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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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bisweilen kaum enthalten konnte, ihr insgeheim denjenigen Namen zu geben,
der mir der theuerste ist. Ich habe ihr viel von meiner melancholischen Ge¬
schichte erzählen müssen. Wenn Sie, mein Gleim, hätten sehn sollen, wie sie
mir zuhörte, wie sie weinte! -- -- Dies Mädchen litt so viel, und sie war
doch diejenige nicht, um derentwillen ich so viel gelitten habe. Was muß sie
für ein Herz haben! -- Und dann habe ich eine Vergleichung machen wollen,
und dann hat sich eine dunkle Nacht vor meine Augen gezogen. Wenn ich
den geheimsten Empfindungen meines Herzens hiebei nachforsche, so finde ich
zuletzt, daß ich noch unglücklicher bin, als ich vorher war, weil mich dies edle
Mädchen durch ihr sanftes Mitleid ans eine so starke Art an meine alte Trau¬
rigkeit erinnert hat, daß ich von Neuem in seinem ganzen Umfang fühle, wie
unglücklich ich bin!"

Ende April 1751 ging Klopstock nach Kopenhagen, und wurde durch
Bernstorf dem König vorgestellt. Zahlreiche liebe Briefe von Meta folgten
ihm dahin.

"Was soll ich Ihnen sagen? schreibt Klopstock 1. Aug. an Fanny. "Daß
ich immer noch die einsamsten Gänge suche, um an Sie zu denken? daß ich
zu diesen Gedanken sogar eine solenne Stunde und einen ebenso heiligen Baum
bestimmt liabe? (Die Landschaft wird beschrieben.) Hier ist es, wo mir
Fanny über den Wipfeln der Bäume in silbernen Abendwolken erscheint. Hier
ist es, wo ich meine Lieder auf Fanny singe, und beim Weggehn allezeit drei
geküßte und thränenvolle Rosen gegen die Erscheinung ausstreue, als kleine
Opfer, die ich nicht Ihnen, denn Sie haben mein Herz, sondern jenen süßen nun
verblühten Blumen bringe, die Sie mir einmal freundschaftlich nachschickten .

14. Sept. -- Fanny hat wieder einmal geschrieben. "Ich wußte es wohl,
daß Sie wieder, die Wage in der Hand, mir jedes kleine Lächeln der Freund¬
schaft zuwagen würden; doch freute ich mich." -- "Ich will Sie, meine liebste
Freundin, in einer Sache um Rath fragen, die nnn seit drei Jahren mein
ganzes Herz beschäftigt hat, und es mein ganzes übriges Leben thun wird.
Weil Ihnen von dieser Geschichte meines Herzens schon etwas bekannt ist, so
darf ich mich nur kurz darauf beziehn, daß ich das liebste unter allen Mädchen,
Fanny, schon seit dieser Zeit auf eine so ungemeine Art liebe, daß mir aus
den Geschichten derer, die geliebt haben, nichts gleiches bekannt ist. Ich kenne
diese Geschichten, und habe vor kurzem zwei derselben in sehr genauen Be¬
schreibungen gelesen. Gewiß ich übertreffe sie weit! Petrarcha und Abälard,
so konnten sie nicht lieben. Von Rowe habe ich manchmal gedacht, daß er
Singer so geliebt hätte: aber wenn Singer eine solche Zeit hart gegen ihn ge¬
wesen wäre, würde es ihm, wie mir, unmöglich gewesen sein, uicht mehr zu
lieben? würde er auch, wie ich, eine so große Ausnahme von den allgemeinen


bisweilen kaum enthalten konnte, ihr insgeheim denjenigen Namen zu geben,
der mir der theuerste ist. Ich habe ihr viel von meiner melancholischen Ge¬
schichte erzählen müssen. Wenn Sie, mein Gleim, hätten sehn sollen, wie sie
mir zuhörte, wie sie weinte! — — Dies Mädchen litt so viel, und sie war
doch diejenige nicht, um derentwillen ich so viel gelitten habe. Was muß sie
für ein Herz haben! — Und dann habe ich eine Vergleichung machen wollen,
und dann hat sich eine dunkle Nacht vor meine Augen gezogen. Wenn ich
den geheimsten Empfindungen meines Herzens hiebei nachforsche, so finde ich
zuletzt, daß ich noch unglücklicher bin, als ich vorher war, weil mich dies edle
Mädchen durch ihr sanftes Mitleid ans eine so starke Art an meine alte Trau¬
rigkeit erinnert hat, daß ich von Neuem in seinem ganzen Umfang fühle, wie
unglücklich ich bin!"

Ende April 1751 ging Klopstock nach Kopenhagen, und wurde durch
Bernstorf dem König vorgestellt. Zahlreiche liebe Briefe von Meta folgten
ihm dahin.

„Was soll ich Ihnen sagen? schreibt Klopstock 1. Aug. an Fanny. „Daß
ich immer noch die einsamsten Gänge suche, um an Sie zu denken? daß ich
zu diesen Gedanken sogar eine solenne Stunde und einen ebenso heiligen Baum
bestimmt liabe? (Die Landschaft wird beschrieben.) Hier ist es, wo mir
Fanny über den Wipfeln der Bäume in silbernen Abendwolken erscheint. Hier
ist es, wo ich meine Lieder auf Fanny singe, und beim Weggehn allezeit drei
geküßte und thränenvolle Rosen gegen die Erscheinung ausstreue, als kleine
Opfer, die ich nicht Ihnen, denn Sie haben mein Herz, sondern jenen süßen nun
verblühten Blumen bringe, die Sie mir einmal freundschaftlich nachschickten .

14. Sept. — Fanny hat wieder einmal geschrieben. „Ich wußte es wohl,
daß Sie wieder, die Wage in der Hand, mir jedes kleine Lächeln der Freund¬
schaft zuwagen würden; doch freute ich mich." — „Ich will Sie, meine liebste
Freundin, in einer Sache um Rath fragen, die nnn seit drei Jahren mein
ganzes Herz beschäftigt hat, und es mein ganzes übriges Leben thun wird.
Weil Ihnen von dieser Geschichte meines Herzens schon etwas bekannt ist, so
darf ich mich nur kurz darauf beziehn, daß ich das liebste unter allen Mädchen,
Fanny, schon seit dieser Zeit auf eine so ungemeine Art liebe, daß mir aus
den Geschichten derer, die geliebt haben, nichts gleiches bekannt ist. Ich kenne
diese Geschichten, und habe vor kurzem zwei derselben in sehr genauen Be¬
schreibungen gelesen. Gewiß ich übertreffe sie weit! Petrarcha und Abälard,
so konnten sie nicht lieben. Von Rowe habe ich manchmal gedacht, daß er
Singer so geliebt hätte: aber wenn Singer eine solche Zeit hart gegen ihn ge¬
wesen wäre, würde es ihm, wie mir, unmöglich gewesen sein, uicht mehr zu
lieben? würde er auch, wie ich, eine so große Ausnahme von den allgemeinen


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[0419] bisweilen kaum enthalten konnte, ihr insgeheim denjenigen Namen zu geben, der mir der theuerste ist. Ich habe ihr viel von meiner melancholischen Ge¬ schichte erzählen müssen. Wenn Sie, mein Gleim, hätten sehn sollen, wie sie mir zuhörte, wie sie weinte! — — Dies Mädchen litt so viel, und sie war doch diejenige nicht, um derentwillen ich so viel gelitten habe. Was muß sie für ein Herz haben! — Und dann habe ich eine Vergleichung machen wollen, und dann hat sich eine dunkle Nacht vor meine Augen gezogen. Wenn ich den geheimsten Empfindungen meines Herzens hiebei nachforsche, so finde ich zuletzt, daß ich noch unglücklicher bin, als ich vorher war, weil mich dies edle Mädchen durch ihr sanftes Mitleid ans eine so starke Art an meine alte Trau¬ rigkeit erinnert hat, daß ich von Neuem in seinem ganzen Umfang fühle, wie unglücklich ich bin!" Ende April 1751 ging Klopstock nach Kopenhagen, und wurde durch Bernstorf dem König vorgestellt. Zahlreiche liebe Briefe von Meta folgten ihm dahin. „Was soll ich Ihnen sagen? schreibt Klopstock 1. Aug. an Fanny. „Daß ich immer noch die einsamsten Gänge suche, um an Sie zu denken? daß ich zu diesen Gedanken sogar eine solenne Stunde und einen ebenso heiligen Baum bestimmt liabe? (Die Landschaft wird beschrieben.) Hier ist es, wo mir Fanny über den Wipfeln der Bäume in silbernen Abendwolken erscheint. Hier ist es, wo ich meine Lieder auf Fanny singe, und beim Weggehn allezeit drei geküßte und thränenvolle Rosen gegen die Erscheinung ausstreue, als kleine Opfer, die ich nicht Ihnen, denn Sie haben mein Herz, sondern jenen süßen nun verblühten Blumen bringe, die Sie mir einmal freundschaftlich nachschickten . 14. Sept. — Fanny hat wieder einmal geschrieben. „Ich wußte es wohl, daß Sie wieder, die Wage in der Hand, mir jedes kleine Lächeln der Freund¬ schaft zuwagen würden; doch freute ich mich." — „Ich will Sie, meine liebste Freundin, in einer Sache um Rath fragen, die nnn seit drei Jahren mein ganzes Herz beschäftigt hat, und es mein ganzes übriges Leben thun wird. Weil Ihnen von dieser Geschichte meines Herzens schon etwas bekannt ist, so darf ich mich nur kurz darauf beziehn, daß ich das liebste unter allen Mädchen, Fanny, schon seit dieser Zeit auf eine so ungemeine Art liebe, daß mir aus den Geschichten derer, die geliebt haben, nichts gleiches bekannt ist. Ich kenne diese Geschichten, und habe vor kurzem zwei derselben in sehr genauen Be¬ schreibungen gelesen. Gewiß ich übertreffe sie weit! Petrarcha und Abälard, so konnten sie nicht lieben. Von Rowe habe ich manchmal gedacht, daß er Singer so geliebt hätte: aber wenn Singer eine solche Zeit hart gegen ihn ge¬ wesen wäre, würde es ihm, wie mir, unmöglich gewesen sein, uicht mehr zu lieben? würde er auch, wie ich, eine so große Ausnahme von den allgemeinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/419>, abgerufen am 18.01.2025.