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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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in einem sehr üblen Rufe, der, wenn man auch stark übertrieben hat, noch
immer arg genug bleibt.

Sonst war ihre Bildung nicht gering, selbst nicht sür die damalige Zeit,
welche den Frauen eine halbklassische Bildung verlieh, und es zeigt dies, daß
Rodrigo Borgia auf eine sorgfältige Erziehung seiner Kinder bedacht war.
Lukrezia sprach spanisch, französisch, griechisch, italienisch, ein wenig auch latei¬
nisch. Griechisch hatte sie von den Flüchtlingen gelernt, die mit der Königin
Carlotta von Cypern gekommen waren.*) Daß sie in allen Sprachen ge¬
dichtet, ist schwer zu glauben, ihre Briefe sind alle gut geschrieben, aber inhaltlich
höchst flach und leer; ganz so wird es sich auch mit Kopf und Herz verhalten
haben, wenigstens haben wir keinen Grund, etwas besseres anzunehmen. Aus
dieser Zeit des Heranwachsens wissen wir so gut wie gar nichts von Lukrezia,
erst mit dem Plane ihrer Verheirathung erfahren wir Näheres über sie. Schon
im 11. Lebensjahre wurde über ihre Hand bestimmt, und dieselbe einem vor¬
nehmen Spanier de Centelles zugesagt. Unbekannte Gründe lösten dieses Ver¬
hältniß, welches nur in einem kirchlichen Kontrakte bestanden hatte, wieder
auf; indessen noch vorher verlobte sie ihr Vater mit einem Grafen von Aversa,
wahrscheinlich nur, weil ihm diese Partie besser erschien.

Ganz anders aber sollte sich das Schicksal der Kinder Borgia gestalten,
als am 25. Juli 1492 der Tod Innocenz VIII. erfolgte und am 11. August
Rodrigo Borgia über seine drei Nebenbuhler Rafael Riario, Giuliano Rovere
und Ascanio Sforza den Sieg davon trug. Sforza fiel ab, dies gab den
Ausschlag und als Alexander VI. bestieg Borgia den päpstlichen Stuhl. - So¬
fort dachte er an nichts anderes, als seinen Kindern eine Laufbahn, so glän¬
zend wie nur möglich zu erhalten. Schon am Tage seiner Krönung hatte er
seinen 16jährigen Lieblingssohn Cesare zum Erzbischofe von Valenzia ernannt,
am 1. Sept. machte er Juan Borgia, einen Sohn seiner Schwester zum
Kardinal und so ging es weiter mit der ganzen übrigen Verwandtschaft. Nicht
10 Papstthümer würden ausreichen, diese Sippschaft zu befriedigen, so schrieb
damals der Ferrcirese Gian Andrea Boccaeio an Herzog Ercole.**)

Auch sür Lukrezia standen andere Tage und Pläne in Aussicht. Die
Sforza, Ludovico wie der Kardinal Ascanio, schlugen dem Papste jetzt ihren
Verwandten Giovanni Sforza, Souverän von Pesaro und Colognola, einen
der kleinen Tyrannen Italiens als Eidam vor und Alexander nahm das Bündniß
mit dieser mächtigen Familie begierig an. Auch Sforza zeigte sich sehr bereit,
sich die Hand Lukrezias zu sichern, denn schon standen Bewerber in großer




*) Grcgorovius, I-S. 31.
**) Grcgorovius I. S. 47

in einem sehr üblen Rufe, der, wenn man auch stark übertrieben hat, noch
immer arg genug bleibt.

Sonst war ihre Bildung nicht gering, selbst nicht sür die damalige Zeit,
welche den Frauen eine halbklassische Bildung verlieh, und es zeigt dies, daß
Rodrigo Borgia auf eine sorgfältige Erziehung seiner Kinder bedacht war.
Lukrezia sprach spanisch, französisch, griechisch, italienisch, ein wenig auch latei¬
nisch. Griechisch hatte sie von den Flüchtlingen gelernt, die mit der Königin
Carlotta von Cypern gekommen waren.*) Daß sie in allen Sprachen ge¬
dichtet, ist schwer zu glauben, ihre Briefe sind alle gut geschrieben, aber inhaltlich
höchst flach und leer; ganz so wird es sich auch mit Kopf und Herz verhalten
haben, wenigstens haben wir keinen Grund, etwas besseres anzunehmen. Aus
dieser Zeit des Heranwachsens wissen wir so gut wie gar nichts von Lukrezia,
erst mit dem Plane ihrer Verheirathung erfahren wir Näheres über sie. Schon
im 11. Lebensjahre wurde über ihre Hand bestimmt, und dieselbe einem vor¬
nehmen Spanier de Centelles zugesagt. Unbekannte Gründe lösten dieses Ver¬
hältniß, welches nur in einem kirchlichen Kontrakte bestanden hatte, wieder
auf; indessen noch vorher verlobte sie ihr Vater mit einem Grafen von Aversa,
wahrscheinlich nur, weil ihm diese Partie besser erschien.

Ganz anders aber sollte sich das Schicksal der Kinder Borgia gestalten,
als am 25. Juli 1492 der Tod Innocenz VIII. erfolgte und am 11. August
Rodrigo Borgia über seine drei Nebenbuhler Rafael Riario, Giuliano Rovere
und Ascanio Sforza den Sieg davon trug. Sforza fiel ab, dies gab den
Ausschlag und als Alexander VI. bestieg Borgia den päpstlichen Stuhl. - So¬
fort dachte er an nichts anderes, als seinen Kindern eine Laufbahn, so glän¬
zend wie nur möglich zu erhalten. Schon am Tage seiner Krönung hatte er
seinen 16jährigen Lieblingssohn Cesare zum Erzbischofe von Valenzia ernannt,
am 1. Sept. machte er Juan Borgia, einen Sohn seiner Schwester zum
Kardinal und so ging es weiter mit der ganzen übrigen Verwandtschaft. Nicht
10 Papstthümer würden ausreichen, diese Sippschaft zu befriedigen, so schrieb
damals der Ferrcirese Gian Andrea Boccaeio an Herzog Ercole.**)

Auch sür Lukrezia standen andere Tage und Pläne in Aussicht. Die
Sforza, Ludovico wie der Kardinal Ascanio, schlugen dem Papste jetzt ihren
Verwandten Giovanni Sforza, Souverän von Pesaro und Colognola, einen
der kleinen Tyrannen Italiens als Eidam vor und Alexander nahm das Bündniß
mit dieser mächtigen Familie begierig an. Auch Sforza zeigte sich sehr bereit,
sich die Hand Lukrezias zu sichern, denn schon standen Bewerber in großer




*) Grcgorovius, I-S. 31.
**) Grcgorovius I. S. 47
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[0493] in einem sehr üblen Rufe, der, wenn man auch stark übertrieben hat, noch immer arg genug bleibt. Sonst war ihre Bildung nicht gering, selbst nicht sür die damalige Zeit, welche den Frauen eine halbklassische Bildung verlieh, und es zeigt dies, daß Rodrigo Borgia auf eine sorgfältige Erziehung seiner Kinder bedacht war. Lukrezia sprach spanisch, französisch, griechisch, italienisch, ein wenig auch latei¬ nisch. Griechisch hatte sie von den Flüchtlingen gelernt, die mit der Königin Carlotta von Cypern gekommen waren.*) Daß sie in allen Sprachen ge¬ dichtet, ist schwer zu glauben, ihre Briefe sind alle gut geschrieben, aber inhaltlich höchst flach und leer; ganz so wird es sich auch mit Kopf und Herz verhalten haben, wenigstens haben wir keinen Grund, etwas besseres anzunehmen. Aus dieser Zeit des Heranwachsens wissen wir so gut wie gar nichts von Lukrezia, erst mit dem Plane ihrer Verheirathung erfahren wir Näheres über sie. Schon im 11. Lebensjahre wurde über ihre Hand bestimmt, und dieselbe einem vor¬ nehmen Spanier de Centelles zugesagt. Unbekannte Gründe lösten dieses Ver¬ hältniß, welches nur in einem kirchlichen Kontrakte bestanden hatte, wieder auf; indessen noch vorher verlobte sie ihr Vater mit einem Grafen von Aversa, wahrscheinlich nur, weil ihm diese Partie besser erschien. Ganz anders aber sollte sich das Schicksal der Kinder Borgia gestalten, als am 25. Juli 1492 der Tod Innocenz VIII. erfolgte und am 11. August Rodrigo Borgia über seine drei Nebenbuhler Rafael Riario, Giuliano Rovere und Ascanio Sforza den Sieg davon trug. Sforza fiel ab, dies gab den Ausschlag und als Alexander VI. bestieg Borgia den päpstlichen Stuhl. - So¬ fort dachte er an nichts anderes, als seinen Kindern eine Laufbahn, so glän¬ zend wie nur möglich zu erhalten. Schon am Tage seiner Krönung hatte er seinen 16jährigen Lieblingssohn Cesare zum Erzbischofe von Valenzia ernannt, am 1. Sept. machte er Juan Borgia, einen Sohn seiner Schwester zum Kardinal und so ging es weiter mit der ganzen übrigen Verwandtschaft. Nicht 10 Papstthümer würden ausreichen, diese Sippschaft zu befriedigen, so schrieb damals der Ferrcirese Gian Andrea Boccaeio an Herzog Ercole.**) Auch sür Lukrezia standen andere Tage und Pläne in Aussicht. Die Sforza, Ludovico wie der Kardinal Ascanio, schlugen dem Papste jetzt ihren Verwandten Giovanni Sforza, Souverän von Pesaro und Colognola, einen der kleinen Tyrannen Italiens als Eidam vor und Alexander nahm das Bündniß mit dieser mächtigen Familie begierig an. Auch Sforza zeigte sich sehr bereit, sich die Hand Lukrezias zu sichern, denn schon standen Bewerber in großer *) Grcgorovius, I-S. 31. **) Grcgorovius I. S. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/493>, abgerufen am 27.09.2024.