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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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der Herzog ihre Forderungen nicht bewilligen und die Zeit ihnen womöglich
Mittel an die Hand geben würde, sich wieder der Polenherrschaft zu entziehen
-- aber der Herzog leistete ihren Wünschen Folge, verlangte jedoch mit aller
Strenge, daß auch sie ihre gegebenen Versprechungen erfüllten. Selbstverständ¬
lich war inzwischen geraume Zeit verflossen, die Otto wohl benutzt und seine
Lehre immer weiter ausgebreitet hatte, feierliche Kreuzesumzüge waren in der
Stadt erfolgt und dem Vorgange zweier vornehmen Bürgersöhne folgend
hatten sich mehr Leute, besonders Jünglinge laufen lassen. So fanden denn
die Wünsche des Bischofs keinen längeren Widerstand. Feierlich wurden die Götzen¬
tempel zerstört und das Bild des Gottes Triglaf vernichtet, dessen dreiköpfiges
Haupt Otto nach Rom sandte. Auch ließ er das heilige schwarze Pferd tödten,
welches in dem Tempel Triglaff aufbewahrt wurde, und die ganze Stadtein-
wohnerschaft, aus neunhundert Hausgenossenschaften bestehend, ließ sich taufen.
Sie zeigte auch wirklichen Eifer, in der christlichen Religion unterrichtet zu
werden; auf dem Marktplatz wurde schnell eine große Kirche zu Ehren des
heiligen Adalbert erbaut und zu Beginn des Jahres 1125 konnte der Bischof
unbesorgt Stettin verlassen. Nachdem er an einigen umliegenden Flecken
Priester eingesetzt hatte, schiffte er sich nach Wollin, wo er diesmal mit der
größten Willfährigkeit aufgenommen wurde und viele Tausende taufte. Vou
da zog er nach Kolberg und Belgard, wo seine Lehre gleichfalls wider¬
standslose Aufnahme fand. Stolz schlug das Herz des "Apostels" ob des
gelungenen Werkes, an dem vor ihm so manche Kraft gescheitert war; er durch¬
zog noch einmal die gewonnenen Landschaften, weihte die inzwischen errichteten
Kirchen ein und kehrte dann in sein Bisthum zurück, wo er um Ostern 1125
nach einjähriger Abwesenheit wieder eintraf. Ein Kaplan Boleslav's, Adalbert
mit Namen, setzte er über die gestifteten pommerschen Gemeinden und dieser
wurde in späterer Zeit, im Jahre 1140, zum ersten Bischof von Wollin ernannt.

Allein Otto verhehlte sich in zu großem Stolz über sein Werk, daß die
durch ihn erfolgte Ausbreitung des Christenthums in Pommern eigentlich doch
nur eine sehr oberflächliche war und die Annahme derselben oft nur augen¬
blickliche Begeisterung oder sogar nur die Nothwendigkeit, sich den Befehlen
des Herzogs Boleslav zu fügen, herbeigeführt hatte. Obendrein starben einige
der Fürsten, welche den zurückgelassenen Priestern eine wirkliche Stütze gewesen
waren, an ihre Stelle gelangten Herrscher auf den Thron, die der alten Reli¬
gion treu anhingen und die Ausdehnung der christlichen nichts weniger als
begünstigten, sondern vielmehr eifrig darauf hinarbeiteten, sich überhaupt der
Polnischen Lehnsoberhoheit zu entziehen. Da sah sich Otto also drei Jahre
nach seiner Rückkehr von dem ersten Zuge uach Pommern gezwungen, noch
einmal den Wanderstab zu ergreifen und noch einmal das christliche Panier


der Herzog ihre Forderungen nicht bewilligen und die Zeit ihnen womöglich
Mittel an die Hand geben würde, sich wieder der Polenherrschaft zu entziehen
— aber der Herzog leistete ihren Wünschen Folge, verlangte jedoch mit aller
Strenge, daß auch sie ihre gegebenen Versprechungen erfüllten. Selbstverständ¬
lich war inzwischen geraume Zeit verflossen, die Otto wohl benutzt und seine
Lehre immer weiter ausgebreitet hatte, feierliche Kreuzesumzüge waren in der
Stadt erfolgt und dem Vorgange zweier vornehmen Bürgersöhne folgend
hatten sich mehr Leute, besonders Jünglinge laufen lassen. So fanden denn
die Wünsche des Bischofs keinen längeren Widerstand. Feierlich wurden die Götzen¬
tempel zerstört und das Bild des Gottes Triglaf vernichtet, dessen dreiköpfiges
Haupt Otto nach Rom sandte. Auch ließ er das heilige schwarze Pferd tödten,
welches in dem Tempel Triglaff aufbewahrt wurde, und die ganze Stadtein-
wohnerschaft, aus neunhundert Hausgenossenschaften bestehend, ließ sich taufen.
Sie zeigte auch wirklichen Eifer, in der christlichen Religion unterrichtet zu
werden; auf dem Marktplatz wurde schnell eine große Kirche zu Ehren des
heiligen Adalbert erbaut und zu Beginn des Jahres 1125 konnte der Bischof
unbesorgt Stettin verlassen. Nachdem er an einigen umliegenden Flecken
Priester eingesetzt hatte, schiffte er sich nach Wollin, wo er diesmal mit der
größten Willfährigkeit aufgenommen wurde und viele Tausende taufte. Vou
da zog er nach Kolberg und Belgard, wo seine Lehre gleichfalls wider¬
standslose Aufnahme fand. Stolz schlug das Herz des „Apostels" ob des
gelungenen Werkes, an dem vor ihm so manche Kraft gescheitert war; er durch¬
zog noch einmal die gewonnenen Landschaften, weihte die inzwischen errichteten
Kirchen ein und kehrte dann in sein Bisthum zurück, wo er um Ostern 1125
nach einjähriger Abwesenheit wieder eintraf. Ein Kaplan Boleslav's, Adalbert
mit Namen, setzte er über die gestifteten pommerschen Gemeinden und dieser
wurde in späterer Zeit, im Jahre 1140, zum ersten Bischof von Wollin ernannt.

Allein Otto verhehlte sich in zu großem Stolz über sein Werk, daß die
durch ihn erfolgte Ausbreitung des Christenthums in Pommern eigentlich doch
nur eine sehr oberflächliche war und die Annahme derselben oft nur augen¬
blickliche Begeisterung oder sogar nur die Nothwendigkeit, sich den Befehlen
des Herzogs Boleslav zu fügen, herbeigeführt hatte. Obendrein starben einige
der Fürsten, welche den zurückgelassenen Priestern eine wirkliche Stütze gewesen
waren, an ihre Stelle gelangten Herrscher auf den Thron, die der alten Reli¬
gion treu anhingen und die Ausdehnung der christlichen nichts weniger als
begünstigten, sondern vielmehr eifrig darauf hinarbeiteten, sich überhaupt der
Polnischen Lehnsoberhoheit zu entziehen. Da sah sich Otto also drei Jahre
nach seiner Rückkehr von dem ersten Zuge uach Pommern gezwungen, noch
einmal den Wanderstab zu ergreifen und noch einmal das christliche Panier


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/121>, abgerufen am 27.07.2024.