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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Außerdem mochte aber "der Prinz von Homburg" auch um deswillen
für die Meininger Bühne als besonders geeignet erscheinen, weil der Dichter
desselben keine Person des Stücks so wesentlich in den Vordergrund gestellt hat,
daß sie das Interesse ausschließlich oder doch überwiegend in Anspruch nähme.
Der große Kurfürst (Herr Hasper), sein Feldmarschall Derfling (Herr Teller),
der Prinz von Homburg (Herr Kcnnz), der alte Oberst Kvttwitz (Herr Hell-
muth-Bräu), die Kurfürstin (Frau Berg) und die Prinzessin Natalie von Ora-
nien (Frl. Pauli), das sind Gestalten, die den Zuschauer gleichmäßig fesseln,
wenn sie in dieser ebenso charakteristischen, als maßvollen Weise dargestellt
werden, wie auf dem Meininger Hoftheater, bei welchem der Schwerpunkt be¬
kanntlich nicht in den Einzelleistungen sondern in der Gesamtdarstellung liegt.

Endlich, -- last not least -- bietet unser Stück gerade den Meiningern
die beste Gelegenheit dar, eine Probe von jener brillanten miss ör>, se-üirs zu
liefern, welche auf ihren Gastspielen anfangs soviel getadelt und schließlich doch
so allgemein bewundert worden ist. In diesem Zusammenwirken von präch¬
tiger Dekoration und historisch treuer Kostümirung, von malerisch schöner
Gruppirung und präzisen Zusammenspiel steht nun einmal die Meininger
Bühne eigenartig da. So ist gleich die erste Szene des ersten Aktes in dem
vom Mondlicht übergossenen Schloßgarten von Fehrbellin, wo der Prinz von
dem Kurfürsten und seinem Gefolge träumend gefunden wird, ganz reizend ar-
rangirt. Mit außerordentlichem Fleiß ist dann die weitere Expositionsfzene
des ersten Aktes einstudirt, die uns den Marschall Derfling und seinen Stab,
welchem ersterer den Schlachtplan für den folgenden Tag diktirt, dann die
Kurfürstin und die Prinzessin Natalie, welche sich von dem Kurfürsten verab¬
schieden, und den noch halb im Traume befangenen Prinzen vorführt, welcher
zu seinem Verhängniß die Ordre, die ihm ertheilt wird, zerstreut, wie er ist,
nicht beachtet, indem er seine Aufmerksamkeit der Prinzessin zuwendet. Diese
Szene, in welcher die verschiedenen Handlungen neben einander her und in
einander laufen, wird uns erst durch die Darstellung auf der Bühne völlig
verständlich; sie ist eine glänzende Probe von dem geschickten und gediegenen
Zusammenspiel der Meininger Hofschauspieler. Auch die Szenen ans dem
Schlachtfeld von Fehrbellin, die Leichenfeier Frobens, allerdings ein recht
eigentliches dors 6,'oso.vrs, und die Schlußszene im Garten sind höchst wir¬
kungsvoll.

Auch jener Szene ist zu gedenken, in welcher der zum Tod verurtheilte Prinz
in der Angst des Todes die Kurfürstin um Rettung ansieht; eine Szene, um
derentwillen Kleist oft und hart getadelt worden ist, weil man sie eines Helden
unwürdig fand. Der Prinz hat sein Grab bereiten sehen, welches am nächsten
Tage die Leiche des Verurtheilten aufnehmen soll; er hat im Schrecken des


Außerdem mochte aber „der Prinz von Homburg" auch um deswillen
für die Meininger Bühne als besonders geeignet erscheinen, weil der Dichter
desselben keine Person des Stücks so wesentlich in den Vordergrund gestellt hat,
daß sie das Interesse ausschließlich oder doch überwiegend in Anspruch nähme.
Der große Kurfürst (Herr Hasper), sein Feldmarschall Derfling (Herr Teller),
der Prinz von Homburg (Herr Kcnnz), der alte Oberst Kvttwitz (Herr Hell-
muth-Bräu), die Kurfürstin (Frau Berg) und die Prinzessin Natalie von Ora-
nien (Frl. Pauli), das sind Gestalten, die den Zuschauer gleichmäßig fesseln,
wenn sie in dieser ebenso charakteristischen, als maßvollen Weise dargestellt
werden, wie auf dem Meininger Hoftheater, bei welchem der Schwerpunkt be¬
kanntlich nicht in den Einzelleistungen sondern in der Gesamtdarstellung liegt.

Endlich, — last not least — bietet unser Stück gerade den Meiningern
die beste Gelegenheit dar, eine Probe von jener brillanten miss ör>, se-üirs zu
liefern, welche auf ihren Gastspielen anfangs soviel getadelt und schließlich doch
so allgemein bewundert worden ist. In diesem Zusammenwirken von präch¬
tiger Dekoration und historisch treuer Kostümirung, von malerisch schöner
Gruppirung und präzisen Zusammenspiel steht nun einmal die Meininger
Bühne eigenartig da. So ist gleich die erste Szene des ersten Aktes in dem
vom Mondlicht übergossenen Schloßgarten von Fehrbellin, wo der Prinz von
dem Kurfürsten und seinem Gefolge träumend gefunden wird, ganz reizend ar-
rangirt. Mit außerordentlichem Fleiß ist dann die weitere Expositionsfzene
des ersten Aktes einstudirt, die uns den Marschall Derfling und seinen Stab,
welchem ersterer den Schlachtplan für den folgenden Tag diktirt, dann die
Kurfürstin und die Prinzessin Natalie, welche sich von dem Kurfürsten verab¬
schieden, und den noch halb im Traume befangenen Prinzen vorführt, welcher
zu seinem Verhängniß die Ordre, die ihm ertheilt wird, zerstreut, wie er ist,
nicht beachtet, indem er seine Aufmerksamkeit der Prinzessin zuwendet. Diese
Szene, in welcher die verschiedenen Handlungen neben einander her und in
einander laufen, wird uns erst durch die Darstellung auf der Bühne völlig
verständlich; sie ist eine glänzende Probe von dem geschickten und gediegenen
Zusammenspiel der Meininger Hofschauspieler. Auch die Szenen ans dem
Schlachtfeld von Fehrbellin, die Leichenfeier Frobens, allerdings ein recht
eigentliches dors 6,'oso.vrs, und die Schlußszene im Garten sind höchst wir¬
kungsvoll.

Auch jener Szene ist zu gedenken, in welcher der zum Tod verurtheilte Prinz
in der Angst des Todes die Kurfürstin um Rettung ansieht; eine Szene, um
derentwillen Kleist oft und hart getadelt worden ist, weil man sie eines Helden
unwürdig fand. Der Prinz hat sein Grab bereiten sehen, welches am nächsten
Tage die Leiche des Verurtheilten aufnehmen soll; er hat im Schrecken des


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[0148] Außerdem mochte aber „der Prinz von Homburg" auch um deswillen für die Meininger Bühne als besonders geeignet erscheinen, weil der Dichter desselben keine Person des Stücks so wesentlich in den Vordergrund gestellt hat, daß sie das Interesse ausschließlich oder doch überwiegend in Anspruch nähme. Der große Kurfürst (Herr Hasper), sein Feldmarschall Derfling (Herr Teller), der Prinz von Homburg (Herr Kcnnz), der alte Oberst Kvttwitz (Herr Hell- muth-Bräu), die Kurfürstin (Frau Berg) und die Prinzessin Natalie von Ora- nien (Frl. Pauli), das sind Gestalten, die den Zuschauer gleichmäßig fesseln, wenn sie in dieser ebenso charakteristischen, als maßvollen Weise dargestellt werden, wie auf dem Meininger Hoftheater, bei welchem der Schwerpunkt be¬ kanntlich nicht in den Einzelleistungen sondern in der Gesamtdarstellung liegt. Endlich, — last not least — bietet unser Stück gerade den Meiningern die beste Gelegenheit dar, eine Probe von jener brillanten miss ör>, se-üirs zu liefern, welche auf ihren Gastspielen anfangs soviel getadelt und schließlich doch so allgemein bewundert worden ist. In diesem Zusammenwirken von präch¬ tiger Dekoration und historisch treuer Kostümirung, von malerisch schöner Gruppirung und präzisen Zusammenspiel steht nun einmal die Meininger Bühne eigenartig da. So ist gleich die erste Szene des ersten Aktes in dem vom Mondlicht übergossenen Schloßgarten von Fehrbellin, wo der Prinz von dem Kurfürsten und seinem Gefolge träumend gefunden wird, ganz reizend ar- rangirt. Mit außerordentlichem Fleiß ist dann die weitere Expositionsfzene des ersten Aktes einstudirt, die uns den Marschall Derfling und seinen Stab, welchem ersterer den Schlachtplan für den folgenden Tag diktirt, dann die Kurfürstin und die Prinzessin Natalie, welche sich von dem Kurfürsten verab¬ schieden, und den noch halb im Traume befangenen Prinzen vorführt, welcher zu seinem Verhängniß die Ordre, die ihm ertheilt wird, zerstreut, wie er ist, nicht beachtet, indem er seine Aufmerksamkeit der Prinzessin zuwendet. Diese Szene, in welcher die verschiedenen Handlungen neben einander her und in einander laufen, wird uns erst durch die Darstellung auf der Bühne völlig verständlich; sie ist eine glänzende Probe von dem geschickten und gediegenen Zusammenspiel der Meininger Hofschauspieler. Auch die Szenen ans dem Schlachtfeld von Fehrbellin, die Leichenfeier Frobens, allerdings ein recht eigentliches dors 6,'oso.vrs, und die Schlußszene im Garten sind höchst wir¬ kungsvoll. Auch jener Szene ist zu gedenken, in welcher der zum Tod verurtheilte Prinz in der Angst des Todes die Kurfürstin um Rettung ansieht; eine Szene, um derentwillen Kleist oft und hart getadelt worden ist, weil man sie eines Helden unwürdig fand. Der Prinz hat sein Grab bereiten sehen, welches am nächsten Tage die Leiche des Verurtheilten aufnehmen soll; er hat im Schrecken des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/148>, abgerufen am 27.07.2024.