Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Sehen wir nun zuerst, welche Schäden für Italien und die Kirche der
Pciter Curci aus dem bisherigen Verhalten entsprossen sieht und welche ihm
die Nothwendigkeit einer Umkehr der Curie zur Ueberzeugung gemacht haben.
Man wird sagen müssen, daß er scharf gesehen und nicht weniger scharf ge¬
sprochen hat.

Die Meinung der fanatischen Partei, durch deren Bestreitung Curci den
Sturm der Verfolgung gegen sich heraufbeschworen hat, ging dahin, daß eine
Restranration des Kirchenstaates zu erstreben und nahe bevorstehend sei. Nach
seiner Meinung ist "diese Zuversicht, welche durch eine Fluth von falschen
Schlüssen, Unverschämtheiten und Schmeicheleien sich zur Gewißheit eines
Dogmas hat erheben wollen, gegenwärtig die Ursache der größten Uebel für
die Kirche und Italien". Als die drei schwersten dieser Uebel bezeichnet er
schon in seinem Briefe an den Papst die Nichttheilnahme der guten Katholiken
am parlamentarischen Leben, die Entfremdung aller guten Patrioten von der
Kirche, in welcher sie eine Feindin des einigen Vaterlandes sehen, und die
Hinüberdrcingung der italienischen Regierung von dem durch die Curie earessirten
Frankreich zu dem ketzerischen Deutschland. Bekanntlich war einer der ersten
Züge der vatikanischen Taktik gegenüber dem neu constituirten Italien die Aus¬
gabe der Parole an die Kirchenfreunde: "Weder Wähler noch Gewählte!"
Dadurch wurde, wie Curci sagt, "-- einziges Beispiel in der Geschichte und
auch einzig unter allen anderen Nationen -- ein christliches Volk der einzigen
Waffe beraubt, welche es gesetzmäßig zu seiner Vertheidigung ergreisen könnte
und (hier wird man gleich über die Grundanschauung des Verfassers klar
werdeu!) ganz und gar dem Schacher der Ungläubigen und Atheisten überlassen,
die es nun nach ihrem vollsten Belieben abschlachten können." Wie das
italienische Volk über das "Abschlachten" denkt, wenn es die Wahl hat zwischen
dem päpstlichen Regiment und der nationalen Regierung, hat es durch sein
Plebiscit vom Jahre 1871 bewiesen. Sehr mit Recht aber wirft Curci den
Klerikalen entgegen: "Jedenfalls ist es lächerlich sich zu beklagen, daß im
Parlament und im Senat nach Art von Gottlosen geredet und gehandelt werde,
nachdem man mit allen Mitteln verhindert hat, daß Christen dort eintreten."
In der That halten die klerikalen Zeloten noch heute an der Taktik fest, durch
Nichttheilnahme am Wählen und der Parlamentsthätigkeit auch gegen die Be¬
rechtigung derselben schweigend zu protestiren, ja sie desavouiren Diejenigen,
welche in der Kammer für die klerikalen Interessen sprechen, um sie nicht als
Vertreter der Kirche erscheinen zu lassen. Dieser monströse Vorfall trug sich
u. a. bei der vorjährigen Debatte über die Einschränkung der predigenden Geist¬
lichen zu. Ein Redner, welcher energisch s ur Belassung der vollen Redefreiheit
der Geistlichen gesprochen hatte, mußte sich deshalb von einem klerikalen Journal


Sehen wir nun zuerst, welche Schäden für Italien und die Kirche der
Pciter Curci aus dem bisherigen Verhalten entsprossen sieht und welche ihm
die Nothwendigkeit einer Umkehr der Curie zur Ueberzeugung gemacht haben.
Man wird sagen müssen, daß er scharf gesehen und nicht weniger scharf ge¬
sprochen hat.

Die Meinung der fanatischen Partei, durch deren Bestreitung Curci den
Sturm der Verfolgung gegen sich heraufbeschworen hat, ging dahin, daß eine
Restranration des Kirchenstaates zu erstreben und nahe bevorstehend sei. Nach
seiner Meinung ist „diese Zuversicht, welche durch eine Fluth von falschen
Schlüssen, Unverschämtheiten und Schmeicheleien sich zur Gewißheit eines
Dogmas hat erheben wollen, gegenwärtig die Ursache der größten Uebel für
die Kirche und Italien". Als die drei schwersten dieser Uebel bezeichnet er
schon in seinem Briefe an den Papst die Nichttheilnahme der guten Katholiken
am parlamentarischen Leben, die Entfremdung aller guten Patrioten von der
Kirche, in welcher sie eine Feindin des einigen Vaterlandes sehen, und die
Hinüberdrcingung der italienischen Regierung von dem durch die Curie earessirten
Frankreich zu dem ketzerischen Deutschland. Bekanntlich war einer der ersten
Züge der vatikanischen Taktik gegenüber dem neu constituirten Italien die Aus¬
gabe der Parole an die Kirchenfreunde: „Weder Wähler noch Gewählte!"
Dadurch wurde, wie Curci sagt, „— einziges Beispiel in der Geschichte und
auch einzig unter allen anderen Nationen — ein christliches Volk der einzigen
Waffe beraubt, welche es gesetzmäßig zu seiner Vertheidigung ergreisen könnte
und (hier wird man gleich über die Grundanschauung des Verfassers klar
werdeu!) ganz und gar dem Schacher der Ungläubigen und Atheisten überlassen,
die es nun nach ihrem vollsten Belieben abschlachten können." Wie das
italienische Volk über das „Abschlachten" denkt, wenn es die Wahl hat zwischen
dem päpstlichen Regiment und der nationalen Regierung, hat es durch sein
Plebiscit vom Jahre 1871 bewiesen. Sehr mit Recht aber wirft Curci den
Klerikalen entgegen: „Jedenfalls ist es lächerlich sich zu beklagen, daß im
Parlament und im Senat nach Art von Gottlosen geredet und gehandelt werde,
nachdem man mit allen Mitteln verhindert hat, daß Christen dort eintreten."
In der That halten die klerikalen Zeloten noch heute an der Taktik fest, durch
Nichttheilnahme am Wählen und der Parlamentsthätigkeit auch gegen die Be¬
rechtigung derselben schweigend zu protestiren, ja sie desavouiren Diejenigen,
welche in der Kammer für die klerikalen Interessen sprechen, um sie nicht als
Vertreter der Kirche erscheinen zu lassen. Dieser monströse Vorfall trug sich
u. a. bei der vorjährigen Debatte über die Einschränkung der predigenden Geist¬
lichen zu. Ein Redner, welcher energisch s ur Belassung der vollen Redefreiheit
der Geistlichen gesprochen hatte, mußte sich deshalb von einem klerikalen Journal


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140047"/>
          <p xml:id="ID_713"> Sehen wir nun zuerst, welche Schäden für Italien und die Kirche der<lb/>
Pciter Curci aus dem bisherigen Verhalten entsprossen sieht und welche ihm<lb/>
die Nothwendigkeit einer Umkehr der Curie zur Ueberzeugung gemacht haben.<lb/>
Man wird sagen müssen, daß er scharf gesehen und nicht weniger scharf ge¬<lb/>
sprochen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_714" next="#ID_715"> Die Meinung der fanatischen Partei, durch deren Bestreitung Curci den<lb/>
Sturm der Verfolgung gegen sich heraufbeschworen hat, ging dahin, daß eine<lb/>
Restranration des Kirchenstaates zu erstreben und nahe bevorstehend sei. Nach<lb/>
seiner Meinung ist &#x201E;diese Zuversicht, welche durch eine Fluth von falschen<lb/>
Schlüssen, Unverschämtheiten und Schmeicheleien sich zur Gewißheit eines<lb/>
Dogmas hat erheben wollen, gegenwärtig die Ursache der größten Uebel für<lb/>
die Kirche und Italien". Als die drei schwersten dieser Uebel bezeichnet er<lb/>
schon in seinem Briefe an den Papst die Nichttheilnahme der guten Katholiken<lb/>
am parlamentarischen Leben, die Entfremdung aller guten Patrioten von der<lb/>
Kirche, in welcher sie eine Feindin des einigen Vaterlandes sehen, und die<lb/>
Hinüberdrcingung der italienischen Regierung von dem durch die Curie earessirten<lb/>
Frankreich zu dem ketzerischen Deutschland. Bekanntlich war einer der ersten<lb/>
Züge der vatikanischen Taktik gegenüber dem neu constituirten Italien die Aus¬<lb/>
gabe der Parole an die Kirchenfreunde: &#x201E;Weder Wähler noch Gewählte!"<lb/>
Dadurch wurde, wie Curci sagt, &#x201E;&#x2014; einziges Beispiel in der Geschichte und<lb/>
auch einzig unter allen anderen Nationen &#x2014; ein christliches Volk der einzigen<lb/>
Waffe beraubt, welche es gesetzmäßig zu seiner Vertheidigung ergreisen könnte<lb/>
und (hier wird man gleich über die Grundanschauung des Verfassers klar<lb/>
werdeu!) ganz und gar dem Schacher der Ungläubigen und Atheisten überlassen,<lb/>
die es nun nach ihrem vollsten Belieben abschlachten können." Wie das<lb/>
italienische Volk über das &#x201E;Abschlachten" denkt, wenn es die Wahl hat zwischen<lb/>
dem päpstlichen Regiment und der nationalen Regierung, hat es durch sein<lb/>
Plebiscit vom Jahre 1871 bewiesen. Sehr mit Recht aber wirft Curci den<lb/>
Klerikalen entgegen: &#x201E;Jedenfalls ist es lächerlich sich zu beklagen, daß im<lb/>
Parlament und im Senat nach Art von Gottlosen geredet und gehandelt werde,<lb/>
nachdem man mit allen Mitteln verhindert hat, daß Christen dort eintreten."<lb/>
In der That halten die klerikalen Zeloten noch heute an der Taktik fest, durch<lb/>
Nichttheilnahme am Wählen und der Parlamentsthätigkeit auch gegen die Be¬<lb/>
rechtigung derselben schweigend zu protestiren, ja sie desavouiren Diejenigen,<lb/>
welche in der Kammer für die klerikalen Interessen sprechen, um sie nicht als<lb/>
Vertreter der Kirche erscheinen zu lassen. Dieser monströse Vorfall trug sich<lb/>
u. a. bei der vorjährigen Debatte über die Einschränkung der predigenden Geist¬<lb/>
lichen zu. Ein Redner, welcher energisch s ur Belassung der vollen Redefreiheit<lb/>
der Geistlichen gesprochen hatte, mußte sich deshalb von einem klerikalen Journal</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0226] Sehen wir nun zuerst, welche Schäden für Italien und die Kirche der Pciter Curci aus dem bisherigen Verhalten entsprossen sieht und welche ihm die Nothwendigkeit einer Umkehr der Curie zur Ueberzeugung gemacht haben. Man wird sagen müssen, daß er scharf gesehen und nicht weniger scharf ge¬ sprochen hat. Die Meinung der fanatischen Partei, durch deren Bestreitung Curci den Sturm der Verfolgung gegen sich heraufbeschworen hat, ging dahin, daß eine Restranration des Kirchenstaates zu erstreben und nahe bevorstehend sei. Nach seiner Meinung ist „diese Zuversicht, welche durch eine Fluth von falschen Schlüssen, Unverschämtheiten und Schmeicheleien sich zur Gewißheit eines Dogmas hat erheben wollen, gegenwärtig die Ursache der größten Uebel für die Kirche und Italien". Als die drei schwersten dieser Uebel bezeichnet er schon in seinem Briefe an den Papst die Nichttheilnahme der guten Katholiken am parlamentarischen Leben, die Entfremdung aller guten Patrioten von der Kirche, in welcher sie eine Feindin des einigen Vaterlandes sehen, und die Hinüberdrcingung der italienischen Regierung von dem durch die Curie earessirten Frankreich zu dem ketzerischen Deutschland. Bekanntlich war einer der ersten Züge der vatikanischen Taktik gegenüber dem neu constituirten Italien die Aus¬ gabe der Parole an die Kirchenfreunde: „Weder Wähler noch Gewählte!" Dadurch wurde, wie Curci sagt, „— einziges Beispiel in der Geschichte und auch einzig unter allen anderen Nationen — ein christliches Volk der einzigen Waffe beraubt, welche es gesetzmäßig zu seiner Vertheidigung ergreisen könnte und (hier wird man gleich über die Grundanschauung des Verfassers klar werdeu!) ganz und gar dem Schacher der Ungläubigen und Atheisten überlassen, die es nun nach ihrem vollsten Belieben abschlachten können." Wie das italienische Volk über das „Abschlachten" denkt, wenn es die Wahl hat zwischen dem päpstlichen Regiment und der nationalen Regierung, hat es durch sein Plebiscit vom Jahre 1871 bewiesen. Sehr mit Recht aber wirft Curci den Klerikalen entgegen: „Jedenfalls ist es lächerlich sich zu beklagen, daß im Parlament und im Senat nach Art von Gottlosen geredet und gehandelt werde, nachdem man mit allen Mitteln verhindert hat, daß Christen dort eintreten." In der That halten die klerikalen Zeloten noch heute an der Taktik fest, durch Nichttheilnahme am Wählen und der Parlamentsthätigkeit auch gegen die Be¬ rechtigung derselben schweigend zu protestiren, ja sie desavouiren Diejenigen, welche in der Kammer für die klerikalen Interessen sprechen, um sie nicht als Vertreter der Kirche erscheinen zu lassen. Dieser monströse Vorfall trug sich u. a. bei der vorjährigen Debatte über die Einschränkung der predigenden Geist¬ lichen zu. Ein Redner, welcher energisch s ur Belassung der vollen Redefreiheit der Geistlichen gesprochen hatte, mußte sich deshalb von einem klerikalen Journal

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/226
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/226>, abgerufen am 01.01.2025.