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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Papste, doch nicht mehr wird so entschieden in das Reich der Legende versetzt
werden können.

Ehe ich mich zu dem Inhalte dieses Dokumentes wende, werde ich noth¬
gedrungen die Hauptmomente ans der römischen Lebensepisode Lukrezias sowie
die bisher bekannten Umstände, welche das Urtheil jener älteren italienischen
Geschichtsschreiber zu bestätigen scheinen, zu skizziren haben.

Aus der Nähe Valenzia's stammte das spanische Geschlecht der Borja.
In Rom war der Begründer ihrer Familie jener Alphonso Borgici, von dessen
Eltern, soviel auch darüber gefabelt worden, gar nichts bekannt ist. In Be¬
gleitung von König Alphons, dessen Sekretair er gewesen war, und der ihm
später das Bisthum Valenzia verschafft hatte, kam er nach Neapel, von dort
1444, 60 Jahre alt, als Kardinal nach Rom, wo er endlich 1455 als Calix-
tus III. den päpstlichen Stuhl bestieg.

Ein Schwarm von Nepoten umgab bald, nach der Sitte der Zeit, sein
Haus. Alle kamen sie ans Spanien herüber, um unter dem breiten Schatten
der Kirche ihr Glück zu machen, und keinem ist es mißlungen. Dreien seiner
Neffen verlieh Calixtus III. die Kardinalswürde, ein vierter wurde Herzog
von Spoleto und Feldhauptmann der Kirche.

Der jüngste und begabteste dieser Neffen war Rodrigo Borgia.*) Mit
25 Jahren war er Kardinal, mit 26 bereits Vizekanzler der römischen Kirche.
Er war derjenige, auf den sich die Nepotenliebe des Papstes förmlich konzen-
trirt hat, auf den er alle Ehren und Schätze der Kirche häufte, zugleich der
erste einer langen Reihe von Kirchenfürsten, welche alle es versuchten, raubend
und mordend unter den kleinen Fürsten des Kirchenstaates eine eigene Dynastie
zu gründen. War doch ein Papstthum nur kurz und eine Vererbung desselben
unmöglich. Als Kardinal behielt Rodrigo Borgia, auch nach dem Tode seines
Oheims seine einflußreiche Stellung bei, noch mächtiger und bedeutsamer
machten ihn seine Reichthümer, kolossal selbst für die damalige Zeit. Er wird
geschildert als einer der schönsten Männer der Zeit, von den Frauen angebetet,
eine majestätische Erscheinung, dabei in hohem Maße beredt, von steter und
heiterer Klarheit, verschlagen und von wunderbarer Kunst in der Behandlung
von Geschäften;^) alles in allem eine gefährliche und blendende Erscheinung.




*) Eigentlich Lanzol, aus Xativa bei Valenzia.
So schildert ihn 1486 Jacob von Bolterra. Guicciardini nennt ihn in seiner
Storis. Korsntin-t, opers means, IV III. x. 303. (I?irsnM 18S9), "nowo valsiitiWimo s ni
gran ZinÄieio S kmimo"; in seinen Kistoris: "xsrolis in ^lexiwäro IV. tu solertis, s s^eiw
"inAvIsre, vonsixlio svesllente, McÄoig, K xorsnaclers wAiÄvigliosg,, sa s, kutes 1e ^eeknüs
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Papste, doch nicht mehr wird so entschieden in das Reich der Legende versetzt
werden können.

Ehe ich mich zu dem Inhalte dieses Dokumentes wende, werde ich noth¬
gedrungen die Hauptmomente ans der römischen Lebensepisode Lukrezias sowie
die bisher bekannten Umstände, welche das Urtheil jener älteren italienischen
Geschichtsschreiber zu bestätigen scheinen, zu skizziren haben.

Aus der Nähe Valenzia's stammte das spanische Geschlecht der Borja.
In Rom war der Begründer ihrer Familie jener Alphonso Borgici, von dessen
Eltern, soviel auch darüber gefabelt worden, gar nichts bekannt ist. In Be¬
gleitung von König Alphons, dessen Sekretair er gewesen war, und der ihm
später das Bisthum Valenzia verschafft hatte, kam er nach Neapel, von dort
1444, 60 Jahre alt, als Kardinal nach Rom, wo er endlich 1455 als Calix-
tus III. den päpstlichen Stuhl bestieg.

Ein Schwarm von Nepoten umgab bald, nach der Sitte der Zeit, sein
Haus. Alle kamen sie ans Spanien herüber, um unter dem breiten Schatten
der Kirche ihr Glück zu machen, und keinem ist es mißlungen. Dreien seiner
Neffen verlieh Calixtus III. die Kardinalswürde, ein vierter wurde Herzog
von Spoleto und Feldhauptmann der Kirche.

Der jüngste und begabteste dieser Neffen war Rodrigo Borgia.*) Mit
25 Jahren war er Kardinal, mit 26 bereits Vizekanzler der römischen Kirche.
Er war derjenige, auf den sich die Nepotenliebe des Papstes förmlich konzen-
trirt hat, auf den er alle Ehren und Schätze der Kirche häufte, zugleich der
erste einer langen Reihe von Kirchenfürsten, welche alle es versuchten, raubend
und mordend unter den kleinen Fürsten des Kirchenstaates eine eigene Dynastie
zu gründen. War doch ein Papstthum nur kurz und eine Vererbung desselben
unmöglich. Als Kardinal behielt Rodrigo Borgia, auch nach dem Tode seines
Oheims seine einflußreiche Stellung bei, noch mächtiger und bedeutsamer
machten ihn seine Reichthümer, kolossal selbst für die damalige Zeit. Er wird
geschildert als einer der schönsten Männer der Zeit, von den Frauen angebetet,
eine majestätische Erscheinung, dabei in hohem Maße beredt, von steter und
heiterer Klarheit, verschlagen und von wunderbarer Kunst in der Behandlung
von Geschäften;^) alles in allem eine gefährliche und blendende Erscheinung.




*) Eigentlich Lanzol, aus Xativa bei Valenzia.
So schildert ihn 1486 Jacob von Bolterra. Guicciardini nennt ihn in seiner
Storis. Korsntin-t, opers means, IV III. x. 303. (I?irsnM 18S9), „nowo valsiitiWimo s ni
gran ZinÄieio S kmimo"; in seinen Kistoris: „xsrolis in ^lexiwäro IV. tu solertis, s s^eiw
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/491>, abgerufen am 18.01.2025.