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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Die Rüstung der spartanischen Hopliten bestand bis zu den ersten Perser¬
kriegen lediglich in Helm, Schild und Schurz/') Beinschienen und Harnisch
kommen erst später allgemein vor; und zwar scheinen die Beinschienen für
wichtiger gegolten zu haben als der Brustschutz, wenigstens sind auf Vasen¬
bildern die Knemiden bei unzählig vielen Figuren angedeutet, denen der Harnisch
fehlt. Alle Spartiaten bekleideten sich vor Beginn des Kampfes statt mit
den ungefärbter Wollkitteln, welche sie daheim trugen, mit purpurfarbigem Ge¬
wändern und schlangen Kränze um Haupt oder Helm. -- Die leichtbewaffneten
Lakonen trugen auch in der Schlacht ihre breitkrämpigen Hüte und entbehrten
jedes metallenen Schutzes. -- Von der Strenge der Lebensweise, welcher die
Spartiaten daheim unterworfen waren, wurde im Felde manches nachgelassen,
sodaß das Lagerleben leichter und angenehmer war als das in der Stadt.
Auf dem Marsche wurden Schild und Helm dem Sklaven übergeben; nur
vom Speere trennte sich der Krieger nie. Die Marschfühigkeit war durch diese
Einrichtung sehr gesteigert. Die 2000 Spartiaten, welche dem marathvnischen
Schlachtfelde zueilten, legten den Weg von Sparta dahin in 3 Tagen zurück,
also auf deu Tag mehr als 8 Meilen -- eine eminente Leistung, die allerdings
auch damals schon als etwas Unerhörtes bewundert wurde.

Das Kriterium der dorischen Taktik ist das Fußvolksgefecht mit
kurzen Stoß- und Schlagwasser. -- "Als die Urväter aus dem Tempe-Thale
aufbrachen, um neue Sitze zu suchen, da galt es zunächst, auf den Ebenen
Thessaliens sich vor den Angriffen schwärmender Reitervölker zu schützen; dann
in Hellas und im Peloponnes mußten die Dorier den Rossen und Streitwagen
des ritterlichen Adels der Minyer und Achäer begegnen. Gegen beiderlei
Feind gab es Eine Wehr und Waffe: -- wie im dorischen Volke trotz höherer
Ehre gewisser Geschlechter dennoch die einzelnen Volksgenossen gleiche Rechte
und Pflichten hatten, so schlössen sie, die der gebirgige Boden der Heimath noth¬
wendig zu Fnßkämpfern gemacht hatte, sich zu der lebendigen Mauer der Hopliten-
phalanx zusammen, von deren Schilden der Anlauf der Kentaurensöhne abprallte,
vor deren Spießen Mann und Roß der adeligen Einzelkämpfer erlagen . . .
Diese alte dorische HoplitentaW war aber zugleich der naturwüchsige Ausdruck
des gemeinsamen Volkslebens in festlicher Verscunmelung und feierlichem Zug,
sei es zum Dienste der Götter, sei es zur Ausübung der staatlichen Bürger¬
rechte; sie ist die hergebrachte Form auf Turm- und Tanzplatz, und in dieser
ihrer ursprünglichen Schönheit und bedeutungsvollen Heiligkeit leuchtet sie noch
tief in die geschichtliche Zeit hinein. Die Dorier haben die althellenische Taktik
nicht erfunden, sondern geschaffen, nicht erlernt, sondern gelebt."^)




") O. Müller: Die Dorier II.
**) Rüstow's Einleitung zu den griechischen Taktikern.

Die Rüstung der spartanischen Hopliten bestand bis zu den ersten Perser¬
kriegen lediglich in Helm, Schild und Schurz/') Beinschienen und Harnisch
kommen erst später allgemein vor; und zwar scheinen die Beinschienen für
wichtiger gegolten zu haben als der Brustschutz, wenigstens sind auf Vasen¬
bildern die Knemiden bei unzählig vielen Figuren angedeutet, denen der Harnisch
fehlt. Alle Spartiaten bekleideten sich vor Beginn des Kampfes statt mit
den ungefärbter Wollkitteln, welche sie daheim trugen, mit purpurfarbigem Ge¬
wändern und schlangen Kränze um Haupt oder Helm. — Die leichtbewaffneten
Lakonen trugen auch in der Schlacht ihre breitkrämpigen Hüte und entbehrten
jedes metallenen Schutzes. — Von der Strenge der Lebensweise, welcher die
Spartiaten daheim unterworfen waren, wurde im Felde manches nachgelassen,
sodaß das Lagerleben leichter und angenehmer war als das in der Stadt.
Auf dem Marsche wurden Schild und Helm dem Sklaven übergeben; nur
vom Speere trennte sich der Krieger nie. Die Marschfühigkeit war durch diese
Einrichtung sehr gesteigert. Die 2000 Spartiaten, welche dem marathvnischen
Schlachtfelde zueilten, legten den Weg von Sparta dahin in 3 Tagen zurück,
also auf deu Tag mehr als 8 Meilen — eine eminente Leistung, die allerdings
auch damals schon als etwas Unerhörtes bewundert wurde.

Das Kriterium der dorischen Taktik ist das Fußvolksgefecht mit
kurzen Stoß- und Schlagwasser. — „Als die Urväter aus dem Tempe-Thale
aufbrachen, um neue Sitze zu suchen, da galt es zunächst, auf den Ebenen
Thessaliens sich vor den Angriffen schwärmender Reitervölker zu schützen; dann
in Hellas und im Peloponnes mußten die Dorier den Rossen und Streitwagen
des ritterlichen Adels der Minyer und Achäer begegnen. Gegen beiderlei
Feind gab es Eine Wehr und Waffe: — wie im dorischen Volke trotz höherer
Ehre gewisser Geschlechter dennoch die einzelnen Volksgenossen gleiche Rechte
und Pflichten hatten, so schlössen sie, die der gebirgige Boden der Heimath noth¬
wendig zu Fnßkämpfern gemacht hatte, sich zu der lebendigen Mauer der Hopliten-
phalanx zusammen, von deren Schilden der Anlauf der Kentaurensöhne abprallte,
vor deren Spießen Mann und Roß der adeligen Einzelkämpfer erlagen . . .
Diese alte dorische HoplitentaW war aber zugleich der naturwüchsige Ausdruck
des gemeinsamen Volkslebens in festlicher Verscunmelung und feierlichem Zug,
sei es zum Dienste der Götter, sei es zur Ausübung der staatlichen Bürger¬
rechte; sie ist die hergebrachte Form auf Turm- und Tanzplatz, und in dieser
ihrer ursprünglichen Schönheit und bedeutungsvollen Heiligkeit leuchtet sie noch
tief in die geschichtliche Zeit hinein. Die Dorier haben die althellenische Taktik
nicht erfunden, sondern geschaffen, nicht erlernt, sondern gelebt."^)




») O. Müller: Die Dorier II.
**) Rüstow's Einleitung zu den griechischen Taktikern.
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[0060] Die Rüstung der spartanischen Hopliten bestand bis zu den ersten Perser¬ kriegen lediglich in Helm, Schild und Schurz/') Beinschienen und Harnisch kommen erst später allgemein vor; und zwar scheinen die Beinschienen für wichtiger gegolten zu haben als der Brustschutz, wenigstens sind auf Vasen¬ bildern die Knemiden bei unzählig vielen Figuren angedeutet, denen der Harnisch fehlt. Alle Spartiaten bekleideten sich vor Beginn des Kampfes statt mit den ungefärbter Wollkitteln, welche sie daheim trugen, mit purpurfarbigem Ge¬ wändern und schlangen Kränze um Haupt oder Helm. — Die leichtbewaffneten Lakonen trugen auch in der Schlacht ihre breitkrämpigen Hüte und entbehrten jedes metallenen Schutzes. — Von der Strenge der Lebensweise, welcher die Spartiaten daheim unterworfen waren, wurde im Felde manches nachgelassen, sodaß das Lagerleben leichter und angenehmer war als das in der Stadt. Auf dem Marsche wurden Schild und Helm dem Sklaven übergeben; nur vom Speere trennte sich der Krieger nie. Die Marschfühigkeit war durch diese Einrichtung sehr gesteigert. Die 2000 Spartiaten, welche dem marathvnischen Schlachtfelde zueilten, legten den Weg von Sparta dahin in 3 Tagen zurück, also auf deu Tag mehr als 8 Meilen — eine eminente Leistung, die allerdings auch damals schon als etwas Unerhörtes bewundert wurde. Das Kriterium der dorischen Taktik ist das Fußvolksgefecht mit kurzen Stoß- und Schlagwasser. — „Als die Urväter aus dem Tempe-Thale aufbrachen, um neue Sitze zu suchen, da galt es zunächst, auf den Ebenen Thessaliens sich vor den Angriffen schwärmender Reitervölker zu schützen; dann in Hellas und im Peloponnes mußten die Dorier den Rossen und Streitwagen des ritterlichen Adels der Minyer und Achäer begegnen. Gegen beiderlei Feind gab es Eine Wehr und Waffe: — wie im dorischen Volke trotz höherer Ehre gewisser Geschlechter dennoch die einzelnen Volksgenossen gleiche Rechte und Pflichten hatten, so schlössen sie, die der gebirgige Boden der Heimath noth¬ wendig zu Fnßkämpfern gemacht hatte, sich zu der lebendigen Mauer der Hopliten- phalanx zusammen, von deren Schilden der Anlauf der Kentaurensöhne abprallte, vor deren Spießen Mann und Roß der adeligen Einzelkämpfer erlagen . . . Diese alte dorische HoplitentaW war aber zugleich der naturwüchsige Ausdruck des gemeinsamen Volkslebens in festlicher Verscunmelung und feierlichem Zug, sei es zum Dienste der Götter, sei es zur Ausübung der staatlichen Bürger¬ rechte; sie ist die hergebrachte Form auf Turm- und Tanzplatz, und in dieser ihrer ursprünglichen Schönheit und bedeutungsvollen Heiligkeit leuchtet sie noch tief in die geschichtliche Zeit hinein. Die Dorier haben die althellenische Taktik nicht erfunden, sondern geschaffen, nicht erlernt, sondern gelebt."^) ») O. Müller: Die Dorier II. **) Rüstow's Einleitung zu den griechischen Taktikern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/60>, abgerufen am 20.10.2024.