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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Fürsten der Tataren aber nahmen den Vorschlag an, und Mahmud Pascha
legte einem jeden einen von den Kaftans, die er mitgebracht, um die Schultern,
kehrte dann eilig zum Padischah zurück, und sprach: "Mein Padischah, wenn
es Allahs, des Allerhöchsten, Wille ist, so habe ich für die Tataren Mittel
und Wege gefunden." Darauf versammelte Mahmud Pascha in Edirne ein
Heer aus denen, die unverheiratet und beritten, von 10,000 Mann, gab jedem
von ihnen Säbel und Flinte, und sprach und empfahl ihnen an: "Jetzt laßt
sehn, was ihr vermögt, die Beute der Tataren für euch, ihre Köpfe für uns!"
Unterdessen zogen nun die Fürsten der Tataren alle Tage jene Kaftans an,
am elften Tage war die Frist der Tataren abgelaufen, und waren alle ins
andere Leben hinübergegangen. Der Schmerz aber der Trennung von ihren
Häuptern verfehlte bei den Tataren nicht seine Wirkung, einen jeden ergriff
Bangigkeit für seinen Kopf, und sie fingen an sich zu zerstreuen: da winkte
flugs Mahmud Pascha jenem Heere, das er bereit gemacht, und sprach: "Keinem
schenkt es, meine Jungen!" Sie aber zogen ihre Klingen, fielen in das Heer
der Tataren ein, und richteten ein solches Schlachten an, daß von den vierzig
Tausend kaum vier Tausend sich retteten. Mahmud Pascha aber hielt sein
Versprechen und vertheilte sogleich alle Beute. Also befreite er durch Gottes
Gnade von den Tataren den Thron der Herrschaft für die Osmanli. Den
Tataren genügte diese Niederlage, Als aber der einundvierzigste Tag ihrer
Trauer war, da stellte man, der von Mahmud Pascha durch die Ausrufer er-
gangenen Verkündigung zu Folge in (Edirnc) dem Throne des Befehles des
osmanischen Reiches öffentliches Freudenfest und Lustbarkeit (zur Feier des
Sieges) an.

Eines Tages aber sprach darauf Mahmud Pascha der erlauchten Herr¬
lichkeit Sultan Mehmeds zu, und sagte: "Mein Padischah, von nun an wollen
^ir, so es Gottes des Allerhöchsten Wille ist, uns an Konstantinopel machen."
Zu dieser Zeit brach nnn Sultan Mehmet mit dem gesammten Heere des
^Stein auf, und ging über Jelibolu*) nach Brussa, und nachdem er seinen
erhabenen Vorfahren (bei ihren Gräbern) seine Ehrfurcht bezeigt, ging er nach
Jznik*^), blieb dort eine Zeit von drei Monaten, und als Mahmud Pascha
sich von dem zu Jzuik wohnenden Eschref-Zade, jenem hochberühmten Manne,
und von Hadschi Bairam in Koma*''*) hatte den Segen ertheilen lassen, zogen
sie von Jznik weiter, und wandten ihr Antlitz gen Konstantinopel. An einen,
Eski Hissarf) genannten Orte, nicht fern vom Schwarzen Meere, lagerten sie






Gallipoli.
'
'*) Nicäa,
'*) Jconium.
1') Jetzt Anadvlu-Hissar, das alte Schloß an den sogenannten Süßen Wassern von
Grenzboten II. 1873. 30

Fürsten der Tataren aber nahmen den Vorschlag an, und Mahmud Pascha
legte einem jeden einen von den Kaftans, die er mitgebracht, um die Schultern,
kehrte dann eilig zum Padischah zurück, und sprach: „Mein Padischah, wenn
es Allahs, des Allerhöchsten, Wille ist, so habe ich für die Tataren Mittel
und Wege gefunden." Darauf versammelte Mahmud Pascha in Edirne ein
Heer aus denen, die unverheiratet und beritten, von 10,000 Mann, gab jedem
von ihnen Säbel und Flinte, und sprach und empfahl ihnen an: „Jetzt laßt
sehn, was ihr vermögt, die Beute der Tataren für euch, ihre Köpfe für uns!"
Unterdessen zogen nun die Fürsten der Tataren alle Tage jene Kaftans an,
am elften Tage war die Frist der Tataren abgelaufen, und waren alle ins
andere Leben hinübergegangen. Der Schmerz aber der Trennung von ihren
Häuptern verfehlte bei den Tataren nicht seine Wirkung, einen jeden ergriff
Bangigkeit für seinen Kopf, und sie fingen an sich zu zerstreuen: da winkte
flugs Mahmud Pascha jenem Heere, das er bereit gemacht, und sprach: „Keinem
schenkt es, meine Jungen!" Sie aber zogen ihre Klingen, fielen in das Heer
der Tataren ein, und richteten ein solches Schlachten an, daß von den vierzig
Tausend kaum vier Tausend sich retteten. Mahmud Pascha aber hielt sein
Versprechen und vertheilte sogleich alle Beute. Also befreite er durch Gottes
Gnade von den Tataren den Thron der Herrschaft für die Osmanli. Den
Tataren genügte diese Niederlage, Als aber der einundvierzigste Tag ihrer
Trauer war, da stellte man, der von Mahmud Pascha durch die Ausrufer er-
gangenen Verkündigung zu Folge in (Edirnc) dem Throne des Befehles des
osmanischen Reiches öffentliches Freudenfest und Lustbarkeit (zur Feier des
Sieges) an.

Eines Tages aber sprach darauf Mahmud Pascha der erlauchten Herr¬
lichkeit Sultan Mehmeds zu, und sagte: „Mein Padischah, von nun an wollen
^ir, so es Gottes des Allerhöchsten Wille ist, uns an Konstantinopel machen."
Zu dieser Zeit brach nnn Sultan Mehmet mit dem gesammten Heere des
^Stein auf, und ging über Jelibolu*) nach Brussa, und nachdem er seinen
erhabenen Vorfahren (bei ihren Gräbern) seine Ehrfurcht bezeigt, ging er nach
Jznik*^), blieb dort eine Zeit von drei Monaten, und als Mahmud Pascha
sich von dem zu Jzuik wohnenden Eschref-Zade, jenem hochberühmten Manne,
und von Hadschi Bairam in Koma*''*) hatte den Segen ertheilen lassen, zogen
sie von Jznik weiter, und wandten ihr Antlitz gen Konstantinopel. An einen,
Eski Hissarf) genannten Orte, nicht fern vom Schwarzen Meere, lagerten sie






Gallipoli.
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'*) Nicäa,
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1') Jetzt Anadvlu-Hissar, das alte Schloß an den sogenannten Süßen Wassern von
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[0237] Fürsten der Tataren aber nahmen den Vorschlag an, und Mahmud Pascha legte einem jeden einen von den Kaftans, die er mitgebracht, um die Schultern, kehrte dann eilig zum Padischah zurück, und sprach: „Mein Padischah, wenn es Allahs, des Allerhöchsten, Wille ist, so habe ich für die Tataren Mittel und Wege gefunden." Darauf versammelte Mahmud Pascha in Edirne ein Heer aus denen, die unverheiratet und beritten, von 10,000 Mann, gab jedem von ihnen Säbel und Flinte, und sprach und empfahl ihnen an: „Jetzt laßt sehn, was ihr vermögt, die Beute der Tataren für euch, ihre Köpfe für uns!" Unterdessen zogen nun die Fürsten der Tataren alle Tage jene Kaftans an, am elften Tage war die Frist der Tataren abgelaufen, und waren alle ins andere Leben hinübergegangen. Der Schmerz aber der Trennung von ihren Häuptern verfehlte bei den Tataren nicht seine Wirkung, einen jeden ergriff Bangigkeit für seinen Kopf, und sie fingen an sich zu zerstreuen: da winkte flugs Mahmud Pascha jenem Heere, das er bereit gemacht, und sprach: „Keinem schenkt es, meine Jungen!" Sie aber zogen ihre Klingen, fielen in das Heer der Tataren ein, und richteten ein solches Schlachten an, daß von den vierzig Tausend kaum vier Tausend sich retteten. Mahmud Pascha aber hielt sein Versprechen und vertheilte sogleich alle Beute. Also befreite er durch Gottes Gnade von den Tataren den Thron der Herrschaft für die Osmanli. Den Tataren genügte diese Niederlage, Als aber der einundvierzigste Tag ihrer Trauer war, da stellte man, der von Mahmud Pascha durch die Ausrufer er- gangenen Verkündigung zu Folge in (Edirnc) dem Throne des Befehles des osmanischen Reiches öffentliches Freudenfest und Lustbarkeit (zur Feier des Sieges) an. Eines Tages aber sprach darauf Mahmud Pascha der erlauchten Herr¬ lichkeit Sultan Mehmeds zu, und sagte: „Mein Padischah, von nun an wollen ^ir, so es Gottes des Allerhöchsten Wille ist, uns an Konstantinopel machen." Zu dieser Zeit brach nnn Sultan Mehmet mit dem gesammten Heere des ^Stein auf, und ging über Jelibolu*) nach Brussa, und nachdem er seinen erhabenen Vorfahren (bei ihren Gräbern) seine Ehrfurcht bezeigt, ging er nach Jznik*^), blieb dort eine Zeit von drei Monaten, und als Mahmud Pascha sich von dem zu Jzuik wohnenden Eschref-Zade, jenem hochberühmten Manne, und von Hadschi Bairam in Koma*''*) hatte den Segen ertheilen lassen, zogen sie von Jznik weiter, und wandten ihr Antlitz gen Konstantinopel. An einen, Eski Hissarf) genannten Orte, nicht fern vom Schwarzen Meere, lagerten sie Gallipoli. ' '*) Nicäa, '*) Jconium. 1') Jetzt Anadvlu-Hissar, das alte Schloß an den sogenannten Süßen Wassern von Grenzboten II. 1873. 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/237>, abgerufen am 01.01.2025.