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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Was aber haben jene fünf runden Gebäude zu bedeuten, die sich geheim-
nißvoll aus dem dunklen Blattgrün abheben? Es sind einfache Maurerarbeiten,
massiv genug um Jahrhunderten zu widerstehen, aus hartem schwarzem Granit
erbaut und mit weißem Kalk übertüncht. Thürme können sie eigentlich kaum
genannt werden, denn ihre Höhe steht nicht im Verhältniß zu dem bedeutenden
Durchmesser. Der höchste ist nur 25 Fuß hoch bei 40 Fuß Durchmesser.
Der älteste und kleinste wurde vor zweihundert Jahren erbaut, als die Parsis
sich zuerst in Bombay niederließen und wird uun allem zur Bestattung von
Mitgliedern der Familie Modi benutzt, deren Vorfahren ihn erbauten und
deren Knochen hier, Generation auf Geueration zusammengehäuft, friedlich
ruhen. Der Zweitälteste Thurm wurde 1756 erbaut und die anderen drei in
diesem Jahrhundert. Ein sechster, viereckiger Thurm steht isolirt von den an¬
deren; er dient zur Bestattung jener Parsis, die wegen Verbrechen hinge¬
richtet wurden.

Der merkwürdigste Anblick, den diese von herrlichem Palmengrün um¬
gebenen Thürme gewähren, muß aber noch erwähnt werden. Obgleich ihnen
jegliche Verzierung fehlt, so besitzen sie doch ein Ornament, welches jeder anderen
Baulichkeit fehlt und sofort die Aufmerksamkeit des Beschauers erweckt; auf
dem oberen Rande nämlich sitzt ringsherum ein Kreuz lebender Geier. Dicht
neben einander, geordnet wie eine Kompagnie Soldaten, kaum eine Lücke
zwischen sich lassend, sitzen die Vögel auf dem Sims, alle die Köpfe nach
innen gewandt. Still, bewegungslos sitzen sie da, wie aus Stein gehauen,
als wären sie ein Theil des Thurmes selbst. So erscheinen die Thürme von
Außen. Nachdem sie einmal mit feierlichen Zeremonien zu ihrem Zwecke ge¬
heiligt worden, darf Niemand außer den Leichenträgern sie wieder betreten und
nicht einmal der hohe Priester der Parsis darf ihnen sich mehr als auf dreißig
Schritte nähern. Jedoch existirt ein genaues Modell ihrer inneren Einrichtung,
das Prof. Williams gezeigt wurde.

Man stelle sich eine runde Säule oder einen massiven Cylinder von 12
bis 14 Fuß Höhe und wenigstens 40 Fuß Durchmesser vor, welcher durchaus
aus festem Gestein erbaut ist, ausgenommen in der Mitte, wo ein fünf bis
sechs Fuß breiter Schacht hinab zu einer Aushöhlung im Mauerwerk führt,
die vier Kanäle hat, welche an ihren Enden mit Holzkohlen verstopft sind.
Rings um den Obertheil des festen Steinthurmes ist eine 10 bis 12 Fuß hohe
Steinmauer aufgeführt, welche das Innere vor jedem neugierigen Blicke schützt.
Von außen gesehen erscheint diese nur dünne Mauer wie eine Fortsetzung des
Thurmes selbst. Der obere Theil der festen Steinsäule ist in 72 Abtheilungen
oder offene Rezeptakeln zerlegt, die wie die Speichen eines Rades von dem
Schacht im Innern ausgehen und in drei konzentrische Ringe angeordnet sind,


Was aber haben jene fünf runden Gebäude zu bedeuten, die sich geheim-
nißvoll aus dem dunklen Blattgrün abheben? Es sind einfache Maurerarbeiten,
massiv genug um Jahrhunderten zu widerstehen, aus hartem schwarzem Granit
erbaut und mit weißem Kalk übertüncht. Thürme können sie eigentlich kaum
genannt werden, denn ihre Höhe steht nicht im Verhältniß zu dem bedeutenden
Durchmesser. Der höchste ist nur 25 Fuß hoch bei 40 Fuß Durchmesser.
Der älteste und kleinste wurde vor zweihundert Jahren erbaut, als die Parsis
sich zuerst in Bombay niederließen und wird uun allem zur Bestattung von
Mitgliedern der Familie Modi benutzt, deren Vorfahren ihn erbauten und
deren Knochen hier, Generation auf Geueration zusammengehäuft, friedlich
ruhen. Der Zweitälteste Thurm wurde 1756 erbaut und die anderen drei in
diesem Jahrhundert. Ein sechster, viereckiger Thurm steht isolirt von den an¬
deren; er dient zur Bestattung jener Parsis, die wegen Verbrechen hinge¬
richtet wurden.

Der merkwürdigste Anblick, den diese von herrlichem Palmengrün um¬
gebenen Thürme gewähren, muß aber noch erwähnt werden. Obgleich ihnen
jegliche Verzierung fehlt, so besitzen sie doch ein Ornament, welches jeder anderen
Baulichkeit fehlt und sofort die Aufmerksamkeit des Beschauers erweckt; auf
dem oberen Rande nämlich sitzt ringsherum ein Kreuz lebender Geier. Dicht
neben einander, geordnet wie eine Kompagnie Soldaten, kaum eine Lücke
zwischen sich lassend, sitzen die Vögel auf dem Sims, alle die Köpfe nach
innen gewandt. Still, bewegungslos sitzen sie da, wie aus Stein gehauen,
als wären sie ein Theil des Thurmes selbst. So erscheinen die Thürme von
Außen. Nachdem sie einmal mit feierlichen Zeremonien zu ihrem Zwecke ge¬
heiligt worden, darf Niemand außer den Leichenträgern sie wieder betreten und
nicht einmal der hohe Priester der Parsis darf ihnen sich mehr als auf dreißig
Schritte nähern. Jedoch existirt ein genaues Modell ihrer inneren Einrichtung,
das Prof. Williams gezeigt wurde.

Man stelle sich eine runde Säule oder einen massiven Cylinder von 12
bis 14 Fuß Höhe und wenigstens 40 Fuß Durchmesser vor, welcher durchaus
aus festem Gestein erbaut ist, ausgenommen in der Mitte, wo ein fünf bis
sechs Fuß breiter Schacht hinab zu einer Aushöhlung im Mauerwerk führt,
die vier Kanäle hat, welche an ihren Enden mit Holzkohlen verstopft sind.
Rings um den Obertheil des festen Steinthurmes ist eine 10 bis 12 Fuß hohe
Steinmauer aufgeführt, welche das Innere vor jedem neugierigen Blicke schützt.
Von außen gesehen erscheint diese nur dünne Mauer wie eine Fortsetzung des
Thurmes selbst. Der obere Theil der festen Steinsäule ist in 72 Abtheilungen
oder offene Rezeptakeln zerlegt, die wie die Speichen eines Rades von dem
Schacht im Innern ausgehen und in drei konzentrische Ringe angeordnet sind,


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[0152] Was aber haben jene fünf runden Gebäude zu bedeuten, die sich geheim- nißvoll aus dem dunklen Blattgrün abheben? Es sind einfache Maurerarbeiten, massiv genug um Jahrhunderten zu widerstehen, aus hartem schwarzem Granit erbaut und mit weißem Kalk übertüncht. Thürme können sie eigentlich kaum genannt werden, denn ihre Höhe steht nicht im Verhältniß zu dem bedeutenden Durchmesser. Der höchste ist nur 25 Fuß hoch bei 40 Fuß Durchmesser. Der älteste und kleinste wurde vor zweihundert Jahren erbaut, als die Parsis sich zuerst in Bombay niederließen und wird uun allem zur Bestattung von Mitgliedern der Familie Modi benutzt, deren Vorfahren ihn erbauten und deren Knochen hier, Generation auf Geueration zusammengehäuft, friedlich ruhen. Der Zweitälteste Thurm wurde 1756 erbaut und die anderen drei in diesem Jahrhundert. Ein sechster, viereckiger Thurm steht isolirt von den an¬ deren; er dient zur Bestattung jener Parsis, die wegen Verbrechen hinge¬ richtet wurden. Der merkwürdigste Anblick, den diese von herrlichem Palmengrün um¬ gebenen Thürme gewähren, muß aber noch erwähnt werden. Obgleich ihnen jegliche Verzierung fehlt, so besitzen sie doch ein Ornament, welches jeder anderen Baulichkeit fehlt und sofort die Aufmerksamkeit des Beschauers erweckt; auf dem oberen Rande nämlich sitzt ringsherum ein Kreuz lebender Geier. Dicht neben einander, geordnet wie eine Kompagnie Soldaten, kaum eine Lücke zwischen sich lassend, sitzen die Vögel auf dem Sims, alle die Köpfe nach innen gewandt. Still, bewegungslos sitzen sie da, wie aus Stein gehauen, als wären sie ein Theil des Thurmes selbst. So erscheinen die Thürme von Außen. Nachdem sie einmal mit feierlichen Zeremonien zu ihrem Zwecke ge¬ heiligt worden, darf Niemand außer den Leichenträgern sie wieder betreten und nicht einmal der hohe Priester der Parsis darf ihnen sich mehr als auf dreißig Schritte nähern. Jedoch existirt ein genaues Modell ihrer inneren Einrichtung, das Prof. Williams gezeigt wurde. Man stelle sich eine runde Säule oder einen massiven Cylinder von 12 bis 14 Fuß Höhe und wenigstens 40 Fuß Durchmesser vor, welcher durchaus aus festem Gestein erbaut ist, ausgenommen in der Mitte, wo ein fünf bis sechs Fuß breiter Schacht hinab zu einer Aushöhlung im Mauerwerk führt, die vier Kanäle hat, welche an ihren Enden mit Holzkohlen verstopft sind. Rings um den Obertheil des festen Steinthurmes ist eine 10 bis 12 Fuß hohe Steinmauer aufgeführt, welche das Innere vor jedem neugierigen Blicke schützt. Von außen gesehen erscheint diese nur dünne Mauer wie eine Fortsetzung des Thurmes selbst. Der obere Theil der festen Steinsäule ist in 72 Abtheilungen oder offene Rezeptakeln zerlegt, die wie die Speichen eines Rades von dem Schacht im Innern ausgehen und in drei konzentrische Ringe angeordnet sind,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/152>, abgerufen am 01.09.2024.