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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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wohner dadurch erschreckt sich eiligst der christlichen Religion wieder zuwandten.
Sehr allmälig erst fand sich der wirkliche Glaube.

Der Bischof vermeinte nun sein Möglichstes im Dienste des Herrn gethan
zu haben und hatte ja auch Hochbedeutendes ausgeführt, so daß er die
Heimreise nach seinem geliebten Bamberg antrat, wo er zu Weihnachten 1128
wieder eintraf.

Er konnte auf eine segensvolle Thätigkeit zurückblicken, er konnte zufrieden
sein mit seiner Arbeit im Weinberge des Herrn, er konnte sein Werk seligen
Auges betrachten. Und so uneigennützig, so demüthig und bescheiden er bei
der Ausübung seines Berufs war, so edelmüthig er sich seinen Feinden gegen¬
über zeigte, sie unterstützte und ihnen half mit Rath und That -- er war
auch wirklich stolz auf seine apostolische Thätigkeit, die eigentlich geistliche
Eitelkeit zum Ursprung hatte. Aber, wenn dem anch so war, er hatte Großes
geleistet und sein menschlicher Stolz war ihm wohl zu verzeihen. Im Jahre
1189, fünfzig Jahre nach seinem Tode zu Bamberg im siebzigsten Lebens¬
jahr, bis wohin er in ununterbrochenem Verkehr mit seinen Pommern gestanden
hatte, wurde er heilig gesprochen und auch die Geschichte hat ihn als den
"Apostel der Pommern" auf ihren Tafeln verzeichnet.




Meratm.

In diesen Tagen ist die zweite Lieferung eines Buches erschienen, welches
den Titel führt: Deutsche Literaturgeschichte von Robert König,
Bielefeld und Leipzig, Velhagen und Klasing. 3 Abtheilungen g,
4 Mk. -- Die Klassifizirungs-Leidenschaft, von der wohl keiner ganz frei ist,
kommt bei diesem Werke in Verlegenheit. Der Gelehrte nimmt es in die Hand,
freut sich der trefflichen Nachbildung berühmter Manuskripte, blättert weiter
und findet in dem ganzen Buche keine einzige Anmerkung -- was ist ein ge¬
lehrtes Buch ohne Anmerkungen -- ja er muß feststellen, daß es sich nicht in
die Reihe einer bestimmten Germanistenschnle einstellt und schüttelt den Kopf.
Und der Liebhaber, welcher auf dem Literaturgebiete harmlose Spaziergänge
machen, oder sich für seine allgemeinen Bildungsbedürfnisse unterrichten möchte,
findet genau, was er braucht, in glatter, ansprechender und keineswegs ober¬
flächlicher Darstellung, aber was fängt er mit den gelehrten Bildwerken an?

Doch dieser Zwiespalt löst sich leicht. Gewiß ist die Zeit vorüber, wo
mau glaubte, Werke, welche die deutsche Vergangenheit behandeln, durch schöne


wohner dadurch erschreckt sich eiligst der christlichen Religion wieder zuwandten.
Sehr allmälig erst fand sich der wirkliche Glaube.

Der Bischof vermeinte nun sein Möglichstes im Dienste des Herrn gethan
zu haben und hatte ja auch Hochbedeutendes ausgeführt, so daß er die
Heimreise nach seinem geliebten Bamberg antrat, wo er zu Weihnachten 1128
wieder eintraf.

Er konnte auf eine segensvolle Thätigkeit zurückblicken, er konnte zufrieden
sein mit seiner Arbeit im Weinberge des Herrn, er konnte sein Werk seligen
Auges betrachten. Und so uneigennützig, so demüthig und bescheiden er bei
der Ausübung seines Berufs war, so edelmüthig er sich seinen Feinden gegen¬
über zeigte, sie unterstützte und ihnen half mit Rath und That — er war
auch wirklich stolz auf seine apostolische Thätigkeit, die eigentlich geistliche
Eitelkeit zum Ursprung hatte. Aber, wenn dem anch so war, er hatte Großes
geleistet und sein menschlicher Stolz war ihm wohl zu verzeihen. Im Jahre
1189, fünfzig Jahre nach seinem Tode zu Bamberg im siebzigsten Lebens¬
jahr, bis wohin er in ununterbrochenem Verkehr mit seinen Pommern gestanden
hatte, wurde er heilig gesprochen und auch die Geschichte hat ihn als den
„Apostel der Pommern" auf ihren Tafeln verzeichnet.




Meratm.

In diesen Tagen ist die zweite Lieferung eines Buches erschienen, welches
den Titel führt: Deutsche Literaturgeschichte von Robert König,
Bielefeld und Leipzig, Velhagen und Klasing. 3 Abtheilungen g,
4 Mk. — Die Klassifizirungs-Leidenschaft, von der wohl keiner ganz frei ist,
kommt bei diesem Werke in Verlegenheit. Der Gelehrte nimmt es in die Hand,
freut sich der trefflichen Nachbildung berühmter Manuskripte, blättert weiter
und findet in dem ganzen Buche keine einzige Anmerkung — was ist ein ge¬
lehrtes Buch ohne Anmerkungen — ja er muß feststellen, daß es sich nicht in
die Reihe einer bestimmten Germanistenschnle einstellt und schüttelt den Kopf.
Und der Liebhaber, welcher auf dem Literaturgebiete harmlose Spaziergänge
machen, oder sich für seine allgemeinen Bildungsbedürfnisse unterrichten möchte,
findet genau, was er braucht, in glatter, ansprechender und keineswegs ober¬
flächlicher Darstellung, aber was fängt er mit den gelehrten Bildwerken an?

Doch dieser Zwiespalt löst sich leicht. Gewiß ist die Zeit vorüber, wo
mau glaubte, Werke, welche die deutsche Vergangenheit behandeln, durch schöne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/123>, abgerufen am 09.11.2024.