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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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venezianischen Gebiete damals vielgelesenen Blatte, dem Alchimistv Friulano, eine
Anzahl seiner Gedichte, die mit vielem Beifall aufgenommen wurden und 1852
in sehr kleiner heute verschollener Auflage gesammelt erschienen. Auch ein von
Nievo verfaßtes Trauerspiel Galileo wurde in Padua mit nachhaltigem Erfolg
gegeben, und ein Lustspiel verschaffte dem Dichter eine ehrenvolle Erwähnung
bei einer Turiner Preisbewerbung 1855. Mit der Erlangung der Würde
eines Doktors beider Rechte schloß dieses Wirken in Padua ab.

Der dreinndzwanzigjührige Gelehrte wendete sich nach Mailand, vermuth¬
lich um hier als Sachwalter thätig zu werden. Aber zur Zeit fehlen noch
bestimmte Nachrichten darüber, ob Nievo wirklich zur praktischen Ausübung
des in seinem Fachstudium erwählten Berufes gelangt ist. Seine dichterische
und politische Produktion war in den nächsten drei Jahren eine so umfassende,
daß es schwer fiele an eine gleichzeitige praktische Geschäftsthätigkeit zu glauben,
wenn wir nicht wüßten, daß Nievo seinen ersten Roman von dreihundert
Seiten in vierzehn Tagen geschrieben hat. Sicher ist, daß er in jenen Jahren
umfassende Verbindungen mit wichtigem Organen der Presse angeknüpft hat
-- der unglückselige Pulses gegen die österreichische Fremdherrschaft hatte
glücklicherweise schon vor Nievo's Ankunft in Mailand stattgefunden, 1853
-- und daß er diesen Zeitungen im politischen Theil und im Feuilleton ein
sehr werthvoller Mitarbeiter wurde. Gesammelt von seiner reichen -- immer
mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Arbeit aus jenen Tagen ist nichts.
Diese Pflicht der Dankbarkeit ist seinen Landsleuten noch vorbehalten. Er¬
halten ist nur, was er selbst der Sammlung oder besonderen Ausgabe werth
erachtete, seine zwei ersten Romane: Hu lMAsIo all dontZ, sein Engelsherz)
1856 und II vont.6 ?soor^o (Gras Schafhirt) 1857. Diese Dichtungen, welche
bei ihren: Erscheinen vom jubelnden Beifall der lombardischen Hauptstadt be¬
grüßt wurden, sind indessen heutzutage beinahe schon vergessen, und jenseits
der Lombardei und Venetiens haben sie kaum jemals Leser gefunden. Nicht
viel besser ist es dem großen postHumen Werke des Dichters, seinem zweibän¬
digen Roman I^s onntossioni al ur> otwoAsnarlo (die Bekenntnisse eines
Achtzigjährigen) ergangen, den er in den Jahren 1857 und 1858 in der stillen
Zurückgezogenheit seines Castello ti Colloredo niederschrieb, und an dem Nievo
wohl noch länger gefeilt haben würde, wenn nicht der Ausbruch des italienisch-
französisch-österreichischen Krieges dem Dichter von neuem das Schwert in die
Hand gezwungen hätte.

In Ancona am Lago Maggiore gesellte sich Nievo zu dem Freikorps
Garibaldis und begleitete dieses auf seinen abenteuerlichen Kriegsfahrten, bis
der plötzliche Frieden von Villafranca dem Kriege ein Ziel setzte. Aber auch
an dem romantischen Zuge Garibaldi's nach Sizilien sehen wir Nievo bethei-


venezianischen Gebiete damals vielgelesenen Blatte, dem Alchimistv Friulano, eine
Anzahl seiner Gedichte, die mit vielem Beifall aufgenommen wurden und 1852
in sehr kleiner heute verschollener Auflage gesammelt erschienen. Auch ein von
Nievo verfaßtes Trauerspiel Galileo wurde in Padua mit nachhaltigem Erfolg
gegeben, und ein Lustspiel verschaffte dem Dichter eine ehrenvolle Erwähnung
bei einer Turiner Preisbewerbung 1855. Mit der Erlangung der Würde
eines Doktors beider Rechte schloß dieses Wirken in Padua ab.

Der dreinndzwanzigjührige Gelehrte wendete sich nach Mailand, vermuth¬
lich um hier als Sachwalter thätig zu werden. Aber zur Zeit fehlen noch
bestimmte Nachrichten darüber, ob Nievo wirklich zur praktischen Ausübung
des in seinem Fachstudium erwählten Berufes gelangt ist. Seine dichterische
und politische Produktion war in den nächsten drei Jahren eine so umfassende,
daß es schwer fiele an eine gleichzeitige praktische Geschäftsthätigkeit zu glauben,
wenn wir nicht wüßten, daß Nievo seinen ersten Roman von dreihundert
Seiten in vierzehn Tagen geschrieben hat. Sicher ist, daß er in jenen Jahren
umfassende Verbindungen mit wichtigem Organen der Presse angeknüpft hat
— der unglückselige Pulses gegen die österreichische Fremdherrschaft hatte
glücklicherweise schon vor Nievo's Ankunft in Mailand stattgefunden, 1853
— und daß er diesen Zeitungen im politischen Theil und im Feuilleton ein
sehr werthvoller Mitarbeiter wurde. Gesammelt von seiner reichen — immer
mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Arbeit aus jenen Tagen ist nichts.
Diese Pflicht der Dankbarkeit ist seinen Landsleuten noch vorbehalten. Er¬
halten ist nur, was er selbst der Sammlung oder besonderen Ausgabe werth
erachtete, seine zwei ersten Romane: Hu lMAsIo all dontZ, sein Engelsherz)
1856 und II vont.6 ?soor^o (Gras Schafhirt) 1857. Diese Dichtungen, welche
bei ihren: Erscheinen vom jubelnden Beifall der lombardischen Hauptstadt be¬
grüßt wurden, sind indessen heutzutage beinahe schon vergessen, und jenseits
der Lombardei und Venetiens haben sie kaum jemals Leser gefunden. Nicht
viel besser ist es dem großen postHumen Werke des Dichters, seinem zweibän¬
digen Roman I^s onntossioni al ur> otwoAsnarlo (die Bekenntnisse eines
Achtzigjährigen) ergangen, den er in den Jahren 1857 und 1858 in der stillen
Zurückgezogenheit seines Castello ti Colloredo niederschrieb, und an dem Nievo
wohl noch länger gefeilt haben würde, wenn nicht der Ausbruch des italienisch-
französisch-österreichischen Krieges dem Dichter von neuem das Schwert in die
Hand gezwungen hätte.

In Ancona am Lago Maggiore gesellte sich Nievo zu dem Freikorps
Garibaldis und begleitete dieses auf seinen abenteuerlichen Kriegsfahrten, bis
der plötzliche Frieden von Villafranca dem Kriege ein Ziel setzte. Aber auch
an dem romantischen Zuge Garibaldi's nach Sizilien sehen wir Nievo bethei-


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[0438] venezianischen Gebiete damals vielgelesenen Blatte, dem Alchimistv Friulano, eine Anzahl seiner Gedichte, die mit vielem Beifall aufgenommen wurden und 1852 in sehr kleiner heute verschollener Auflage gesammelt erschienen. Auch ein von Nievo verfaßtes Trauerspiel Galileo wurde in Padua mit nachhaltigem Erfolg gegeben, und ein Lustspiel verschaffte dem Dichter eine ehrenvolle Erwähnung bei einer Turiner Preisbewerbung 1855. Mit der Erlangung der Würde eines Doktors beider Rechte schloß dieses Wirken in Padua ab. Der dreinndzwanzigjührige Gelehrte wendete sich nach Mailand, vermuth¬ lich um hier als Sachwalter thätig zu werden. Aber zur Zeit fehlen noch bestimmte Nachrichten darüber, ob Nievo wirklich zur praktischen Ausübung des in seinem Fachstudium erwählten Berufes gelangt ist. Seine dichterische und politische Produktion war in den nächsten drei Jahren eine so umfassende, daß es schwer fiele an eine gleichzeitige praktische Geschäftsthätigkeit zu glauben, wenn wir nicht wüßten, daß Nievo seinen ersten Roman von dreihundert Seiten in vierzehn Tagen geschrieben hat. Sicher ist, daß er in jenen Jahren umfassende Verbindungen mit wichtigem Organen der Presse angeknüpft hat — der unglückselige Pulses gegen die österreichische Fremdherrschaft hatte glücklicherweise schon vor Nievo's Ankunft in Mailand stattgefunden, 1853 — und daß er diesen Zeitungen im politischen Theil und im Feuilleton ein sehr werthvoller Mitarbeiter wurde. Gesammelt von seiner reichen — immer mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Arbeit aus jenen Tagen ist nichts. Diese Pflicht der Dankbarkeit ist seinen Landsleuten noch vorbehalten. Er¬ halten ist nur, was er selbst der Sammlung oder besonderen Ausgabe werth erachtete, seine zwei ersten Romane: Hu lMAsIo all dontZ, sein Engelsherz) 1856 und II vont.6 ?soor^o (Gras Schafhirt) 1857. Diese Dichtungen, welche bei ihren: Erscheinen vom jubelnden Beifall der lombardischen Hauptstadt be¬ grüßt wurden, sind indessen heutzutage beinahe schon vergessen, und jenseits der Lombardei und Venetiens haben sie kaum jemals Leser gefunden. Nicht viel besser ist es dem großen postHumen Werke des Dichters, seinem zweibän¬ digen Roman I^s onntossioni al ur> otwoAsnarlo (die Bekenntnisse eines Achtzigjährigen) ergangen, den er in den Jahren 1857 und 1858 in der stillen Zurückgezogenheit seines Castello ti Colloredo niederschrieb, und an dem Nievo wohl noch länger gefeilt haben würde, wenn nicht der Ausbruch des italienisch- französisch-österreichischen Krieges dem Dichter von neuem das Schwert in die Hand gezwungen hätte. In Ancona am Lago Maggiore gesellte sich Nievo zu dem Freikorps Garibaldis und begleitete dieses auf seinen abenteuerlichen Kriegsfahrten, bis der plötzliche Frieden von Villafranca dem Kriege ein Ziel setzte. Aber auch an dem romantischen Zuge Garibaldi's nach Sizilien sehen wir Nievo bethei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/438>, abgerufen am 27.09.2024.