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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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zu Eigen-, Lehen- oder Leibdingbesitz nach dem bestimmten Prozentsatz besteuert
werden sollen, gleichviel wer der Nutznießer derselben ist; ist das Kapital nicht
zinstragend ausgethan, so soll wiederum die eigene Schätzung des Besitzers
maßgebend sein. Ehemänner sollen dabei das etwaige Einkomme" ihrer Ehe¬
frauen, Vormünder, Hauswirthe und Dienstherren das ihrer Pfleglinge, Mit-
einwvhner und Dienstboten versteuern, beziehungsweise augeben; Dienstboten
lohne unter einem Pfund sollen stellerfrei bleiben.

Trafen diese Steuern direkt die Rente des unbeweglichen und beweglichen
Vermögens, so war das Umgeld eine indirekte Steuer, insofern sie von den
Besteuerten auf die Konsumenten abgewälzt werden konnte. Es kommt zuerst
im Jahre 1254 vor, wo es von Bischof Hartmann den Bürgern auf 10 Jahre
überlassen wird. Eine weitere Ueberlassung erfolgte 1270 auf 5, 1286 auf 2
und 1290 .ulf 4 Jahre, bis schließlich die Stadt im festen Besitz dieses werth-
vollen Rechts erscheint. Anfänglich waren es wohl bloß Getränke, namentlich
Wein, gewesen, welche dieser Steuer unterlagen, bald ward ihr aber eine
größere, immer weiter gehende Ausdehnung ans eingeführte Waaren, wie auf
durchgehende Kaufmannsgüter gegeben. Zuvörderst begriff matt darunter anch
andere gewöhnliche Lebensmittel, namentlich Schlachtvieh, Fische, Reis, Oel,
darauf andere Gegenstände des Verbrauchs, als Wolle, Seiden- und Banm-
wollenze"ge, Leinwand, Leder, Felle, Pelzwerk, Holz, Metalle, endlich Gewürze,
Südfrüchte u. f. w. Es wurde an deu Brücken und Thoren als Eingangs-,
am Markte als Kauf- und Verkanfszvll erhoben. Im großen Stadtrecht von
1276 sind bereits für die einzelnen Eingangsstellen förmliche Tarife dieses
Ungelds aufgestellt. Die Höhe desselben ist bemessen nach der Menge der ein¬
geführten Waaren, wobei jedoch bei schwer schätzbaren gewisse Pauschqnantitäten
(Wagenlast, Dauer, Traglast), als Werthmesser angenommen werden. Die
Steuer ging von zwei Pfenninger bis zu einem halben Pfenning herunter.
Jenen höchsten Satz bezahlten Wagenladungen mit Wein, Meth, Eisen, Härin¬
gen; Bier, Korn, Hell, Obst zahlten die Hälfte, Stroh mit Holz deu vierten
Theil. Auffallend erscheint, daß die Tarife der einzelnen Thore nicht über¬
einstimmen; so gab ein Wagen Weins vom Norden her nur die Hälfte des
Betrags, den die gleiche von Süden kommende Ladung zu entrichten hatte.
Einem ganz abnorm hohen Durchgangszoll unterlag eine Judenleiche (30 Pfg.).
Die eingesessener Bürger, speziell die Schlachter und Geistlichen konnten sich
von der jedesmaligen Zahlung dieses Ungelds fiir ein ganzes Jahr durch die
Entrichtung von einem halben Pfund Pfeffer, bezieh, zweier Schulterstücke oder
zweier Gänse loskaufen. -- Eine zweite Art des Ungelds war der Marktzoll.
Er wurde am Markte als Kauf- und Verkaufszvll von den fremden Kauf¬
leuten erhoben, war älter als das Thornngeld und gehörte seit unvordenklicher


zu Eigen-, Lehen- oder Leibdingbesitz nach dem bestimmten Prozentsatz besteuert
werden sollen, gleichviel wer der Nutznießer derselben ist; ist das Kapital nicht
zinstragend ausgethan, so soll wiederum die eigene Schätzung des Besitzers
maßgebend sein. Ehemänner sollen dabei das etwaige Einkomme» ihrer Ehe¬
frauen, Vormünder, Hauswirthe und Dienstherren das ihrer Pfleglinge, Mit-
einwvhner und Dienstboten versteuern, beziehungsweise augeben; Dienstboten
lohne unter einem Pfund sollen stellerfrei bleiben.

Trafen diese Steuern direkt die Rente des unbeweglichen und beweglichen
Vermögens, so war das Umgeld eine indirekte Steuer, insofern sie von den
Besteuerten auf die Konsumenten abgewälzt werden konnte. Es kommt zuerst
im Jahre 1254 vor, wo es von Bischof Hartmann den Bürgern auf 10 Jahre
überlassen wird. Eine weitere Ueberlassung erfolgte 1270 auf 5, 1286 auf 2
und 1290 .ulf 4 Jahre, bis schließlich die Stadt im festen Besitz dieses werth-
vollen Rechts erscheint. Anfänglich waren es wohl bloß Getränke, namentlich
Wein, gewesen, welche dieser Steuer unterlagen, bald ward ihr aber eine
größere, immer weiter gehende Ausdehnung ans eingeführte Waaren, wie auf
durchgehende Kaufmannsgüter gegeben. Zuvörderst begriff matt darunter anch
andere gewöhnliche Lebensmittel, namentlich Schlachtvieh, Fische, Reis, Oel,
darauf andere Gegenstände des Verbrauchs, als Wolle, Seiden- und Banm-
wollenze»ge, Leinwand, Leder, Felle, Pelzwerk, Holz, Metalle, endlich Gewürze,
Südfrüchte u. f. w. Es wurde an deu Brücken und Thoren als Eingangs-,
am Markte als Kauf- und Verkanfszvll erhoben. Im großen Stadtrecht von
1276 sind bereits für die einzelnen Eingangsstellen förmliche Tarife dieses
Ungelds aufgestellt. Die Höhe desselben ist bemessen nach der Menge der ein¬
geführten Waaren, wobei jedoch bei schwer schätzbaren gewisse Pauschqnantitäten
(Wagenlast, Dauer, Traglast), als Werthmesser angenommen werden. Die
Steuer ging von zwei Pfenninger bis zu einem halben Pfenning herunter.
Jenen höchsten Satz bezahlten Wagenladungen mit Wein, Meth, Eisen, Härin¬
gen; Bier, Korn, Hell, Obst zahlten die Hälfte, Stroh mit Holz deu vierten
Theil. Auffallend erscheint, daß die Tarife der einzelnen Thore nicht über¬
einstimmen; so gab ein Wagen Weins vom Norden her nur die Hälfte des
Betrags, den die gleiche von Süden kommende Ladung zu entrichten hatte.
Einem ganz abnorm hohen Durchgangszoll unterlag eine Judenleiche (30 Pfg.).
Die eingesessener Bürger, speziell die Schlachter und Geistlichen konnten sich
von der jedesmaligen Zahlung dieses Ungelds fiir ein ganzes Jahr durch die
Entrichtung von einem halben Pfund Pfeffer, bezieh, zweier Schulterstücke oder
zweier Gänse loskaufen. — Eine zweite Art des Ungelds war der Marktzoll.
Er wurde am Markte als Kauf- und Verkaufszvll von den fremden Kauf¬
leuten erhoben, war älter als das Thornngeld und gehörte seit unvordenklicher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/70>, abgerufen am 18.01.2025.