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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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anderes als eine Reihe von Kompromissen. Das freihändlerische Gesetz von
1846 ebensowohl wie das schutzzöllnerische von 1867 können sast ebensogut
Kompromißgesetze genannt werden, wie das von 1833. Kurz gesagt: Das
Schutzzollsystem, wie es sich im Laufe der Zeit in Amerika entwickelt hat, ver¬
einigt in sich alle die Nachtheile, die einem jeden Schutzsystem an und für sich
anhaften, ohne irgend welche Vortheile, die aus einem gemäßigten,
den thatsächlichen Verhältnissen angepaßten System möglicherweise hervorgehen
könnten. Der Gang dieser Entwicklung in Amerika ist ein eigenthümlicher ge¬
wesen: Freihandel -- Schutzzölle -- Freihandel -- Schutzzölle."

Ueber die Zukunft des Freihandels in den Vereinigten Staaten jetzt schon
ein bestimmtes Urtheil zu fällen, würde voreilig erscheinen. Ein Streben nach
Ausgleichung ist indeß in den letzten Jahren immer schärfer hervorgetreten.
Ueberall sind gewisse Interessen durch die übermäßigen Schutzzölle verletzt
worden, und darum ist die Zahl ihrer Gegner außerordentlich groß geworden.
Namentlich finden sich in den Reihen der Reformfreunde warme Anhänger
und Vertheidiger des Freihandels.

Ein heller Hoffnungsstrahl bricht aus der sonst nahezu trostlosen Dunkel¬
heit des übertriebenen Protektionismus hervor. Ein Theil der Fabrikanten
selbst tritt neuerdings gegen die Schutzzölle auf, und zwar ein Theil der
bedeutendsten und mächtigsten Fabrikanten in Neuengland, die da meinen, sie
würden, sobald sie ihre Maschinen ohne Zölle bekommen, mit dem Auslande
sehr wohl konkurriren können. Die Wollfabrikanten sehen nämlich mehr
und mehr ein, wie der sogenannte Schutzzoll Alles eher ist, als ein Schutz
der amerikanischen Industrie. Sie kamen im Januar d. I. zu Boston in
Massachusetts zusammen und nahmen nach gründlichen Verhandlungen Be¬
schlüsse an, in welchen der Kongreß ersucht wird, angesichts der in den letzten
zehn oder elf Jahren gemachten Erfahrungen, die beweisen, daß der Tarif von
186? den Wollproduzenten und Wollwaarenfabrikanten nur Schaden gebracht
hat, den Eingangszoll auf das Rohmaterial aufzuheben oder wenigstens be¬
trächtlich zu vermindern. Wenn aber die geschlossene Schaar, durch welche die
amerikanischen Schutzzöllner bis jetzt allen Angriffen Trotz geboten haben, durch
die Desertion von einigen Gliedern erst einmal gelockert worden ist, so muß
der Protektionismus in der nordamerikanischen Union dem Freihandel weichen
und eine neue Aera eintreten. Möge es bald so weit kommen!

Präsident Rutherford B. Hayes empfahl bereits, unterstützt von
seinem Finanzminister John Sherman, in seiner Jahresbotschaft an den
gegenwärtig versammelten Kongreß eine Revision des Tarifs, die zu einer
Herabminderung desselben sichren dürfte; auch hat bekanntlich die Finanzkom¬
mission des Repräsentantenhauses Ende Januar d. I. eine neue Tarifbill aus-


anderes als eine Reihe von Kompromissen. Das freihändlerische Gesetz von
1846 ebensowohl wie das schutzzöllnerische von 1867 können sast ebensogut
Kompromißgesetze genannt werden, wie das von 1833. Kurz gesagt: Das
Schutzzollsystem, wie es sich im Laufe der Zeit in Amerika entwickelt hat, ver¬
einigt in sich alle die Nachtheile, die einem jeden Schutzsystem an und für sich
anhaften, ohne irgend welche Vortheile, die aus einem gemäßigten,
den thatsächlichen Verhältnissen angepaßten System möglicherweise hervorgehen
könnten. Der Gang dieser Entwicklung in Amerika ist ein eigenthümlicher ge¬
wesen: Freihandel — Schutzzölle — Freihandel — Schutzzölle."

Ueber die Zukunft des Freihandels in den Vereinigten Staaten jetzt schon
ein bestimmtes Urtheil zu fällen, würde voreilig erscheinen. Ein Streben nach
Ausgleichung ist indeß in den letzten Jahren immer schärfer hervorgetreten.
Ueberall sind gewisse Interessen durch die übermäßigen Schutzzölle verletzt
worden, und darum ist die Zahl ihrer Gegner außerordentlich groß geworden.
Namentlich finden sich in den Reihen der Reformfreunde warme Anhänger
und Vertheidiger des Freihandels.

Ein heller Hoffnungsstrahl bricht aus der sonst nahezu trostlosen Dunkel¬
heit des übertriebenen Protektionismus hervor. Ein Theil der Fabrikanten
selbst tritt neuerdings gegen die Schutzzölle auf, und zwar ein Theil der
bedeutendsten und mächtigsten Fabrikanten in Neuengland, die da meinen, sie
würden, sobald sie ihre Maschinen ohne Zölle bekommen, mit dem Auslande
sehr wohl konkurriren können. Die Wollfabrikanten sehen nämlich mehr
und mehr ein, wie der sogenannte Schutzzoll Alles eher ist, als ein Schutz
der amerikanischen Industrie. Sie kamen im Januar d. I. zu Boston in
Massachusetts zusammen und nahmen nach gründlichen Verhandlungen Be¬
schlüsse an, in welchen der Kongreß ersucht wird, angesichts der in den letzten
zehn oder elf Jahren gemachten Erfahrungen, die beweisen, daß der Tarif von
186? den Wollproduzenten und Wollwaarenfabrikanten nur Schaden gebracht
hat, den Eingangszoll auf das Rohmaterial aufzuheben oder wenigstens be¬
trächtlich zu vermindern. Wenn aber die geschlossene Schaar, durch welche die
amerikanischen Schutzzöllner bis jetzt allen Angriffen Trotz geboten haben, durch
die Desertion von einigen Gliedern erst einmal gelockert worden ist, so muß
der Protektionismus in der nordamerikanischen Union dem Freihandel weichen
und eine neue Aera eintreten. Möge es bald so weit kommen!

Präsident Rutherford B. Hayes empfahl bereits, unterstützt von
seinem Finanzminister John Sherman, in seiner Jahresbotschaft an den
gegenwärtig versammelten Kongreß eine Revision des Tarifs, die zu einer
Herabminderung desselben sichren dürfte; auch hat bekanntlich die Finanzkom¬
mission des Repräsentantenhauses Ende Januar d. I. eine neue Tarifbill aus-


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[0143] anderes als eine Reihe von Kompromissen. Das freihändlerische Gesetz von 1846 ebensowohl wie das schutzzöllnerische von 1867 können sast ebensogut Kompromißgesetze genannt werden, wie das von 1833. Kurz gesagt: Das Schutzzollsystem, wie es sich im Laufe der Zeit in Amerika entwickelt hat, ver¬ einigt in sich alle die Nachtheile, die einem jeden Schutzsystem an und für sich anhaften, ohne irgend welche Vortheile, die aus einem gemäßigten, den thatsächlichen Verhältnissen angepaßten System möglicherweise hervorgehen könnten. Der Gang dieser Entwicklung in Amerika ist ein eigenthümlicher ge¬ wesen: Freihandel — Schutzzölle — Freihandel — Schutzzölle." Ueber die Zukunft des Freihandels in den Vereinigten Staaten jetzt schon ein bestimmtes Urtheil zu fällen, würde voreilig erscheinen. Ein Streben nach Ausgleichung ist indeß in den letzten Jahren immer schärfer hervorgetreten. Ueberall sind gewisse Interessen durch die übermäßigen Schutzzölle verletzt worden, und darum ist die Zahl ihrer Gegner außerordentlich groß geworden. Namentlich finden sich in den Reihen der Reformfreunde warme Anhänger und Vertheidiger des Freihandels. Ein heller Hoffnungsstrahl bricht aus der sonst nahezu trostlosen Dunkel¬ heit des übertriebenen Protektionismus hervor. Ein Theil der Fabrikanten selbst tritt neuerdings gegen die Schutzzölle auf, und zwar ein Theil der bedeutendsten und mächtigsten Fabrikanten in Neuengland, die da meinen, sie würden, sobald sie ihre Maschinen ohne Zölle bekommen, mit dem Auslande sehr wohl konkurriren können. Die Wollfabrikanten sehen nämlich mehr und mehr ein, wie der sogenannte Schutzzoll Alles eher ist, als ein Schutz der amerikanischen Industrie. Sie kamen im Januar d. I. zu Boston in Massachusetts zusammen und nahmen nach gründlichen Verhandlungen Be¬ schlüsse an, in welchen der Kongreß ersucht wird, angesichts der in den letzten zehn oder elf Jahren gemachten Erfahrungen, die beweisen, daß der Tarif von 186? den Wollproduzenten und Wollwaarenfabrikanten nur Schaden gebracht hat, den Eingangszoll auf das Rohmaterial aufzuheben oder wenigstens be¬ trächtlich zu vermindern. Wenn aber die geschlossene Schaar, durch welche die amerikanischen Schutzzöllner bis jetzt allen Angriffen Trotz geboten haben, durch die Desertion von einigen Gliedern erst einmal gelockert worden ist, so muß der Protektionismus in der nordamerikanischen Union dem Freihandel weichen und eine neue Aera eintreten. Möge es bald so weit kommen! Präsident Rutherford B. Hayes empfahl bereits, unterstützt von seinem Finanzminister John Sherman, in seiner Jahresbotschaft an den gegenwärtig versammelten Kongreß eine Revision des Tarifs, die zu einer Herabminderung desselben sichren dürfte; auch hat bekanntlich die Finanzkom¬ mission des Repräsentantenhauses Ende Januar d. I. eine neue Tarifbill aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/143>, abgerufen am 27.07.2024.