Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gemeinsam mit Sulz er, der eine Erholungsreise in seine Heimath antrat,
reiste er 13. Juli nach Zürich ab. Bodmer hatte ihm eine beträchtliche Summe
als Reisegeld geschickt.

Bodmer war selig in der Erwartung des "heiligen Jünglings", dessen
Ankunft eine Epoche in seinem Leben machen werde. "Komm! offenbare die
denkenden Zug' im sichtbaren Körper, daß wir mit unsern Angen das Wunder
beglaubigen können, welches für unsere Tage bewahrt war: eine Seel', indem
Kerker des irdischen Stoffs noch gefangen, die des Messias Gedanken zu den¬
ken, die göttliche Lieb' in unendlichem Umfang zu fühlen, und in den herr¬
lichsten Tönen zu beleben vermochte!" -- "Vor allen Dingen wollen wir ihn
einige Tage allein und ohne Nebenbuhler genießen."

Unterwegs, aus Nürnberg, 17. Juli, schreibt Klop stock an Fanny:
"Von der Schwester des besten Bruders habe ich gedacht, daß Zeiten kommen
werden, da sie es bei der Tugend und sich selbst nicht wird verantworten
können, wenn sie mir nicht mit der Aufrichtigkeit, mit der ich ihr immer
das Innerste meines Herzens entdeckt habe, sagt, was sie von meiner Liebe
zu ihr denkt. Das habe ich zum mindesten um sie verdient. Und Sie,
mein liebster Schmidt! bitte ich bei den Thränen, die ich geweint habe, thun
Sie, was Sie können, daß Ihre Schwester meine Bitte mir nicht abschlägt,"

23. Juli kommen Klop stock und Sulz er in Zürich an. "Ich habe die
ganze Nacht in Extase gelegen!" schreibt Bodmer.

Das Entzücken dauerte uicht lange. Dem jungen Dichter wurde der pol¬
ternde alte Kritiker schnell langweilig. Schon harrten seiner eine Menge jun¬
ger Verehrer aus den angesehensten Familien; gleich den zweiten Tag hatten
sie das stille Hans auf den Kopf gestellt. 30. Juli unternehmen sie eine
Fahrt auf dem Züricher See, von der Hirzel an Kleist das folgende
Bild entwirft.

"Unser neun Freunde entschlossen uns, Herrn Klop stock durch eine Luft¬
schifffahrt die Schönheit der Gegend am Züricher See und zugleich die Schön¬
heit unsrer Mädchen kennen zu lehren. Jeder von uns verband sich, ein
Mädchen auszusuchen, welches die Schönheiten der Natur und des Geistes
fühlte. Wir waren in der Altswahl glücklich; die meisten hatten den Früh¬
ling mit Ihnen gefühlt; einige kannten den Werth unsers theuersten Klopstock
schon aus seinem göttlichen Gedicht. . Klopstock würdigte meine zärtliche Doris
ein seiner Hand zu führen . . Nahn war so glücklich, Schinzeu's Schwester
mit sich zu bringen. Sie hatte Reize genug, Klopstock seine erste Liebe wieder
rege zu machen . . Schinz kam in Begleit einer lebhaften Schönen, die aus
eignem Trieb ihren Geist durch das Lesen der besten Schriftsteller angebaut
hat. Ihre sprechenden Blicke fordern dreist unsere Hochachtung, die wir eben-


gemeinsam mit Sulz er, der eine Erholungsreise in seine Heimath antrat,
reiste er 13. Juli nach Zürich ab. Bodmer hatte ihm eine beträchtliche Summe
als Reisegeld geschickt.

Bodmer war selig in der Erwartung des „heiligen Jünglings", dessen
Ankunft eine Epoche in seinem Leben machen werde. „Komm! offenbare die
denkenden Zug' im sichtbaren Körper, daß wir mit unsern Angen das Wunder
beglaubigen können, welches für unsere Tage bewahrt war: eine Seel', indem
Kerker des irdischen Stoffs noch gefangen, die des Messias Gedanken zu den¬
ken, die göttliche Lieb' in unendlichem Umfang zu fühlen, und in den herr¬
lichsten Tönen zu beleben vermochte!" — „Vor allen Dingen wollen wir ihn
einige Tage allein und ohne Nebenbuhler genießen."

Unterwegs, aus Nürnberg, 17. Juli, schreibt Klop stock an Fanny:
„Von der Schwester des besten Bruders habe ich gedacht, daß Zeiten kommen
werden, da sie es bei der Tugend und sich selbst nicht wird verantworten
können, wenn sie mir nicht mit der Aufrichtigkeit, mit der ich ihr immer
das Innerste meines Herzens entdeckt habe, sagt, was sie von meiner Liebe
zu ihr denkt. Das habe ich zum mindesten um sie verdient. Und Sie,
mein liebster Schmidt! bitte ich bei den Thränen, die ich geweint habe, thun
Sie, was Sie können, daß Ihre Schwester meine Bitte mir nicht abschlägt,"

23. Juli kommen Klop stock und Sulz er in Zürich an. „Ich habe die
ganze Nacht in Extase gelegen!" schreibt Bodmer.

Das Entzücken dauerte uicht lange. Dem jungen Dichter wurde der pol¬
ternde alte Kritiker schnell langweilig. Schon harrten seiner eine Menge jun¬
ger Verehrer aus den angesehensten Familien; gleich den zweiten Tag hatten
sie das stille Hans auf den Kopf gestellt. 30. Juli unternehmen sie eine
Fahrt auf dem Züricher See, von der Hirzel an Kleist das folgende
Bild entwirft.

„Unser neun Freunde entschlossen uns, Herrn Klop stock durch eine Luft¬
schifffahrt die Schönheit der Gegend am Züricher See und zugleich die Schön¬
heit unsrer Mädchen kennen zu lehren. Jeder von uns verband sich, ein
Mädchen auszusuchen, welches die Schönheiten der Natur und des Geistes
fühlte. Wir waren in der Altswahl glücklich; die meisten hatten den Früh¬
ling mit Ihnen gefühlt; einige kannten den Werth unsers theuersten Klopstock
schon aus seinem göttlichen Gedicht. . Klopstock würdigte meine zärtliche Doris
ein seiner Hand zu führen . . Nahn war so glücklich, Schinzeu's Schwester
mit sich zu bringen. Sie hatte Reize genug, Klopstock seine erste Liebe wieder
rege zu machen . . Schinz kam in Begleit einer lebhaften Schönen, die aus
eignem Trieb ihren Geist durch das Lesen der besten Schriftsteller angebaut
hat. Ihre sprechenden Blicke fordern dreist unsere Hochachtung, die wir eben-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0413" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139706"/>
            <p xml:id="ID_1259" prev="#ID_1258"> gemeinsam mit Sulz er, der eine Erholungsreise in seine Heimath antrat,<lb/>
reiste er 13. Juli nach Zürich ab. Bodmer hatte ihm eine beträchtliche Summe<lb/>
als Reisegeld geschickt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1260"> Bodmer war selig in der Erwartung des &#x201E;heiligen Jünglings", dessen<lb/>
Ankunft eine Epoche in seinem Leben machen werde. &#x201E;Komm! offenbare die<lb/>
denkenden Zug' im sichtbaren Körper, daß wir mit unsern Angen das Wunder<lb/>
beglaubigen können, welches für unsere Tage bewahrt war: eine Seel', indem<lb/>
Kerker des irdischen Stoffs noch gefangen, die des Messias Gedanken zu den¬<lb/>
ken, die göttliche Lieb' in unendlichem Umfang zu fühlen, und in den herr¬<lb/>
lichsten Tönen zu beleben vermochte!" &#x2014; &#x201E;Vor allen Dingen wollen wir ihn<lb/>
einige Tage allein und ohne Nebenbuhler genießen."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1261"> Unterwegs, aus Nürnberg, 17. Juli, schreibt Klop stock an Fanny:<lb/>
&#x201E;Von der Schwester des besten Bruders habe ich gedacht, daß Zeiten kommen<lb/>
werden, da sie es bei der Tugend und sich selbst nicht wird verantworten<lb/>
können, wenn sie mir nicht mit der Aufrichtigkeit, mit der ich ihr immer<lb/>
das Innerste meines Herzens entdeckt habe, sagt, was sie von meiner Liebe<lb/>
zu ihr denkt. Das habe ich zum mindesten um sie verdient. Und Sie,<lb/>
mein liebster Schmidt! bitte ich bei den Thränen, die ich geweint habe, thun<lb/>
Sie, was Sie können, daß Ihre Schwester meine Bitte mir nicht abschlägt,"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1262"> 23. Juli kommen Klop stock und Sulz er in Zürich an. &#x201E;Ich habe die<lb/>
ganze Nacht in Extase gelegen!" schreibt Bodmer.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1263"> Das Entzücken dauerte uicht lange. Dem jungen Dichter wurde der pol¬<lb/>
ternde alte Kritiker schnell langweilig. Schon harrten seiner eine Menge jun¬<lb/>
ger Verehrer aus den angesehensten Familien; gleich den zweiten Tag hatten<lb/>
sie das stille Hans auf den Kopf gestellt. 30. Juli unternehmen sie eine<lb/>
Fahrt auf dem Züricher See, von der Hirzel an Kleist das folgende<lb/>
Bild entwirft.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1264" next="#ID_1265"> &#x201E;Unser neun Freunde entschlossen uns, Herrn Klop stock durch eine Luft¬<lb/>
schifffahrt die Schönheit der Gegend am Züricher See und zugleich die Schön¬<lb/>
heit unsrer Mädchen kennen zu lehren. Jeder von uns verband sich, ein<lb/>
Mädchen auszusuchen, welches die Schönheiten der Natur und des Geistes<lb/>
fühlte. Wir waren in der Altswahl glücklich; die meisten hatten den Früh¬<lb/>
ling mit Ihnen gefühlt; einige kannten den Werth unsers theuersten Klopstock<lb/>
schon aus seinem göttlichen Gedicht. . Klopstock würdigte meine zärtliche Doris<lb/>
ein seiner Hand zu führen . . Nahn war so glücklich, Schinzeu's Schwester<lb/>
mit sich zu bringen. Sie hatte Reize genug, Klopstock seine erste Liebe wieder<lb/>
rege zu machen . . Schinz kam in Begleit einer lebhaften Schönen, die aus<lb/>
eignem Trieb ihren Geist durch das Lesen der besten Schriftsteller angebaut<lb/>
hat. Ihre sprechenden Blicke fordern dreist unsere Hochachtung, die wir eben-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0413] gemeinsam mit Sulz er, der eine Erholungsreise in seine Heimath antrat, reiste er 13. Juli nach Zürich ab. Bodmer hatte ihm eine beträchtliche Summe als Reisegeld geschickt. Bodmer war selig in der Erwartung des „heiligen Jünglings", dessen Ankunft eine Epoche in seinem Leben machen werde. „Komm! offenbare die denkenden Zug' im sichtbaren Körper, daß wir mit unsern Angen das Wunder beglaubigen können, welches für unsere Tage bewahrt war: eine Seel', indem Kerker des irdischen Stoffs noch gefangen, die des Messias Gedanken zu den¬ ken, die göttliche Lieb' in unendlichem Umfang zu fühlen, und in den herr¬ lichsten Tönen zu beleben vermochte!" — „Vor allen Dingen wollen wir ihn einige Tage allein und ohne Nebenbuhler genießen." Unterwegs, aus Nürnberg, 17. Juli, schreibt Klop stock an Fanny: „Von der Schwester des besten Bruders habe ich gedacht, daß Zeiten kommen werden, da sie es bei der Tugend und sich selbst nicht wird verantworten können, wenn sie mir nicht mit der Aufrichtigkeit, mit der ich ihr immer das Innerste meines Herzens entdeckt habe, sagt, was sie von meiner Liebe zu ihr denkt. Das habe ich zum mindesten um sie verdient. Und Sie, mein liebster Schmidt! bitte ich bei den Thränen, die ich geweint habe, thun Sie, was Sie können, daß Ihre Schwester meine Bitte mir nicht abschlägt," 23. Juli kommen Klop stock und Sulz er in Zürich an. „Ich habe die ganze Nacht in Extase gelegen!" schreibt Bodmer. Das Entzücken dauerte uicht lange. Dem jungen Dichter wurde der pol¬ ternde alte Kritiker schnell langweilig. Schon harrten seiner eine Menge jun¬ ger Verehrer aus den angesehensten Familien; gleich den zweiten Tag hatten sie das stille Hans auf den Kopf gestellt. 30. Juli unternehmen sie eine Fahrt auf dem Züricher See, von der Hirzel an Kleist das folgende Bild entwirft. „Unser neun Freunde entschlossen uns, Herrn Klop stock durch eine Luft¬ schifffahrt die Schönheit der Gegend am Züricher See und zugleich die Schön¬ heit unsrer Mädchen kennen zu lehren. Jeder von uns verband sich, ein Mädchen auszusuchen, welches die Schönheiten der Natur und des Geistes fühlte. Wir waren in der Altswahl glücklich; die meisten hatten den Früh¬ ling mit Ihnen gefühlt; einige kannten den Werth unsers theuersten Klopstock schon aus seinem göttlichen Gedicht. . Klopstock würdigte meine zärtliche Doris ein seiner Hand zu führen . . Nahn war so glücklich, Schinzeu's Schwester mit sich zu bringen. Sie hatte Reize genug, Klopstock seine erste Liebe wieder rege zu machen . . Schinz kam in Begleit einer lebhaften Schönen, die aus eignem Trieb ihren Geist durch das Lesen der besten Schriftsteller angebaut hat. Ihre sprechenden Blicke fordern dreist unsere Hochachtung, die wir eben-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/413
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/413>, abgerufen am 18.01.2025.