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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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zu seiner Bewaffnung sich mit einem Lilienstengel begnügen kann. Weil heut¬
zutage nicht blos, wie Herr Worthmaun selbst anerkennt "zu wenig Erfahrungen
mit der Gewiunbetheiligung gemacht sind, um daraus einen Schluß (!) zu
ziehen" -- sondern weil auch die ganze menschliche Natur dem tausendjährigen
Reiche noch zu fern steht. Selbst das erkennt Herr Wvrthmann an. Er sagt
wörtlich: "Es ist Wohl möglich, daß die Produktivassoziationen nicht eher zahl¬
reich aufblühen werde", bis die Kulturvölker soviel Selbstachtung und Disziplin
gelernt haben, daß sie einer von ihnen selbst gewählten Spitze denselben Ge¬
horsam zollen, wie jetzt dem Kronenträger, den der Zufall der Geburt über sie
gesetzt hat. Sobald aber die Produktivgenossenschaften durchgedrungen sind,
werden die Unternehmer die besseren Arbeiter durch Partnerschaften an
sich zu fesseln suchen. Es ist zu hoffen, daß dann die Produktivgenossen-
schaften auch nicht länger an der Klippe scheitern werden," daß die Leiter
des Unternehmens "ganz gewöhnliche Unternehmer geworden sind." Also wozu
der Lärm? Möge Herr Dr. Wvrthmann doch zunächst einmal abwarten, bis
die Produktivgenossenschaften "durchgedrungen" sein werden.

Am reichlichsten hat 'Herr Wvrthmann für unsere Heiterkeit im vierten
Abschnitt gesorgt. In dieser Hinsicht ist überhaupt die vorliegende Schrift
wirklich künstlerisch, nach dem Plane des besten Lustspiels, angelegt. Ans den
scheinbar ernstesten Dingen und der mürrischsten Laune heraus, versteht es
der Autor uns eine unversiegliche Quelle der Heiterkeit zu bereiten. .Hier han¬
delt es sich um "die Art, wie Treitschke den Sozialismus bekämpft, um die
Argumente, die Logik, den Ton, die Zweckmäßigkeit einer solchen Kampfes¬
weise." Der größte Theil des unillustrirten kouversationslexikalischen Geredes,
das Herr Wvrthmann hier zum Besten giebt, z. B. daß Plato auch ein Sozialist
gewesen, daß die "Begeisterung der s!) Menschenliebe ein schöner Zug ist," daß
"der edle Sozialismus das Herz auf dem rechten Aleck hat," daß "Franz
Duncker Bebel für einen überzeugungstreuen Mann erklärte" n. f. w. können
wir uns schenken. Der "Grundirrthum Treitschke's" in seiner Beurtheilung der
deutschen Sozialdemokratie besteht nach Wvrthmann ja doch darin, daß "in
Treitschke's Schriften noch immer das Gespenst einer frischen, fröhlichen Thei¬
lung umgehe, als der letzten Absicht der Sozialdemokratie, mit der sie nur ans
Furcht hinter dem Berge halte. Diese Hallucination des gefeierten Mannes
beweist nur, daß er die Arbeiter für viel albernere Thoren hält, als sie sind,
und daß er selbst das ABC der heutigen sozialistischen Theorie mit den heil¬
losesten Ausgeburten des Kommunismus verwechselt." Nachdem zuvor schon
Treitschke moralisch vernichtet worden ist durch das leuchtende Beispiel des
"wohlmeinenden rheinischen Pfarrers R. Schuster," der in einer selbst von
Herrn Worthmaun ais "ganz unwissenschaftlich" bezeichneten Schrift "davor


zu seiner Bewaffnung sich mit einem Lilienstengel begnügen kann. Weil heut¬
zutage nicht blos, wie Herr Worthmaun selbst anerkennt „zu wenig Erfahrungen
mit der Gewiunbetheiligung gemacht sind, um daraus einen Schluß (!) zu
ziehen" — sondern weil auch die ganze menschliche Natur dem tausendjährigen
Reiche noch zu fern steht. Selbst das erkennt Herr Wvrthmann an. Er sagt
wörtlich: „Es ist Wohl möglich, daß die Produktivassoziationen nicht eher zahl¬
reich aufblühen werde», bis die Kulturvölker soviel Selbstachtung und Disziplin
gelernt haben, daß sie einer von ihnen selbst gewählten Spitze denselben Ge¬
horsam zollen, wie jetzt dem Kronenträger, den der Zufall der Geburt über sie
gesetzt hat. Sobald aber die Produktivgenossenschaften durchgedrungen sind,
werden die Unternehmer die besseren Arbeiter durch Partnerschaften an
sich zu fesseln suchen. Es ist zu hoffen, daß dann die Produktivgenossen-
schaften auch nicht länger an der Klippe scheitern werden," daß die Leiter
des Unternehmens „ganz gewöhnliche Unternehmer geworden sind." Also wozu
der Lärm? Möge Herr Dr. Wvrthmann doch zunächst einmal abwarten, bis
die Produktivgenossenschaften „durchgedrungen" sein werden.

Am reichlichsten hat 'Herr Wvrthmann für unsere Heiterkeit im vierten
Abschnitt gesorgt. In dieser Hinsicht ist überhaupt die vorliegende Schrift
wirklich künstlerisch, nach dem Plane des besten Lustspiels, angelegt. Ans den
scheinbar ernstesten Dingen und der mürrischsten Laune heraus, versteht es
der Autor uns eine unversiegliche Quelle der Heiterkeit zu bereiten. .Hier han¬
delt es sich um „die Art, wie Treitschke den Sozialismus bekämpft, um die
Argumente, die Logik, den Ton, die Zweckmäßigkeit einer solchen Kampfes¬
weise." Der größte Theil des unillustrirten kouversationslexikalischen Geredes,
das Herr Wvrthmann hier zum Besten giebt, z. B. daß Plato auch ein Sozialist
gewesen, daß die „Begeisterung der s!) Menschenliebe ein schöner Zug ist," daß
»der edle Sozialismus das Herz auf dem rechten Aleck hat," daß „Franz
Duncker Bebel für einen überzeugungstreuen Mann erklärte" n. f. w. können
wir uns schenken. Der „Grundirrthum Treitschke's" in seiner Beurtheilung der
deutschen Sozialdemokratie besteht nach Wvrthmann ja doch darin, daß „in
Treitschke's Schriften noch immer das Gespenst einer frischen, fröhlichen Thei¬
lung umgehe, als der letzten Absicht der Sozialdemokratie, mit der sie nur ans
Furcht hinter dem Berge halte. Diese Hallucination des gefeierten Mannes
beweist nur, daß er die Arbeiter für viel albernere Thoren hält, als sie sind,
und daß er selbst das ABC der heutigen sozialistischen Theorie mit den heil¬
losesten Ausgeburten des Kommunismus verwechselt." Nachdem zuvor schon
Treitschke moralisch vernichtet worden ist durch das leuchtende Beispiel des
„wohlmeinenden rheinischen Pfarrers R. Schuster," der in einer selbst von
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/201>, abgerufen am 01.09.2024.