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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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das Kind als das Cesares bezeichnen, aber es sind dies Dokumente, in denen
Giovanni nicht als Sohn Alexanders d. h. des Papstes bezeichnet werden konnte.
Die Erklärung dieser Widersprüche ist an der Hand der beiden Breven, welche
Gregorovius selbst mitgetheilt hat, nicht schwer. Als im Jahre 1S01 die Ehe
Lukrezias mit Alfonso d'Este in Aussicht stand, fühlte Alexander das
Bedürfniß, diesem mysteriösen Kinde eine beglaubigte und gesicherte Existenz
zu verleihen. Zu diesem Zweck erließ, er zwei Breven an Juan de Borgia,
beide vom 1. September 1501 datirt. In dem ersten wird konstatirt, daß
besagter Giovanni, drei Jahre alt, ein unehelicher Sohn Cesare Borgias sei,
und darauf das Kind aus apostolischer Macht legitimirt und in alle Rechte
seiner Verwandten eingesetzt. In dem zweiten Breve aber erkennt Alexander VI.
den Giovanni als sein eignes Kind an.*) Es geschah dieses, weil die Isxss
LÄnoinoi dem Papste verbieten, ein natürliches Kind anzuerkennen und beweist
klar, daß in der That der Papst der Vater des Kindes gewesen sein muß,
da sonst gar kein Grund zur Abfassung des zweiten Breves vorhanden war.
Zum Scherze wird Alexander VI. sich schwerlich als Vater eines Kindes der
Nachwelt bekannt haben.

Ich rekapitulire noch einmal die kompromittirenden Thatsachen.

1. Ostern 1497 flieht Sforza aus Rom.

2. am 4. Juni 1497 geht Lukrezia nach San Sisto,**) Donato Aretino
berichtet über das Aufsehen und was sich darüber verbreitete.

3. am 23. Juni 1497 berichtet Costabili ans Mailand, daß Johann Sforza
dem Herzoge Lodovico von dem intimen Verhältnisse Lukrezias zu ihrem Vater
gesprochen habe.

4. Anfang 1498 gebar Lukrezia ein uneheliches Kind, wie im März 1498
ästig, ?iArm berichtet.***)





*) "Weil du aber diesen Mangel (legitimer Geburt) nicht von dem genannten Herzog
(Cesare) sondern von uns und der genannten ledigen Frau trägst, was wir aus guten
Gründen in der vorausgegangenen Schrift nicht haben ausdrücken wollen, so wollen wir,
auf daß jene Schrift niemals als null erklärt werde, und dir im Lauf der Zeit daraus eine
Beschwerde erwachse, dem in Gnaden vorsehen, und wir bestätigen Dir aus unserem freien
Entschluß, aus unserer Großmuth und Machtvollkommenheit durch das Gegenwärtige die
volle Gültigkeit von allem, was in jener Schrift enthalten ist."
^) Gregorovius sagt (I. S. 99) "unzweifelhaft hing ihre Entfernung nach S. Sisto mit
der gewaltsamen Trennung ihrer Ehe zusammen. Sehr möglich, ja sehr wahrscheinlich, denn
Lukrezia wird sich damals gerade in den Anfängen der Schwangerschaft befunden haben,
da sie 1493 (jedenfalls im Januar oder Februar) ein uneheliches Kind gebar. Die Ehe
mit Sforza wurde geschieden, weil Sforza angeblich die Ehe niemals vollzogen haben sollte,
und da wäre allerdings eine Schwangerschaft sehr unangenehm und störend gewesen.
""Mdemollo betont nicht ohne Grund, daß die Berichte, obwohl gegen Lukrezia ein¬
genommen, keinen Liebhaber in ihrem römischen Leben nennen, der ihr gestattet gewesen
wäre. Wenn ein "am"nes xossibils" der Vater gewesen wäre, würden wir etwas von ihm

das Kind als das Cesares bezeichnen, aber es sind dies Dokumente, in denen
Giovanni nicht als Sohn Alexanders d. h. des Papstes bezeichnet werden konnte.
Die Erklärung dieser Widersprüche ist an der Hand der beiden Breven, welche
Gregorovius selbst mitgetheilt hat, nicht schwer. Als im Jahre 1S01 die Ehe
Lukrezias mit Alfonso d'Este in Aussicht stand, fühlte Alexander das
Bedürfniß, diesem mysteriösen Kinde eine beglaubigte und gesicherte Existenz
zu verleihen. Zu diesem Zweck erließ, er zwei Breven an Juan de Borgia,
beide vom 1. September 1501 datirt. In dem ersten wird konstatirt, daß
besagter Giovanni, drei Jahre alt, ein unehelicher Sohn Cesare Borgias sei,
und darauf das Kind aus apostolischer Macht legitimirt und in alle Rechte
seiner Verwandten eingesetzt. In dem zweiten Breve aber erkennt Alexander VI.
den Giovanni als sein eignes Kind an.*) Es geschah dieses, weil die Isxss
LÄnoinoi dem Papste verbieten, ein natürliches Kind anzuerkennen und beweist
klar, daß in der That der Papst der Vater des Kindes gewesen sein muß,
da sonst gar kein Grund zur Abfassung des zweiten Breves vorhanden war.
Zum Scherze wird Alexander VI. sich schwerlich als Vater eines Kindes der
Nachwelt bekannt haben.

Ich rekapitulire noch einmal die kompromittirenden Thatsachen.

1. Ostern 1497 flieht Sforza aus Rom.

2. am 4. Juni 1497 geht Lukrezia nach San Sisto,**) Donato Aretino
berichtet über das Aufsehen und was sich darüber verbreitete.

3. am 23. Juni 1497 berichtet Costabili ans Mailand, daß Johann Sforza
dem Herzoge Lodovico von dem intimen Verhältnisse Lukrezias zu ihrem Vater
gesprochen habe.

4. Anfang 1498 gebar Lukrezia ein uneheliches Kind, wie im März 1498
ästig, ?iArm berichtet.***)





*) „Weil du aber diesen Mangel (legitimer Geburt) nicht von dem genannten Herzog
(Cesare) sondern von uns und der genannten ledigen Frau trägst, was wir aus guten
Gründen in der vorausgegangenen Schrift nicht haben ausdrücken wollen, so wollen wir,
auf daß jene Schrift niemals als null erklärt werde, und dir im Lauf der Zeit daraus eine
Beschwerde erwachse, dem in Gnaden vorsehen, und wir bestätigen Dir aus unserem freien
Entschluß, aus unserer Großmuth und Machtvollkommenheit durch das Gegenwärtige die
volle Gültigkeit von allem, was in jener Schrift enthalten ist."
^) Gregorovius sagt (I. S. 99) „unzweifelhaft hing ihre Entfernung nach S. Sisto mit
der gewaltsamen Trennung ihrer Ehe zusammen. Sehr möglich, ja sehr wahrscheinlich, denn
Lukrezia wird sich damals gerade in den Anfängen der Schwangerschaft befunden haben,
da sie 1493 (jedenfalls im Januar oder Februar) ein uneheliches Kind gebar. Die Ehe
mit Sforza wurde geschieden, weil Sforza angeblich die Ehe niemals vollzogen haben sollte,
und da wäre allerdings eine Schwangerschaft sehr unangenehm und störend gewesen.
«"Mdemollo betont nicht ohne Grund, daß die Berichte, obwohl gegen Lukrezia ein¬
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[0499] das Kind als das Cesares bezeichnen, aber es sind dies Dokumente, in denen Giovanni nicht als Sohn Alexanders d. h. des Papstes bezeichnet werden konnte. Die Erklärung dieser Widersprüche ist an der Hand der beiden Breven, welche Gregorovius selbst mitgetheilt hat, nicht schwer. Als im Jahre 1S01 die Ehe Lukrezias mit Alfonso d'Este in Aussicht stand, fühlte Alexander das Bedürfniß, diesem mysteriösen Kinde eine beglaubigte und gesicherte Existenz zu verleihen. Zu diesem Zweck erließ, er zwei Breven an Juan de Borgia, beide vom 1. September 1501 datirt. In dem ersten wird konstatirt, daß besagter Giovanni, drei Jahre alt, ein unehelicher Sohn Cesare Borgias sei, und darauf das Kind aus apostolischer Macht legitimirt und in alle Rechte seiner Verwandten eingesetzt. In dem zweiten Breve aber erkennt Alexander VI. den Giovanni als sein eignes Kind an.*) Es geschah dieses, weil die Isxss LÄnoinoi dem Papste verbieten, ein natürliches Kind anzuerkennen und beweist klar, daß in der That der Papst der Vater des Kindes gewesen sein muß, da sonst gar kein Grund zur Abfassung des zweiten Breves vorhanden war. Zum Scherze wird Alexander VI. sich schwerlich als Vater eines Kindes der Nachwelt bekannt haben. Ich rekapitulire noch einmal die kompromittirenden Thatsachen. 1. Ostern 1497 flieht Sforza aus Rom. 2. am 4. Juni 1497 geht Lukrezia nach San Sisto,**) Donato Aretino berichtet über das Aufsehen und was sich darüber verbreitete. 3. am 23. Juni 1497 berichtet Costabili ans Mailand, daß Johann Sforza dem Herzoge Lodovico von dem intimen Verhältnisse Lukrezias zu ihrem Vater gesprochen habe. 4. Anfang 1498 gebar Lukrezia ein uneheliches Kind, wie im März 1498 ästig, ?iArm berichtet.***) *) „Weil du aber diesen Mangel (legitimer Geburt) nicht von dem genannten Herzog (Cesare) sondern von uns und der genannten ledigen Frau trägst, was wir aus guten Gründen in der vorausgegangenen Schrift nicht haben ausdrücken wollen, so wollen wir, auf daß jene Schrift niemals als null erklärt werde, und dir im Lauf der Zeit daraus eine Beschwerde erwachse, dem in Gnaden vorsehen, und wir bestätigen Dir aus unserem freien Entschluß, aus unserer Großmuth und Machtvollkommenheit durch das Gegenwärtige die volle Gültigkeit von allem, was in jener Schrift enthalten ist." ^) Gregorovius sagt (I. S. 99) „unzweifelhaft hing ihre Entfernung nach S. Sisto mit der gewaltsamen Trennung ihrer Ehe zusammen. Sehr möglich, ja sehr wahrscheinlich, denn Lukrezia wird sich damals gerade in den Anfängen der Schwangerschaft befunden haben, da sie 1493 (jedenfalls im Januar oder Februar) ein uneheliches Kind gebar. Die Ehe mit Sforza wurde geschieden, weil Sforza angeblich die Ehe niemals vollzogen haben sollte, und da wäre allerdings eine Schwangerschaft sehr unangenehm und störend gewesen. «"Mdemollo betont nicht ohne Grund, daß die Berichte, obwohl gegen Lukrezia ein¬ genommen, keinen Liebhaber in ihrem römischen Leben nennen, der ihr gestattet gewesen wäre. Wenn ein „am»nes xossibils" der Vater gewesen wäre, würden wir etwas von ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/499>, abgerufen am 27.09.2024.