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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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welche mir in allen Stücken vorgeht." -- Uebrigens klangen diese Briefe mit¬
unter nach der demonstrativen Methode.

"Mein Herz verlangt nach Glück. Es ist zu zart, um Befriedigung im
Genuß von Dingen zu finden, die nnr die Sinne und die Einbildungskraft
auf kurze Zeit reizen können. Seine Sehnsucht ist geistiger Natur. -- Auch
durch die Wissenschaften wird sie nicht gestillt. Ich sehe da zuviel Dunkel,
zuviel Gewölk. Es fehlt zu sehr an Mitteln, die Penetration der Sinne und
des Geistes zu vermehren; die Sehnsucht meines Herzens kann also anch hie-
durch nicht gestillt werden. -- Zufolge der Beschränktheit meiner Natur stehe
ich vou dem vollkommensten Wesen zu weit ab, und ich bin unfähig, die er¬
habnen Vergnügen zu schmecken, in denen vollkommenere Wesen als ich in
einer andern, dem Thron der Gottheit näheren Welt ihr ganzes Glück finden.
Es ist demnach ein Geschöpf, welches das Werkzeug meines Glücks in
dieser Welt sein muß. Es muß eine Person sein von viel Liebreiz und
Schönheit, sowohl um die Augen und die Einbildungskraft zu entzücken, als
um, einem schönen Gegenstand gegenüber, die Fähigkeit des Geistes, Schön¬
heiten zu bemerken und zu beurtheilen, kurz, seinen Geschmack zu zeigen.
Diese Person muß aber auch Feinheit, Ernst und Gehalt des Geistes haben____
u. s. w. -- Da haben Sie das Gemälde der Person, die mein größtes Gut
in dieser Welt, die Quelle aller meiner Freuden sein muß. O und wünschen
Sie mir Glück, meine innig geliebte Sophie! Nicht ein Zug ist in meinem
Gemälde, der sich uicht in Ihnen, nur schöner und vollkommener, funde. --
O, was ist es für ein Glück, eine Person wie Sie zu lieben! wie froh bin
ich, daß ich mich stark genug empfinde, tausend Leben, wenn ich sie hätte, für
Sie aufzuopfern!"'"

Am meisten bezeichnet Wielands damalige Richtung der "Amel-Ovid,
Mai 1752. "Ein unaussprechlich Was (u.U. Sö-is pu,ol), ein unsichtbarer
Zwang verräth beim ersten Blick den unbewußter Hang einander zugedachter
Seelen. Schon dort in jenem Raum, wo wir vor diesem Leben in einem
himmlischen Gewand gleich jungen Liebesgöttern schweben, schon dort verknüpft der
reinen Liebe Hand die schwach empfindenden und gleichgestimmten Seelen. Oft
schlummern sie umarmt in jungen Rosen ein, oft weinen sie beim Lied äthe¬
rischer Philomelen voll zärtlichen Gefühls, wozu die Worte fehlen, und sehnen
sich, geliebt zu sein. Hier ist's, wo unter süßen Küssen in ihre weiche Brust
die sanften Triebe fließen, wovon sie oft erstaunt und seufzend überwallt, eh'
sie in dieser Welt sich finden. In Träumen sehn wir oft die himmlische Ge¬
stalt der Freundin vor uns stehn, wie sie in stillen Gründen, gelockt vom West,
die Einsamkeit am Frühlingsabend sucht; sie irrt, sie scheint zerstrent, sie bleibt
zuletzt tief in Gedanken stehn, ihr schmachtend Auge sucht den unbekannten


welche mir in allen Stücken vorgeht." — Uebrigens klangen diese Briefe mit¬
unter nach der demonstrativen Methode.

„Mein Herz verlangt nach Glück. Es ist zu zart, um Befriedigung im
Genuß von Dingen zu finden, die nnr die Sinne und die Einbildungskraft
auf kurze Zeit reizen können. Seine Sehnsucht ist geistiger Natur. — Auch
durch die Wissenschaften wird sie nicht gestillt. Ich sehe da zuviel Dunkel,
zuviel Gewölk. Es fehlt zu sehr an Mitteln, die Penetration der Sinne und
des Geistes zu vermehren; die Sehnsucht meines Herzens kann also anch hie-
durch nicht gestillt werden. — Zufolge der Beschränktheit meiner Natur stehe
ich vou dem vollkommensten Wesen zu weit ab, und ich bin unfähig, die er¬
habnen Vergnügen zu schmecken, in denen vollkommenere Wesen als ich in
einer andern, dem Thron der Gottheit näheren Welt ihr ganzes Glück finden.
Es ist demnach ein Geschöpf, welches das Werkzeug meines Glücks in
dieser Welt sein muß. Es muß eine Person sein von viel Liebreiz und
Schönheit, sowohl um die Augen und die Einbildungskraft zu entzücken, als
um, einem schönen Gegenstand gegenüber, die Fähigkeit des Geistes, Schön¬
heiten zu bemerken und zu beurtheilen, kurz, seinen Geschmack zu zeigen.
Diese Person muß aber auch Feinheit, Ernst und Gehalt des Geistes haben____
u. s. w. — Da haben Sie das Gemälde der Person, die mein größtes Gut
in dieser Welt, die Quelle aller meiner Freuden sein muß. O und wünschen
Sie mir Glück, meine innig geliebte Sophie! Nicht ein Zug ist in meinem
Gemälde, der sich uicht in Ihnen, nur schöner und vollkommener, funde. —
O, was ist es für ein Glück, eine Person wie Sie zu lieben! wie froh bin
ich, daß ich mich stark genug empfinde, tausend Leben, wenn ich sie hätte, für
Sie aufzuopfern!"'"

Am meisten bezeichnet Wielands damalige Richtung der „Amel-Ovid,
Mai 1752. „Ein unaussprechlich Was (u.U. Sö-is pu,ol), ein unsichtbarer
Zwang verräth beim ersten Blick den unbewußter Hang einander zugedachter
Seelen. Schon dort in jenem Raum, wo wir vor diesem Leben in einem
himmlischen Gewand gleich jungen Liebesgöttern schweben, schon dort verknüpft der
reinen Liebe Hand die schwach empfindenden und gleichgestimmten Seelen. Oft
schlummern sie umarmt in jungen Rosen ein, oft weinen sie beim Lied äthe¬
rischer Philomelen voll zärtlichen Gefühls, wozu die Worte fehlen, und sehnen
sich, geliebt zu sein. Hier ist's, wo unter süßen Küssen in ihre weiche Brust
die sanften Triebe fließen, wovon sie oft erstaunt und seufzend überwallt, eh'
sie in dieser Welt sich finden. In Träumen sehn wir oft die himmlische Ge¬
stalt der Freundin vor uns stehn, wie sie in stillen Gründen, gelockt vom West,
die Einsamkeit am Frühlingsabend sucht; sie irrt, sie scheint zerstrent, sie bleibt
zuletzt tief in Gedanken stehn, ihr schmachtend Auge sucht den unbekannten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/20>, abgerufen am 29.12.2024.