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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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nideninschrift Rath schaffen zu sollen: außerdem war es orientalische Sitte,
dem eignen den Vatersnamen beizufügen. Damit war also eine Verbindung
zwischen beiden Reihen hergestellt, die sich zudem noch dadurch empfahl, daß
sie die möglichst einfache war: es war die zwischen Vater und Sohn, v war
also der Vater von X. Welche Namen aber enthielten diese beiden Keile?
Dazu mußten durch das Mittel wahrhaft genialer Kombination die Schlu߬
worte helfen. ? ^ standen in beiden Reihen, in der ersten fehlte nur der
Genitiv Ksssis. Daraus schloß Grotefend, daß auch hier wie in der zweiten
der Vater genannt war, aber uicht als König und zwar, wie er weiter folgerte,
aus dem einfachsten aller Gründe, nämlich weil er nicht König war. Schluß:
v ist nicht als Sohn eines Königs genannt, also war der Vater des ersten
nicht König, also v nicht eines Königs Sohn, selbst aber ein König und der
Vater eines Königs (des X), also der Gründer einer neuen Dynastie. -- Nun
suchte sich Grotefend in der aus griechischen Quellen bekannten Achämeniden-
liste zwei für dieses Dynastieverhältnis passende Kandidaten. In Frage kamen
3 Gruppen: Cyrus und Cambyses, Darius und Artcixerxes; diese konnten aus
äußeren Gründen ihre Kandidatur nicht aufrecht erhalten; so blieb nur ein
Königspaar, das alle einschlagenden Bedingungen erfüllte, nämlich Darius und
Xerxes, nach den griechischen Quellen Vater und Sohn und der Vater der
Begründer einer neuen Dynastie: die Namen fingen mit verschiedenen Buch¬
staben an und waren etwa gleichen Umfangs. Bezeichneten aber v und X
Darius und Xerxes, so H niemand anderes als Hystaspes. -- Das Geheimnis
war gelöst, die Reihen hießen: Darius, der große König, der König der Könige,
Hystaspis Sohn und Xerxes, der große König, der König der Könige,
Darius des Königs Sohn, -- Was war gewonnen? Man wird sagen:
doch nicht allzuviel: drei Eigennamen und drei Begriffe. Viel mehr als das,
viel, überraschend viel war gewonnen. Die drei Eigennamen vor allen Dingen
waren ein Füllhorn der reichsten lautlicher Gaben: man konnte von ihrem
Klänge aus operiren auf die ländliche Darstellung der persischen Sprache.
Denn wußte man auch, daß R König, U groß und ? Sohn bedeutete, so
hatte man doch nirgends einen Anhalt für deren Aussprache. Anders mit den
Eigennamen. Man begann nun, nachdem der Däne Rask im Jahre 1826
auch das letzte Glied unserer Reihen, ^, in dem persischen Worte Hakhcnuanisija
d. h. der Achämenide aufgefunden hatte, diese zu depouilliren, wie die Fran¬
zosen bezeichnend sagten, d. h. sie zu analysiren und ihre einzelnen Elemente,
womöglich auch lautlich, zu bestimmen. Allerdings standen Grotefend die heb¬
räische und griechische Fassung der Namen zu Gebote, nicht aber die originale
persische Form. Hätte man um 1802 das Altpersische gekannt, so wäre die
ländliche Analyse der 13 Zeichen, welche jene Eigennamen ausmachten, uicht


nideninschrift Rath schaffen zu sollen: außerdem war es orientalische Sitte,
dem eignen den Vatersnamen beizufügen. Damit war also eine Verbindung
zwischen beiden Reihen hergestellt, die sich zudem noch dadurch empfahl, daß
sie die möglichst einfache war: es war die zwischen Vater und Sohn, v war
also der Vater von X. Welche Namen aber enthielten diese beiden Keile?
Dazu mußten durch das Mittel wahrhaft genialer Kombination die Schlu߬
worte helfen. ? ^ standen in beiden Reihen, in der ersten fehlte nur der
Genitiv Ksssis. Daraus schloß Grotefend, daß auch hier wie in der zweiten
der Vater genannt war, aber uicht als König und zwar, wie er weiter folgerte,
aus dem einfachsten aller Gründe, nämlich weil er nicht König war. Schluß:
v ist nicht als Sohn eines Königs genannt, also war der Vater des ersten
nicht König, also v nicht eines Königs Sohn, selbst aber ein König und der
Vater eines Königs (des X), also der Gründer einer neuen Dynastie. — Nun
suchte sich Grotefend in der aus griechischen Quellen bekannten Achämeniden-
liste zwei für dieses Dynastieverhältnis passende Kandidaten. In Frage kamen
3 Gruppen: Cyrus und Cambyses, Darius und Artcixerxes; diese konnten aus
äußeren Gründen ihre Kandidatur nicht aufrecht erhalten; so blieb nur ein
Königspaar, das alle einschlagenden Bedingungen erfüllte, nämlich Darius und
Xerxes, nach den griechischen Quellen Vater und Sohn und der Vater der
Begründer einer neuen Dynastie: die Namen fingen mit verschiedenen Buch¬
staben an und waren etwa gleichen Umfangs. Bezeichneten aber v und X
Darius und Xerxes, so H niemand anderes als Hystaspes. — Das Geheimnis
war gelöst, die Reihen hießen: Darius, der große König, der König der Könige,
Hystaspis Sohn und Xerxes, der große König, der König der Könige,
Darius des Königs Sohn, — Was war gewonnen? Man wird sagen:
doch nicht allzuviel: drei Eigennamen und drei Begriffe. Viel mehr als das,
viel, überraschend viel war gewonnen. Die drei Eigennamen vor allen Dingen
waren ein Füllhorn der reichsten lautlicher Gaben: man konnte von ihrem
Klänge aus operiren auf die ländliche Darstellung der persischen Sprache.
Denn wußte man auch, daß R König, U groß und ? Sohn bedeutete, so
hatte man doch nirgends einen Anhalt für deren Aussprache. Anders mit den
Eigennamen. Man begann nun, nachdem der Däne Rask im Jahre 1826
auch das letzte Glied unserer Reihen, ^, in dem persischen Worte Hakhcnuanisija
d. h. der Achämenide aufgefunden hatte, diese zu depouilliren, wie die Fran¬
zosen bezeichnend sagten, d. h. sie zu analysiren und ihre einzelnen Elemente,
womöglich auch lautlich, zu bestimmen. Allerdings standen Grotefend die heb¬
räische und griechische Fassung der Namen zu Gebote, nicht aber die originale
persische Form. Hätte man um 1802 das Altpersische gekannt, so wäre die
ländliche Analyse der 13 Zeichen, welche jene Eigennamen ausmachten, uicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/14>, abgerufen am 01.09.2024.