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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Vorläufer mit Muster gewesen siud. Namentlich das Steuerwesen hat sich
in de>l Städten des Mittelalters gleichsam vorbildlich auf dieselbe Weise
entwickelt, wie nachher in dein größeren Gemeinwesen der Staaten. Man ist
ausgegangen von Grundzinsen und persönlichen Leistungen; mau hat sich erst,
als diese für die Bestreitung der vermehrten Kvmmnnalbednrfnisse nicht aus¬
reichten, hauptsächlich der indirekten Besteuernngsweise durch Zölle und Accise
zugewendet, und ist endlich, als anch diese eine weitere Steigerung in Rücksicht
ans die unteren Einwvhnerklassen nicht zuließen, bei der Vermögens- und
Einkommensteuer augelangt. Und auch das letzte in unserer Zeit uur zu
beliebte Auskunftmittel, erhöhte oder außerordentliche Staatsbedürfnisse durch
Anleihen zu bestreikn, ist in diesen unserm kleinen Musterbildern des modernen
Staates schou ganz ebenso bekannt, ja fast noch geläufiger als heutzutage
gewesen!

Es- scheint mir daher nicht uninteressant, an dem Beispiel eiuer bestimmten
Stadt die Art und Weise des mittelalterlichen Stadthaushalts zu kennzeichnen
Denn das brauche ich wohl kaum noch auszuführen, daß die einzelnen Städte
auch bezüglich dieser Verwaltungseinrichtungen die allergrößte Verwandtschaft
zeigen. Wie das Recht einer Stadt die ursprüngliche Heimath verläßt und
nach allen Himmelsgegenden seine Rechtssätze weiter verbreitet, so hat auch
bezüglich der wirthschaftlichen und polizeilichen Einrichtungen ein solches
Wandern stattgefunden, so daß wir schließlich die Gesammtheit uuserer alte"
Städte von gleichartige!: Einrichtungen angefüllt erblicken.

Ich wähle das Beispiel Augsburgs, und zwar uicht bloß deshalb, weil
diese Stadt eine der verkehrsreichste" und blühendsten Städte des Mittelalters
war, sondern hauptsächlich auch darum, weil uns gerade hier das Quellen-
material in seltener Fülle und Frische vorliegt.

Fassen wir, ehe wir an die eigentliche Darstellung der mittelalterlichen
Stadtwirthschaft gehen, vorerst die Organe derselbe" kurz ius Auge. Die ge¬
sehgebende Gewalt und Oberaufsicht übte, wie wie auf alleil Gebieten der
Stadtverwaltung, so auch bezüglich der Führung des Stadthaushalts, der
Rath in seinen verschiedenen Abtheilungen als kleiner, (Vierundzwanziger),
alter (Zwölfer) und großer Rath. Nächst ihn: kommen dann vor allem die
zwei Baumeister in Betracht. Sie sind die eigentlichen Finanzminister des
Staates. Sie führen Rechnung über die gesammten Eiuucchmen und Ausgaben,
an sie werde" alle von den einzelnen Rezepturen vereinnahmten Gelder abgeführt,
ihre Rechnungsbücher, die sogenannten Baumeisterrechnuugen, geben daher ein
Kares und vollständiges Bild des städtischen Haushalts. Merkwürdig ist, daß
gerade die Bauherrn mit der Verwaltung des Stadtsäckels betraut waren, daß
man hiefür nicht eigene Kämmerer aufstellte, oder die Stenermeister, in deren


Vorläufer mit Muster gewesen siud. Namentlich das Steuerwesen hat sich
in de>l Städten des Mittelalters gleichsam vorbildlich auf dieselbe Weise
entwickelt, wie nachher in dein größeren Gemeinwesen der Staaten. Man ist
ausgegangen von Grundzinsen und persönlichen Leistungen; mau hat sich erst,
als diese für die Bestreitung der vermehrten Kvmmnnalbednrfnisse nicht aus¬
reichten, hauptsächlich der indirekten Besteuernngsweise durch Zölle und Accise
zugewendet, und ist endlich, als anch diese eine weitere Steigerung in Rücksicht
ans die unteren Einwvhnerklassen nicht zuließen, bei der Vermögens- und
Einkommensteuer augelangt. Und auch das letzte in unserer Zeit uur zu
beliebte Auskunftmittel, erhöhte oder außerordentliche Staatsbedürfnisse durch
Anleihen zu bestreikn, ist in diesen unserm kleinen Musterbildern des modernen
Staates schou ganz ebenso bekannt, ja fast noch geläufiger als heutzutage
gewesen!

Es- scheint mir daher nicht uninteressant, an dem Beispiel eiuer bestimmten
Stadt die Art und Weise des mittelalterlichen Stadthaushalts zu kennzeichnen
Denn das brauche ich wohl kaum noch auszuführen, daß die einzelnen Städte
auch bezüglich dieser Verwaltungseinrichtungen die allergrößte Verwandtschaft
zeigen. Wie das Recht einer Stadt die ursprüngliche Heimath verläßt und
nach allen Himmelsgegenden seine Rechtssätze weiter verbreitet, so hat auch
bezüglich der wirthschaftlichen und polizeilichen Einrichtungen ein solches
Wandern stattgefunden, so daß wir schließlich die Gesammtheit uuserer alte»
Städte von gleichartige!: Einrichtungen angefüllt erblicken.

Ich wähle das Beispiel Augsburgs, und zwar uicht bloß deshalb, weil
diese Stadt eine der verkehrsreichste« und blühendsten Städte des Mittelalters
war, sondern hauptsächlich auch darum, weil uns gerade hier das Quellen-
material in seltener Fülle und Frische vorliegt.

Fassen wir, ehe wir an die eigentliche Darstellung der mittelalterlichen
Stadtwirthschaft gehen, vorerst die Organe derselbe» kurz ius Auge. Die ge¬
sehgebende Gewalt und Oberaufsicht übte, wie wie auf alleil Gebieten der
Stadtverwaltung, so auch bezüglich der Führung des Stadthaushalts, der
Rath in seinen verschiedenen Abtheilungen als kleiner, (Vierundzwanziger),
alter (Zwölfer) und großer Rath. Nächst ihn: kommen dann vor allem die
zwei Baumeister in Betracht. Sie sind die eigentlichen Finanzminister des
Staates. Sie führen Rechnung über die gesammten Eiuucchmen und Ausgaben,
an sie werde» alle von den einzelnen Rezepturen vereinnahmten Gelder abgeführt,
ihre Rechnungsbücher, die sogenannten Baumeisterrechnuugen, geben daher ein
Kares und vollständiges Bild des städtischen Haushalts. Merkwürdig ist, daß
gerade die Bauherrn mit der Verwaltung des Stadtsäckels betraut waren, daß
man hiefür nicht eigene Kämmerer aufstellte, oder die Stenermeister, in deren


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[0067] Vorläufer mit Muster gewesen siud. Namentlich das Steuerwesen hat sich in de>l Städten des Mittelalters gleichsam vorbildlich auf dieselbe Weise entwickelt, wie nachher in dein größeren Gemeinwesen der Staaten. Man ist ausgegangen von Grundzinsen und persönlichen Leistungen; mau hat sich erst, als diese für die Bestreitung der vermehrten Kvmmnnalbednrfnisse nicht aus¬ reichten, hauptsächlich der indirekten Besteuernngsweise durch Zölle und Accise zugewendet, und ist endlich, als anch diese eine weitere Steigerung in Rücksicht ans die unteren Einwvhnerklassen nicht zuließen, bei der Vermögens- und Einkommensteuer augelangt. Und auch das letzte in unserer Zeit uur zu beliebte Auskunftmittel, erhöhte oder außerordentliche Staatsbedürfnisse durch Anleihen zu bestreikn, ist in diesen unserm kleinen Musterbildern des modernen Staates schou ganz ebenso bekannt, ja fast noch geläufiger als heutzutage gewesen! Es- scheint mir daher nicht uninteressant, an dem Beispiel eiuer bestimmten Stadt die Art und Weise des mittelalterlichen Stadthaushalts zu kennzeichnen Denn das brauche ich wohl kaum noch auszuführen, daß die einzelnen Städte auch bezüglich dieser Verwaltungseinrichtungen die allergrößte Verwandtschaft zeigen. Wie das Recht einer Stadt die ursprüngliche Heimath verläßt und nach allen Himmelsgegenden seine Rechtssätze weiter verbreitet, so hat auch bezüglich der wirthschaftlichen und polizeilichen Einrichtungen ein solches Wandern stattgefunden, so daß wir schließlich die Gesammtheit uuserer alte» Städte von gleichartige!: Einrichtungen angefüllt erblicken. Ich wähle das Beispiel Augsburgs, und zwar uicht bloß deshalb, weil diese Stadt eine der verkehrsreichste« und blühendsten Städte des Mittelalters war, sondern hauptsächlich auch darum, weil uns gerade hier das Quellen- material in seltener Fülle und Frische vorliegt. Fassen wir, ehe wir an die eigentliche Darstellung der mittelalterlichen Stadtwirthschaft gehen, vorerst die Organe derselbe» kurz ius Auge. Die ge¬ sehgebende Gewalt und Oberaufsicht übte, wie wie auf alleil Gebieten der Stadtverwaltung, so auch bezüglich der Führung des Stadthaushalts, der Rath in seinen verschiedenen Abtheilungen als kleiner, (Vierundzwanziger), alter (Zwölfer) und großer Rath. Nächst ihn: kommen dann vor allem die zwei Baumeister in Betracht. Sie sind die eigentlichen Finanzminister des Staates. Sie führen Rechnung über die gesammten Eiuucchmen und Ausgaben, an sie werde» alle von den einzelnen Rezepturen vereinnahmten Gelder abgeführt, ihre Rechnungsbücher, die sogenannten Baumeisterrechnuugen, geben daher ein Kares und vollständiges Bild des städtischen Haushalts. Merkwürdig ist, daß gerade die Bauherrn mit der Verwaltung des Stadtsäckels betraut waren, daß man hiefür nicht eigene Kämmerer aufstellte, oder die Stenermeister, in deren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/67>, abgerufen am 18.01.2025.