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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Verderben der junge Gemahl Lukrezias zurück. Was ihn dazu bewogen --
Drohungen und Schmeichelworte sind abwechselnd an ihn gerichtet worden --
wir wissen es nicht. Im Oktober kehrten alle nach Rom zurück, und hier gebar
am 1. November Lukrezia einen Sohn, Rodrigo nach ihrem Vater genannt.
Als Alexander dann in Folge eines Kamineinstnrzes darniederlag, hielt Cescire
den Moment für gekommen, um einen längst gehegten Plan auszuführen. Da
er mit Lukrezia Anderes im Sinne hatte, so haßte er ihren jungen Gemahl,
und da die Ehe des Sohnes wegen nicht geschieden werden konnte, beschloß er
eine andere, ihm nur zu geläufige Trennung vorzunehmen.

Folgen wir der Darstellung von Gregorovius.*) Am 15. Juli 11 Uhr
Nachts begab sich Alphonso aus seinem Palaste nach dem Vatikans, wo seine
Gemahlin sich befand. An der Peterstreppe fielen Vermummte über ihn her;
schwer verwundet an Kopf und Schenkeln eilte er in das Gemach des Papstes,
wo die Frauen beim Anblick des Bindende" zusammenstürzten. Man trug ihn
in ein Gemach des Vatikans, ein Kardinal hatte ihm schon die Absolution
ertheilt, als er bei guter Pflege genas.

Seine Frau und seine Schwester kochten ihm selbst die Speisen, um ihn,
wie Capello berichtet, vor Gift sicher zu stellen. Der Papst selbst stellte
Wächter vor der Thüre auf, um den Schwiegersohn vor dem Sohne zu
schützen.

Wer der Thäter gewesen war, wurde wohl geflüstert, aber weiter kein
Aufhebens gemacht. Man weiß es nicht, schrieb der Venezianische Gesandte,
aber man sagt, es sei dieselbe Person gewesen, die den Herzog von Gambia
ermorden und in die Tiber werfen ließ. Zu demselben Gesandten aber sagte
schamlos der Mörder: "ich habe den Herzog nicht verwundet, aber wenn ich
es gethan, so wäre es von ihm wohl verdient gewesen."

In seiner Frechheit ging er so weit, sein Opfer zu besuchen und im Heraus¬
gehen hörte man ihn sagen: "was am Mittag nicht geschehen ist, kann am
Abend geschehen."**) Als nun der Herzog fast hergestellt war, verlor der Mörder
die Geduld. Am 18. August um 9 Uhr Abends kam er wieder in das Gemach,
so berichtet Paolo Capello, Lukrezia und Sanzia jagte er hinaus, dann rief er
seinem schrecklichen Hauptmann Micheletto und ließ seinen Schwager erwürgen.
Offen und schamlos erklärte er jetzt, er habe den Herzog umbringen lassen, weil
er ihm selber nach dem Leben getrachtet und durch Bogenschützen nach ihm
habe schießen lassen, als er sich im Garten des Vatikans befunden habe. Der
Papst wagte nichts gegen seinen Sohn zu unternehmen -- Capello sagt, er




") Gregorovius, I. S. 136--138. Sie ist wörtlich dem Berichte Paolo Capellos ent¬
nommen, vergl. Ranke, XXXIX. S. W.^
"^netto von s iÄtto s, um",r, se k"r" " vsna."

Verderben der junge Gemahl Lukrezias zurück. Was ihn dazu bewogen —
Drohungen und Schmeichelworte sind abwechselnd an ihn gerichtet worden —
wir wissen es nicht. Im Oktober kehrten alle nach Rom zurück, und hier gebar
am 1. November Lukrezia einen Sohn, Rodrigo nach ihrem Vater genannt.
Als Alexander dann in Folge eines Kamineinstnrzes darniederlag, hielt Cescire
den Moment für gekommen, um einen längst gehegten Plan auszuführen. Da
er mit Lukrezia Anderes im Sinne hatte, so haßte er ihren jungen Gemahl,
und da die Ehe des Sohnes wegen nicht geschieden werden konnte, beschloß er
eine andere, ihm nur zu geläufige Trennung vorzunehmen.

Folgen wir der Darstellung von Gregorovius.*) Am 15. Juli 11 Uhr
Nachts begab sich Alphonso aus seinem Palaste nach dem Vatikans, wo seine
Gemahlin sich befand. An der Peterstreppe fielen Vermummte über ihn her;
schwer verwundet an Kopf und Schenkeln eilte er in das Gemach des Papstes,
wo die Frauen beim Anblick des Bindende» zusammenstürzten. Man trug ihn
in ein Gemach des Vatikans, ein Kardinal hatte ihm schon die Absolution
ertheilt, als er bei guter Pflege genas.

Seine Frau und seine Schwester kochten ihm selbst die Speisen, um ihn,
wie Capello berichtet, vor Gift sicher zu stellen. Der Papst selbst stellte
Wächter vor der Thüre auf, um den Schwiegersohn vor dem Sohne zu
schützen.

Wer der Thäter gewesen war, wurde wohl geflüstert, aber weiter kein
Aufhebens gemacht. Man weiß es nicht, schrieb der Venezianische Gesandte,
aber man sagt, es sei dieselbe Person gewesen, die den Herzog von Gambia
ermorden und in die Tiber werfen ließ. Zu demselben Gesandten aber sagte
schamlos der Mörder: „ich habe den Herzog nicht verwundet, aber wenn ich
es gethan, so wäre es von ihm wohl verdient gewesen."

In seiner Frechheit ging er so weit, sein Opfer zu besuchen und im Heraus¬
gehen hörte man ihn sagen: „was am Mittag nicht geschehen ist, kann am
Abend geschehen."**) Als nun der Herzog fast hergestellt war, verlor der Mörder
die Geduld. Am 18. August um 9 Uhr Abends kam er wieder in das Gemach,
so berichtet Paolo Capello, Lukrezia und Sanzia jagte er hinaus, dann rief er
seinem schrecklichen Hauptmann Micheletto und ließ seinen Schwager erwürgen.
Offen und schamlos erklärte er jetzt, er habe den Herzog umbringen lassen, weil
er ihm selber nach dem Leben getrachtet und durch Bogenschützen nach ihm
habe schießen lassen, als er sich im Garten des Vatikans befunden habe. Der
Papst wagte nichts gegen seinen Sohn zu unternehmen — Capello sagt, er




") Gregorovius, I. S. 136—138. Sie ist wörtlich dem Berichte Paolo Capellos ent¬
nommen, vergl. Ranke, XXXIX. S. W.^
„^netto von s iÄtto s, um»,r, se k»r» » vsna."
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[0502] Verderben der junge Gemahl Lukrezias zurück. Was ihn dazu bewogen — Drohungen und Schmeichelworte sind abwechselnd an ihn gerichtet worden — wir wissen es nicht. Im Oktober kehrten alle nach Rom zurück, und hier gebar am 1. November Lukrezia einen Sohn, Rodrigo nach ihrem Vater genannt. Als Alexander dann in Folge eines Kamineinstnrzes darniederlag, hielt Cescire den Moment für gekommen, um einen längst gehegten Plan auszuführen. Da er mit Lukrezia Anderes im Sinne hatte, so haßte er ihren jungen Gemahl, und da die Ehe des Sohnes wegen nicht geschieden werden konnte, beschloß er eine andere, ihm nur zu geläufige Trennung vorzunehmen. Folgen wir der Darstellung von Gregorovius.*) Am 15. Juli 11 Uhr Nachts begab sich Alphonso aus seinem Palaste nach dem Vatikans, wo seine Gemahlin sich befand. An der Peterstreppe fielen Vermummte über ihn her; schwer verwundet an Kopf und Schenkeln eilte er in das Gemach des Papstes, wo die Frauen beim Anblick des Bindende» zusammenstürzten. Man trug ihn in ein Gemach des Vatikans, ein Kardinal hatte ihm schon die Absolution ertheilt, als er bei guter Pflege genas. Seine Frau und seine Schwester kochten ihm selbst die Speisen, um ihn, wie Capello berichtet, vor Gift sicher zu stellen. Der Papst selbst stellte Wächter vor der Thüre auf, um den Schwiegersohn vor dem Sohne zu schützen. Wer der Thäter gewesen war, wurde wohl geflüstert, aber weiter kein Aufhebens gemacht. Man weiß es nicht, schrieb der Venezianische Gesandte, aber man sagt, es sei dieselbe Person gewesen, die den Herzog von Gambia ermorden und in die Tiber werfen ließ. Zu demselben Gesandten aber sagte schamlos der Mörder: „ich habe den Herzog nicht verwundet, aber wenn ich es gethan, so wäre es von ihm wohl verdient gewesen." In seiner Frechheit ging er so weit, sein Opfer zu besuchen und im Heraus¬ gehen hörte man ihn sagen: „was am Mittag nicht geschehen ist, kann am Abend geschehen."**) Als nun der Herzog fast hergestellt war, verlor der Mörder die Geduld. Am 18. August um 9 Uhr Abends kam er wieder in das Gemach, so berichtet Paolo Capello, Lukrezia und Sanzia jagte er hinaus, dann rief er seinem schrecklichen Hauptmann Micheletto und ließ seinen Schwager erwürgen. Offen und schamlos erklärte er jetzt, er habe den Herzog umbringen lassen, weil er ihm selber nach dem Leben getrachtet und durch Bogenschützen nach ihm habe schießen lassen, als er sich im Garten des Vatikans befunden habe. Der Papst wagte nichts gegen seinen Sohn zu unternehmen — Capello sagt, er ") Gregorovius, I. S. 136—138. Sie ist wörtlich dem Berichte Paolo Capellos ent¬ nommen, vergl. Ranke, XXXIX. S. W.^ „^netto von s iÄtto s, um»,r, se k»r» » vsna."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/502>, abgerufen am 18.01.2025.