Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.Den Satz über die "Hörner" kann man dreimal lesen, ehe man ihn Die ans den Text folgenden "Erläuterungen" (S. 127--156), welche in Am Schlüsse seiner "Erläuterungen" giebt der Herausgeber uoch 22 Den Satz über die „Hörner" kann man dreimal lesen, ehe man ihn Die ans den Text folgenden „Erläuterungen" (S. 127—156), welche in Am Schlüsse seiner „Erläuterungen" giebt der Herausgeber uoch 22 <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139698"/> <p xml:id="ID_1224" prev="#ID_1223"> Den Satz über die „Hörner" kann man dreimal lesen, ehe man ihn<lb/> versteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1225"> Die ans den Text folgenden „Erläuterungen" (S. 127—156), welche in<lb/> zehn Abschnitten von der Bedeutung und Entstehung des Dramas handeln,<lb/> den Inhalt von Götzens Selbstbiographie ueben den Inhalt des Schauspieles<lb/> stellen, die Hauptgestalten „charakterisiren" und endlich anch die Frage streifen,<lb/> ob Goethes „Götz" bloß ein dramatisirtes Zeitgemälde sei oder einen tragischen<lb/> Konflikt enthalte, bewegen sich durchweg an der Oberfläche. Obgleich der<lb/> Herausgeber S. 133 drei verschiedene Ausgaben der Lebensbeschreibung an¬<lb/> führt — überflüssigerweise, denn nur die erste kommt, weil sie dem Dichter<lb/> vorlag, in Betracht — so kann man darauf schwören, daß er nicht eine einzige<lb/> derselben in der Hand gehabt hat; die neueste und beste Ausgabe, die von<lb/> Berlichingen-Rossach, kennt er gar nicht. Die einzige Stelle, die er S. 13<lb/> aus der Lebensbeschreibung mittheilt, hat er irgendwo anders nachlässig abge¬<lb/> schrieben und wahrscheinlich gar nicht verstanden. Ebensowenig hat er sich<lb/> um die sonstige bereits vorhandene Literatur über den „Götz" gekümmert.<lb/> Den Hauptkommentar, Düntzers Buch: „Goethes Götz und Egmont" hat er<lb/> nicht benutzt; daß H. Dünger und W. Wilmanns die alte Schweizerchronik<lb/> von stumpft und die Hütten'schen Dialoge, namentlich den Dialog. „Die<lb/> Räuber" als weitere Quellen der Dichtung neben der Lebensbeschreibung nach¬<lb/> gewiesen haben, davon hat er ebenfalls keine Ahnung. Das im 6. Abschnitte<lb/> der „Erläuterungen" gegebene Argument des Schauspieles, in welchem die<lb/> einzelnen Akte Szene für Szene nach einander abgehaspelt werden, anstatt daß<lb/> das Zusammengehörige vereinigt, die Vorfabel aus dem Stücke selbst heraus¬<lb/> gezogen und vorangestellt und so die Handlung wirklich als Ganzes dargestellt<lb/> würde, könnte man geradezu als abschreckendes Beispiel dafür anführen, wie ein<lb/> Argument nicht beschaffen sein darf. Da sich Naumann anch über diesen<lb/> Punkte augenscheinlich in Unklarheit befindet, so wollen wir ihm bei dieser<lb/> Gelegenheit den Niemeyer'schen Kommentar zur „Minna von Barnhelm" an¬<lb/> gelegentlichst zum Studium empfehlen; dort kann er lernen, wie das Argument<lb/> zu einem Schauspiele abgefaßt werden muß. Mit der Frage endlich, ob<lb/> Goethes Götz eine „tragische Schuld" habe, die er durch seinen Untergang<lb/> büßt, findet sich Naumann auf eine geradezu lächerliche Weise ab; diese andert¬<lb/> halb Seiten sind wohl das Frivolste im ganzen Buche.</p><lb/> <p xml:id="ID_1226" next="#ID_1227"> Am Schlüsse seiner „Erläuterungen" giebt der Herausgeber uoch 22<lb/> „Sentenzen" aus dem Schauspiel, 45 —sage und schreibe fünfundvierzig! —<lb/> Themata zu deutschen Aufsätzen, die sämmtlich an die Lektüre des Stückes<lb/> sich anschließen, und 60 „Fragen über die Lektüre" (sie) des Stückes. Wir<lb/> können es uns nicht versagen, auch aus diesen drei Abschnitten einige Proben</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0405]
Den Satz über die „Hörner" kann man dreimal lesen, ehe man ihn
versteht.
Die ans den Text folgenden „Erläuterungen" (S. 127—156), welche in
zehn Abschnitten von der Bedeutung und Entstehung des Dramas handeln,
den Inhalt von Götzens Selbstbiographie ueben den Inhalt des Schauspieles
stellen, die Hauptgestalten „charakterisiren" und endlich anch die Frage streifen,
ob Goethes „Götz" bloß ein dramatisirtes Zeitgemälde sei oder einen tragischen
Konflikt enthalte, bewegen sich durchweg an der Oberfläche. Obgleich der
Herausgeber S. 133 drei verschiedene Ausgaben der Lebensbeschreibung an¬
führt — überflüssigerweise, denn nur die erste kommt, weil sie dem Dichter
vorlag, in Betracht — so kann man darauf schwören, daß er nicht eine einzige
derselben in der Hand gehabt hat; die neueste und beste Ausgabe, die von
Berlichingen-Rossach, kennt er gar nicht. Die einzige Stelle, die er S. 13
aus der Lebensbeschreibung mittheilt, hat er irgendwo anders nachlässig abge¬
schrieben und wahrscheinlich gar nicht verstanden. Ebensowenig hat er sich
um die sonstige bereits vorhandene Literatur über den „Götz" gekümmert.
Den Hauptkommentar, Düntzers Buch: „Goethes Götz und Egmont" hat er
nicht benutzt; daß H. Dünger und W. Wilmanns die alte Schweizerchronik
von stumpft und die Hütten'schen Dialoge, namentlich den Dialog. „Die
Räuber" als weitere Quellen der Dichtung neben der Lebensbeschreibung nach¬
gewiesen haben, davon hat er ebenfalls keine Ahnung. Das im 6. Abschnitte
der „Erläuterungen" gegebene Argument des Schauspieles, in welchem die
einzelnen Akte Szene für Szene nach einander abgehaspelt werden, anstatt daß
das Zusammengehörige vereinigt, die Vorfabel aus dem Stücke selbst heraus¬
gezogen und vorangestellt und so die Handlung wirklich als Ganzes dargestellt
würde, könnte man geradezu als abschreckendes Beispiel dafür anführen, wie ein
Argument nicht beschaffen sein darf. Da sich Naumann anch über diesen
Punkte augenscheinlich in Unklarheit befindet, so wollen wir ihm bei dieser
Gelegenheit den Niemeyer'schen Kommentar zur „Minna von Barnhelm" an¬
gelegentlichst zum Studium empfehlen; dort kann er lernen, wie das Argument
zu einem Schauspiele abgefaßt werden muß. Mit der Frage endlich, ob
Goethes Götz eine „tragische Schuld" habe, die er durch seinen Untergang
büßt, findet sich Naumann auf eine geradezu lächerliche Weise ab; diese andert¬
halb Seiten sind wohl das Frivolste im ganzen Buche.
Am Schlüsse seiner „Erläuterungen" giebt der Herausgeber uoch 22
„Sentenzen" aus dem Schauspiel, 45 —sage und schreibe fünfundvierzig! —
Themata zu deutschen Aufsätzen, die sämmtlich an die Lektüre des Stückes
sich anschließen, und 60 „Fragen über die Lektüre" (sie) des Stückes. Wir
können es uns nicht versagen, auch aus diesen drei Abschnitten einige Proben
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