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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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fast durchweg dein Schutzzollsystem ergeben sei. In der Nationalversammlung
zu Chicago im Jahre 1860, wo die Republikaner ihre Platform und Abra¬
ham Lincoln als Präsidentschaftskandidaten aufstellten, wurde die Tariffrage
zur Sprache gebracht und in Erwägung, daß durch die Annahme einer schutz-
zöllnerischen Klausel der Staat Pennsylvanien für die Union gewonnen werden
würde, nahm man dort den Schutz der einheimischen Industrie als Politik an.
Vertheidiger der partikularistisch-rebellischen Sttdstaaten suchten dann auch zu
beweisen, daß diese durch das in Aussicht stehende Schutzzollsystem zum Aufstande
und zur Losreißung von der Union gezwungen worden seien. War es doch
viel edler und ruhmvoller als Kämpfer und Vertreter sür ein Freiheitsprinzip
in die Schranken zu treten, denn als Vertheidiger der schmachvollen Neger¬
sklaverei sich auszuwerfen. Diese Darstellung der demokratischen Rebellen und
Rebellensreunde liefert denn auch die Erklärung dafür, daß ein Theil der eu¬
ropäischen Liberalen (besonders in England) mit den fllcwenhaltenden Süd¬
staaten sympathisirte. Behauptete doch selbst der Freiherr Carl von Hock in
seinem sonst werthvollen Buche "die Finanzen und die Finanzgeschichte der
Vereinigten Staaten" (S. 100), daß Lincoln's Wahl der Sieg des Schutzzoll¬
systems gewesen, und daß die Südstaaten wesentlich als Gegner des Schutz¬
zolls abgefallen seien. "Kaum hatte der Süden seine Abgeordneten vom Kon¬
gresse in Washington abberufen," sagt v. Hock a. a. O., "so benutzte der
Norden die ihm nun gewordene unzweifelhafte Mehrheit, um durch das Gesetz
vom 2. März 1861 eine lange Reihe von Zollerhöhungen und alle die alten
Uebelstände wieder einzuführen, welche die Tarife von 1816 bis 1828 und von
1842 verunziert hatten." Herr von Hock übersieht hierbei aber ganz und gar
den Umstand, daß es nur der verhängnißvolle Abfall der demokratischen Slld-
staaten war, welcher es möglich machte, solche Gesetze durchzuführen. Den
Tarif vom März 1861 können wir mit Dr. James nicht als einen Sieg der
Schutzzöllnerpartei als solcher ansehen, er war gewissermaßen nothwendig, um
das Defizit, welches sich in den vorangehenden Jahren herausgestellt hatte, zu
decken, -- es sei denn, daß der Kongreß ein System der direkten Besteuerung
einführen wollte, woran damals aber keine Partei dachte. Es giebt außerdem
nicht einen einzigen unter den von 1861 bis 1866 durchgeführten Tarifen,
den die Südstaaten, falls sie nicht secedirten und ihre Abgeordneten an ihrem
Platze gewesen wären, nicht verfassungsmüßig hätten verhindern können. Die
sechs, den Tarif allgemein erhöhenden Gesetze, die vom August 1861 bis Juli
1866 erlassen worden waren, wurden mit folgender Stimmemnajorität im
Repräsentantenhaus? des Kongresses durchgesetzt: das erste mit 34, das zweite
mit 47, das dritte mit 36, das vierte mit 55, das fünfte mit 42 und das
sechste mit 46 Stimmenmehrheit. Die Südstaaten hatten durch ihren rebellisch-


Grenzboten II. 1878. 18

fast durchweg dein Schutzzollsystem ergeben sei. In der Nationalversammlung
zu Chicago im Jahre 1860, wo die Republikaner ihre Platform und Abra¬
ham Lincoln als Präsidentschaftskandidaten aufstellten, wurde die Tariffrage
zur Sprache gebracht und in Erwägung, daß durch die Annahme einer schutz-
zöllnerischen Klausel der Staat Pennsylvanien für die Union gewonnen werden
würde, nahm man dort den Schutz der einheimischen Industrie als Politik an.
Vertheidiger der partikularistisch-rebellischen Sttdstaaten suchten dann auch zu
beweisen, daß diese durch das in Aussicht stehende Schutzzollsystem zum Aufstande
und zur Losreißung von der Union gezwungen worden seien. War es doch
viel edler und ruhmvoller als Kämpfer und Vertreter sür ein Freiheitsprinzip
in die Schranken zu treten, denn als Vertheidiger der schmachvollen Neger¬
sklaverei sich auszuwerfen. Diese Darstellung der demokratischen Rebellen und
Rebellensreunde liefert denn auch die Erklärung dafür, daß ein Theil der eu¬
ropäischen Liberalen (besonders in England) mit den fllcwenhaltenden Süd¬
staaten sympathisirte. Behauptete doch selbst der Freiherr Carl von Hock in
seinem sonst werthvollen Buche „die Finanzen und die Finanzgeschichte der
Vereinigten Staaten" (S. 100), daß Lincoln's Wahl der Sieg des Schutzzoll¬
systems gewesen, und daß die Südstaaten wesentlich als Gegner des Schutz¬
zolls abgefallen seien. „Kaum hatte der Süden seine Abgeordneten vom Kon¬
gresse in Washington abberufen," sagt v. Hock a. a. O., „so benutzte der
Norden die ihm nun gewordene unzweifelhafte Mehrheit, um durch das Gesetz
vom 2. März 1861 eine lange Reihe von Zollerhöhungen und alle die alten
Uebelstände wieder einzuführen, welche die Tarife von 1816 bis 1828 und von
1842 verunziert hatten." Herr von Hock übersieht hierbei aber ganz und gar
den Umstand, daß es nur der verhängnißvolle Abfall der demokratischen Slld-
staaten war, welcher es möglich machte, solche Gesetze durchzuführen. Den
Tarif vom März 1861 können wir mit Dr. James nicht als einen Sieg der
Schutzzöllnerpartei als solcher ansehen, er war gewissermaßen nothwendig, um
das Defizit, welches sich in den vorangehenden Jahren herausgestellt hatte, zu
decken, — es sei denn, daß der Kongreß ein System der direkten Besteuerung
einführen wollte, woran damals aber keine Partei dachte. Es giebt außerdem
nicht einen einzigen unter den von 1861 bis 1866 durchgeführten Tarifen,
den die Südstaaten, falls sie nicht secedirten und ihre Abgeordneten an ihrem
Platze gewesen wären, nicht verfassungsmüßig hätten verhindern können. Die
sechs, den Tarif allgemein erhöhenden Gesetze, die vom August 1861 bis Juli
1866 erlassen worden waren, wurden mit folgender Stimmemnajorität im
Repräsentantenhaus? des Kongresses durchgesetzt: das erste mit 34, das zweite
mit 47, das dritte mit 36, das vierte mit 55, das fünfte mit 42 und das
sechste mit 46 Stimmenmehrheit. Die Südstaaten hatten durch ihren rebellisch-


Grenzboten II. 1878. 18
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/141>, abgerufen am 01.09.2024.