, der nöthig ist, um es wieder zu stürzen.

Alles Folgende wird diese Behauptung beweisen. Es wird beweisen, daß
der Pater Curci, der so viel vom freien und einigen Italien spricht und wahr¬
scheinlich auch glaubt zu dessen Heile zu wirken und der deshalb von der
fanatischen Partei verfolgt worden ist, in Wahrheit keinen andern Zweck hat,
als Italien wieder unter das Joch der Geistesknechtschast des Vatikans zu
beugen und vom König und den Ministern bis zum Dorfschullehrer Alles dem
Geiste des Syllabus Unterthan zu machen. Seine Vorschläge zu diesem Zwecke
sind zum Theil so ungeheuerlich, zum Theil so naiv, daß man sich erstaunt
fragt: ob der Manu denn von keinem Geistesfortschritt weiß seit Thomas' von
Aquino und Ignatius von Loyola's Zeiten; zugleich aber die Ueberzeugung
gewinnt, daß er keinen Vernünftigen bethören wird. Denn unter dem Köder
von "Versöhnung", "Anerkennung Italiens" und "Heil des Vaterlandes"
schauen auf allen Seiten die spitzen Haken der Priesterdespotie, der Gedanken¬
knechtung und das Syllabus hervor, deren Segnungen Italien zur Genüge kennt. --
Ehe wir auf die Umwälzungsprojekte Curci's eingehen, wollen wir noch eine
Blumenlese seiner Aussprüche über das "Italien, wie es jetzt ist" und über das
Verhältniß der Kirche zu staatlichen Gewalten überhaupt zusammenstellen, um
keinen Zweifel darüber zu lassen, wie es mit seiner "aufrichtigen und loyalen
Acceptirung" gemeint ist.

Aufrichtig acceptirt wird nur ein Theil Italiens. Welcher gemeint sei, wird


Das ist die Anschauung, auf Grund deren Curci Aussöhnung zwischen
Staat und Kirche predigt und auf welcher seine Concordat vorschlüge
beruhen: Die Prinzipien und die Personen, welche das gegenwärtige Italien
leiten, sind von Grund aus verwerflich und mit ihnen ist keine Aussöhnung
möglich! Sie müssen also beseitigt werden. Wie fängt man das an? —
Curci hat darauf eine Antwort, die erstaunlich genug klingt: „Um das zu er¬
reichen, ist es unerläßlich sich des eigenen Rechtes zu bedienen, indem man in
die gesetzlichen Bahnen eintritt und ohne Nebenzwecke (scwM ssomräi twi)
die Dinge acceptirt wie sie sind", was an einer andern Stelle wieder¬
holt wird mit den Worten: „Mit der aufrichtigen, loyalen und von
Hintergedanken freien Acceptirung Italiens, wie es ist, müßte Hand in
Hand gehen die Anerkennung des Königs" u. s. w. Stehen diese Worte nicht
im schneidensten Widerspruch mit der oben ausgesprochenen Unmöglichkeit eines
Paktes mit der Landesregierung und Landesvertretung, die doch wohl einen Theil
des „Italien, wie es ist" ausmachen? — O, nein! Denn nach jesuitischen Sprach¬
gebrauch bedeutet eine „aufrichtige, loyale und von Hintergedanken freie Aner¬
kennung" eben durchaus keine Anerkennung. Sie bedeutet nur, daß man
Mangels anderer Mittel sich stellt, als erkenne man Italien an, um
den Einfluß zu gewinnen, der nöthig ist, um es wieder zu stürzen.

Alles Folgende wird diese Behauptung beweisen. Es wird beweisen, daß
der Pater Curci, der so viel vom freien und einigen Italien spricht und wahr¬
scheinlich auch glaubt zu dessen Heile zu wirken und der deshalb von der
fanatischen Partei verfolgt worden ist, in Wahrheit keinen andern Zweck hat,
als Italien wieder unter das Joch der Geistesknechtschast des Vatikans zu
beugen und vom König und den Ministern bis zum Dorfschullehrer Alles dem
Geiste des Syllabus Unterthan zu machen. Seine Vorschläge zu diesem Zwecke
sind zum Theil so ungeheuerlich, zum Theil so naiv, daß man sich erstaunt
fragt: ob der Manu denn von keinem Geistesfortschritt weiß seit Thomas' von
Aquino und Ignatius von Loyola's Zeiten; zugleich aber die Ueberzeugung
gewinnt, daß er keinen Vernünftigen bethören wird. Denn unter dem Köder
von „Versöhnung", „Anerkennung Italiens" und „Heil des Vaterlandes"
schauen auf allen Seiten die spitzen Haken der Priesterdespotie, der Gedanken¬
knechtung und das Syllabus hervor, deren Segnungen Italien zur Genüge kennt. —
Ehe wir auf die Umwälzungsprojekte Curci's eingehen, wollen wir noch eine
Blumenlese seiner Aussprüche über das „Italien, wie es jetzt ist" und über das
Verhältniß der Kirche zu staatlichen Gewalten überhaupt zusammenstellen, um
keinen Zweifel darüber zu lassen, wie es mit seiner „aufrichtigen und loyalen
Acceptirung" gemeint ist.

Aufrichtig acceptirt wird nur ein Theil Italiens. Welcher gemeint sei, wird


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0247" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140068"/>
          <p xml:id="ID_757"> Das ist die Anschauung, auf Grund deren Curci Aussöhnung zwischen<lb/>
Staat und Kirche predigt und auf welcher seine Concordat vorschlüge<lb/>
beruhen: Die Prinzipien und die Personen, welche das gegenwärtige Italien<lb/>
leiten, sind von Grund aus verwerflich und mit ihnen ist keine Aussöhnung<lb/>
möglich! Sie müssen also beseitigt werden. Wie fängt man das an? &#x2014;<lb/>
Curci hat darauf eine Antwort, die erstaunlich genug klingt: &#x201E;Um das zu er¬<lb/>
reichen, ist es unerläßlich sich des eigenen Rechtes zu bedienen, indem man in<lb/>
die gesetzlichen Bahnen eintritt und ohne Nebenzwecke (scwM ssomräi twi)<lb/>
die Dinge acceptirt wie sie sind", was an einer andern Stelle wieder¬<lb/>
holt wird mit den Worten: &#x201E;Mit der aufrichtigen, loyalen und von<lb/>
Hintergedanken freien Acceptirung Italiens, wie es ist, müßte Hand in<lb/>
Hand gehen die Anerkennung des Königs" u. s. w. Stehen diese Worte nicht<lb/>
im schneidensten Widerspruch mit der oben ausgesprochenen Unmöglichkeit eines<lb/>
Paktes mit der Landesregierung und Landesvertretung, die doch wohl einen Theil<lb/>
des &#x201E;Italien, wie es ist" ausmachen? &#x2014; O, nein! Denn nach jesuitischen Sprach¬<lb/>
gebrauch bedeutet eine &#x201E;aufrichtige, loyale und von Hintergedanken freie Aner¬<lb/>
kennung" eben durchaus keine Anerkennung. Sie bedeutet nur, daß man<lb/>
Mangels anderer Mittel sich stellt, als erkenne man Italien an, um<lb/>
den Einfluß zu gewinnen, der nöthig ist, um es wieder zu stürzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_758"> Alles Folgende wird diese Behauptung beweisen. Es wird beweisen, daß<lb/>
der Pater Curci, der so viel vom freien und einigen Italien spricht und wahr¬<lb/>
scheinlich auch glaubt zu dessen Heile zu wirken und der deshalb von der<lb/>
fanatischen Partei verfolgt worden ist, in Wahrheit keinen andern Zweck hat,<lb/>
als Italien wieder unter das Joch der Geistesknechtschast des Vatikans zu<lb/>
beugen und vom König und den Ministern bis zum Dorfschullehrer Alles dem<lb/>
Geiste des Syllabus Unterthan zu machen. Seine Vorschläge zu diesem Zwecke<lb/>
sind zum Theil so ungeheuerlich, zum Theil so naiv, daß man sich erstaunt<lb/>
fragt: ob der Manu denn von keinem Geistesfortschritt weiß seit Thomas' von<lb/>
Aquino und Ignatius von Loyola's Zeiten; zugleich aber die Ueberzeugung<lb/>
gewinnt, daß er keinen Vernünftigen bethören wird. Denn unter dem Köder<lb/>
von &#x201E;Versöhnung", &#x201E;Anerkennung Italiens" und &#x201E;Heil des Vaterlandes"<lb/>
schauen auf allen Seiten die spitzen Haken der Priesterdespotie, der Gedanken¬<lb/>
knechtung und das Syllabus hervor, deren Segnungen Italien zur Genüge kennt. &#x2014;<lb/>
Ehe wir auf die Umwälzungsprojekte Curci's eingehen, wollen wir noch eine<lb/>
Blumenlese seiner Aussprüche über das &#x201E;Italien, wie es jetzt ist" und über das<lb/>
Verhältniß der Kirche zu staatlichen Gewalten überhaupt zusammenstellen, um<lb/>
keinen Zweifel darüber zu lassen, wie es mit seiner &#x201E;aufrichtigen und loyalen<lb/>
Acceptirung" gemeint ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_759" next="#ID_760"> Aufrichtig acceptirt wird nur ein Theil Italiens. Welcher gemeint sei, wird</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0247] Das ist die Anschauung, auf Grund deren Curci Aussöhnung zwischen Staat und Kirche predigt und auf welcher seine Concordat vorschlüge beruhen: Die Prinzipien und die Personen, welche das gegenwärtige Italien leiten, sind von Grund aus verwerflich und mit ihnen ist keine Aussöhnung möglich! Sie müssen also beseitigt werden. Wie fängt man das an? — Curci hat darauf eine Antwort, die erstaunlich genug klingt: „Um das zu er¬ reichen, ist es unerläßlich sich des eigenen Rechtes zu bedienen, indem man in die gesetzlichen Bahnen eintritt und ohne Nebenzwecke (scwM ssomräi twi) die Dinge acceptirt wie sie sind", was an einer andern Stelle wieder¬ holt wird mit den Worten: „Mit der aufrichtigen, loyalen und von Hintergedanken freien Acceptirung Italiens, wie es ist, müßte Hand in Hand gehen die Anerkennung des Königs" u. s. w. Stehen diese Worte nicht im schneidensten Widerspruch mit der oben ausgesprochenen Unmöglichkeit eines Paktes mit der Landesregierung und Landesvertretung, die doch wohl einen Theil des „Italien, wie es ist" ausmachen? — O, nein! Denn nach jesuitischen Sprach¬ gebrauch bedeutet eine „aufrichtige, loyale und von Hintergedanken freie Aner¬ kennung" eben durchaus keine Anerkennung. Sie bedeutet nur, daß man Mangels anderer Mittel sich stellt, als erkenne man Italien an, um den Einfluß zu gewinnen, der nöthig ist, um es wieder zu stürzen. Alles Folgende wird diese Behauptung beweisen. Es wird beweisen, daß der Pater Curci, der so viel vom freien und einigen Italien spricht und wahr¬ scheinlich auch glaubt zu dessen Heile zu wirken und der deshalb von der fanatischen Partei verfolgt worden ist, in Wahrheit keinen andern Zweck hat, als Italien wieder unter das Joch der Geistesknechtschast des Vatikans zu beugen und vom König und den Ministern bis zum Dorfschullehrer Alles dem Geiste des Syllabus Unterthan zu machen. Seine Vorschläge zu diesem Zwecke sind zum Theil so ungeheuerlich, zum Theil so naiv, daß man sich erstaunt fragt: ob der Manu denn von keinem Geistesfortschritt weiß seit Thomas' von Aquino und Ignatius von Loyola's Zeiten; zugleich aber die Ueberzeugung gewinnt, daß er keinen Vernünftigen bethören wird. Denn unter dem Köder von „Versöhnung", „Anerkennung Italiens" und „Heil des Vaterlandes" schauen auf allen Seiten die spitzen Haken der Priesterdespotie, der Gedanken¬ knechtung und das Syllabus hervor, deren Segnungen Italien zur Genüge kennt. — Ehe wir auf die Umwälzungsprojekte Curci's eingehen, wollen wir noch eine Blumenlese seiner Aussprüche über das „Italien, wie es jetzt ist" und über das Verhältniß der Kirche zu staatlichen Gewalten überhaupt zusammenstellen, um keinen Zweifel darüber zu lassen, wie es mit seiner „aufrichtigen und loyalen Acceptirung" gemeint ist. Aufrichtig acceptirt wird nur ein Theil Italiens. Welcher gemeint sei, wird

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/247
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/247>, abgerufen am 01.09.2024.