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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Dom deutschen Keichstage.

Den Hauptgegenstand der parlamentarischen Verhandlungen in der abge¬
laufenen Woche bildete die dritte Berathung des Reichshaushaltetats. Sie
ging ziemlich glatt vorüber. Mehrere Positionen, welche in der zweiten Lesung
abgelehnt waren, fanden diesmal eine günstigere Stimmung vor. So die
Forderung von 100,000 Mark zur Unterstützung der Asrikaforschungeu. Auch
der Beitrag des Reichs zu den Kosten des Collegiengebäudes der Universität
Straßburg, welcher in der zweiten Berathung von 600,000 Mark auf 100,000
Mark wegen der wenig befriedigenden Gestalt der vorgelegten Pläne herabge¬
setzt war, wurde auf 300,000 Mark erhöht. Sogar der künstlichen Fischzucht
kam die Gunst des Hauses zu Statten, indem die Unterstützung für den be¬
treffenden Verein, welche man in der zweiten Lesung auf die Hälfte geschmä¬
lert Hütte, in der früheren Höhe von 20,000 Mark wiederhergestellt ward. An
anderen Punkten dagegen, wie z. B. bezüglich der Forderung behufs einer Ge¬
haltserhöhung der Postrüthe, behielt es bei den ablehnenden Beschlüssen der
Zweiten Lesung sein Bewenden. Auch der von Seiten der Regierung und der
Eonservativen nochmals gemachte Versuch, den vom Hause für die Veran¬
schlagung des Ertrages der Zölle und Verbrauchssteuern acceptirten Modus^
in Folge dessen dieser Ertrag bekanntlich um cirea 5 Millionen Mark höher
angesetzt wurde, rückgängig zu machen, blieb ohne Erfolg. Andererseits wurde
der Antheil des Reiches an dem Reingewinn der Reichsbank noch um ^/z
Million Mark höher angenommen, so daß trotz der verschiedenen Mehrbe-
unlligungen der dritten Lesung schließlich doch nur eine ganz unerhebliche wei¬
tere Steigerung der Matrikularbeträge erforderlich war. Zu den Mehrbe¬
willigungen gehört auch die in der Form eines Nachtragsetats eingebrachte
Personalerweiterung der Reichsfinanzverwaltung. Es handelt sich dabei um
die Abzweigung dieser Verwaltung von dem Reichskanzleramt, beziehungsweise
um die Errichtung eines eigenen Reichsschatzamts. Es lag kein Grund vor,
diese Organisationsänderung zu verweigern, wenn auch in dem neugeschaffenen
Unterstaatssecretär der früher geträumte Reichsfinanzminister selbstverständlich
nicht erblickt werden kann. Außerdem ist die Forderung des Nachtragsetats
von 35,000 Mark für die bauliche Einrichtung des Reichsgerichts in Leipzig in der
dritten Lesung noch in den Etat mit aufgenommen worden. Dagegen wurde
die Position für ein Gebäude der kaiserlichen Misston in Tokio abgelehnt.

Eine Frage von nicht geringer socialpolitischer Tragweite beschäftigte das


Dom deutschen Keichstage.

Den Hauptgegenstand der parlamentarischen Verhandlungen in der abge¬
laufenen Woche bildete die dritte Berathung des Reichshaushaltetats. Sie
ging ziemlich glatt vorüber. Mehrere Positionen, welche in der zweiten Lesung
abgelehnt waren, fanden diesmal eine günstigere Stimmung vor. So die
Forderung von 100,000 Mark zur Unterstützung der Asrikaforschungeu. Auch
der Beitrag des Reichs zu den Kosten des Collegiengebäudes der Universität
Straßburg, welcher in der zweiten Berathung von 600,000 Mark auf 100,000
Mark wegen der wenig befriedigenden Gestalt der vorgelegten Pläne herabge¬
setzt war, wurde auf 300,000 Mark erhöht. Sogar der künstlichen Fischzucht
kam die Gunst des Hauses zu Statten, indem die Unterstützung für den be¬
treffenden Verein, welche man in der zweiten Lesung auf die Hälfte geschmä¬
lert Hütte, in der früheren Höhe von 20,000 Mark wiederhergestellt ward. An
anderen Punkten dagegen, wie z. B. bezüglich der Forderung behufs einer Ge¬
haltserhöhung der Postrüthe, behielt es bei den ablehnenden Beschlüssen der
Zweiten Lesung sein Bewenden. Auch der von Seiten der Regierung und der
Eonservativen nochmals gemachte Versuch, den vom Hause für die Veran¬
schlagung des Ertrages der Zölle und Verbrauchssteuern acceptirten Modus^
in Folge dessen dieser Ertrag bekanntlich um cirea 5 Millionen Mark höher
angesetzt wurde, rückgängig zu machen, blieb ohne Erfolg. Andererseits wurde
der Antheil des Reiches an dem Reingewinn der Reichsbank noch um ^/z
Million Mark höher angenommen, so daß trotz der verschiedenen Mehrbe-
unlligungen der dritten Lesung schließlich doch nur eine ganz unerhebliche wei¬
tere Steigerung der Matrikularbeträge erforderlich war. Zu den Mehrbe¬
willigungen gehört auch die in der Form eines Nachtragsetats eingebrachte
Personalerweiterung der Reichsfinanzverwaltung. Es handelt sich dabei um
die Abzweigung dieser Verwaltung von dem Reichskanzleramt, beziehungsweise
um die Errichtung eines eigenen Reichsschatzamts. Es lag kein Grund vor,
diese Organisationsänderung zu verweigern, wenn auch in dem neugeschaffenen
Unterstaatssecretär der früher geträumte Reichsfinanzminister selbstverständlich
nicht erblickt werden kann. Außerdem ist die Forderung des Nachtragsetats
von 35,000 Mark für die bauliche Einrichtung des Reichsgerichts in Leipzig in der
dritten Lesung noch in den Etat mit aufgenommen worden. Dagegen wurde
die Position für ein Gebäude der kaiserlichen Misston in Tokio abgelehnt.

Eine Frage von nicht geringer socialpolitischer Tragweite beschäftigte das


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[0155] Dom deutschen Keichstage. Den Hauptgegenstand der parlamentarischen Verhandlungen in der abge¬ laufenen Woche bildete die dritte Berathung des Reichshaushaltetats. Sie ging ziemlich glatt vorüber. Mehrere Positionen, welche in der zweiten Lesung abgelehnt waren, fanden diesmal eine günstigere Stimmung vor. So die Forderung von 100,000 Mark zur Unterstützung der Asrikaforschungeu. Auch der Beitrag des Reichs zu den Kosten des Collegiengebäudes der Universität Straßburg, welcher in der zweiten Berathung von 600,000 Mark auf 100,000 Mark wegen der wenig befriedigenden Gestalt der vorgelegten Pläne herabge¬ setzt war, wurde auf 300,000 Mark erhöht. Sogar der künstlichen Fischzucht kam die Gunst des Hauses zu Statten, indem die Unterstützung für den be¬ treffenden Verein, welche man in der zweiten Lesung auf die Hälfte geschmä¬ lert Hütte, in der früheren Höhe von 20,000 Mark wiederhergestellt ward. An anderen Punkten dagegen, wie z. B. bezüglich der Forderung behufs einer Ge¬ haltserhöhung der Postrüthe, behielt es bei den ablehnenden Beschlüssen der Zweiten Lesung sein Bewenden. Auch der von Seiten der Regierung und der Eonservativen nochmals gemachte Versuch, den vom Hause für die Veran¬ schlagung des Ertrages der Zölle und Verbrauchssteuern acceptirten Modus^ in Folge dessen dieser Ertrag bekanntlich um cirea 5 Millionen Mark höher angesetzt wurde, rückgängig zu machen, blieb ohne Erfolg. Andererseits wurde der Antheil des Reiches an dem Reingewinn der Reichsbank noch um ^/z Million Mark höher angenommen, so daß trotz der verschiedenen Mehrbe- unlligungen der dritten Lesung schließlich doch nur eine ganz unerhebliche wei¬ tere Steigerung der Matrikularbeträge erforderlich war. Zu den Mehrbe¬ willigungen gehört auch die in der Form eines Nachtragsetats eingebrachte Personalerweiterung der Reichsfinanzverwaltung. Es handelt sich dabei um die Abzweigung dieser Verwaltung von dem Reichskanzleramt, beziehungsweise um die Errichtung eines eigenen Reichsschatzamts. Es lag kein Grund vor, diese Organisationsänderung zu verweigern, wenn auch in dem neugeschaffenen Unterstaatssecretär der früher geträumte Reichsfinanzminister selbstverständlich nicht erblickt werden kann. Außerdem ist die Forderung des Nachtragsetats von 35,000 Mark für die bauliche Einrichtung des Reichsgerichts in Leipzig in der dritten Lesung noch in den Etat mit aufgenommen worden. Dagegen wurde die Position für ein Gebäude der kaiserlichen Misston in Tokio abgelehnt. Eine Frage von nicht geringer socialpolitischer Tragweite beschäftigte das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/155>, abgerufen am 09.11.2024.