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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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was er so lange verkündet, und die neue Dichtung mit ihrer gesühlseligen
Stimmung stimmte viel besser zu den pietistischen Neigungen der Zeit, als die
harte, oft eckige Zeichnung des "Verlornen Paradieses."

Bodmer theilte die frohe Botschaft sofort den Freunden mit. "Die
Menschheit wird in einer Würde vorgestellt werden, welche den Rath der Er¬
schaffung rechtfertigt und den Leser vor das Angesicht Gottes führt. Die
Stunden sind schon vorhanden, in welchem alle diese Dinge in Erfüllung
kommen sollen. Die große Seele, die sie vor das Licht bringen soll, ist wirk¬
lich mit einem Leibe bekleidet. Ich konnte Ihnen den Namen melden, der jetzt
noch so dunkel und so schwer auszusprechen ist, und noch in die späteste Nach¬
welt erschallen soll."

"Eine Schrift von feinem Geschmack verursacht einem wohlgearteten Ge¬
müth ein so empfindliches Vergnügen, daß alle Funken von aufglimmenden
Neid darunter erlöschen..... Daher habe ich Jünglinge zu Freunden. Die
Muse ist ein Mädchen von unsterblicher Jugend und schickt sich für Jünglinge."

Das war der entscheidende Gegensatz Bodmer's gegen Gottsched:
sein Begriff vom Poeten war ihm wirklicher Glaube, und darum verdiente
er, daß durch einen Dichter, dessen Ruhm den seinigen weit überstrahlte, das
Verdienst seiner kritischen Bemühungen dem folgenden Geschlecht deutlich ge¬
macht wurde.

"Sie haben doch schon den Messias in den Neuen Beitrügen gelesen?"
schreibt Ewald von Kleist 10. Juni 1748 an Gleim. "Ich bin ganz
entzückt darüber, Milton's Geist hat sich über den Verfasser ausgegossen;
solche Poesie und Hoheit des Geistes war ich mir von keinem Deutschen ver¬
muthen!"

10, Aug. dankt Klop stock dem Schweizer Kritiker in einem lateinischen
Brief für sein Lob, und für den Einfluß, den er auf ihn geübt. "Ich war
ein junger Mensch, als mir Ihre kritischen Schriften in die Hand fielen. Ich
verschlang sie, und wenn mir zur Rechten Homer und Virgil lag, hatte ich
jene zur Linken, um sie immer nachschlagen zu können. Und als Milton mir
in die Hände fiel, loderte das Feuer, das Homer in mir entzündet, zur
Flamme auf, und hob meine Seele, um den Himmel zu besingen."

"Doch Sie können noch Größeres für mich thun. Der Messias ist kaum
angefangen, und es fehlt mir an Muße. Und da ich von sehr gebrechlichen
Körper bin, und mein Leben nicht hoch bringen werde, so ist meine Hoffnung,
den Messias vollenden zu können, sehr klein!" Er bittet ihn, sich um ein Jahr¬
gehalt zu verwenden.

"Und uun führe ich Sie noch in das innere Heiligthum meiner Angele¬
genheiten. Ich liebe das heiligste Mädchen. Sie hat sich noch nie gegen mich


was er so lange verkündet, und die neue Dichtung mit ihrer gesühlseligen
Stimmung stimmte viel besser zu den pietistischen Neigungen der Zeit, als die
harte, oft eckige Zeichnung des „Verlornen Paradieses."

Bodmer theilte die frohe Botschaft sofort den Freunden mit. „Die
Menschheit wird in einer Würde vorgestellt werden, welche den Rath der Er¬
schaffung rechtfertigt und den Leser vor das Angesicht Gottes führt. Die
Stunden sind schon vorhanden, in welchem alle diese Dinge in Erfüllung
kommen sollen. Die große Seele, die sie vor das Licht bringen soll, ist wirk¬
lich mit einem Leibe bekleidet. Ich konnte Ihnen den Namen melden, der jetzt
noch so dunkel und so schwer auszusprechen ist, und noch in die späteste Nach¬
welt erschallen soll."

„Eine Schrift von feinem Geschmack verursacht einem wohlgearteten Ge¬
müth ein so empfindliches Vergnügen, daß alle Funken von aufglimmenden
Neid darunter erlöschen..... Daher habe ich Jünglinge zu Freunden. Die
Muse ist ein Mädchen von unsterblicher Jugend und schickt sich für Jünglinge."

Das war der entscheidende Gegensatz Bodmer's gegen Gottsched:
sein Begriff vom Poeten war ihm wirklicher Glaube, und darum verdiente
er, daß durch einen Dichter, dessen Ruhm den seinigen weit überstrahlte, das
Verdienst seiner kritischen Bemühungen dem folgenden Geschlecht deutlich ge¬
macht wurde.

„Sie haben doch schon den Messias in den Neuen Beitrügen gelesen?"
schreibt Ewald von Kleist 10. Juni 1748 an Gleim. „Ich bin ganz
entzückt darüber, Milton's Geist hat sich über den Verfasser ausgegossen;
solche Poesie und Hoheit des Geistes war ich mir von keinem Deutschen ver¬
muthen!"

10, Aug. dankt Klop stock dem Schweizer Kritiker in einem lateinischen
Brief für sein Lob, und für den Einfluß, den er auf ihn geübt. „Ich war
ein junger Mensch, als mir Ihre kritischen Schriften in die Hand fielen. Ich
verschlang sie, und wenn mir zur Rechten Homer und Virgil lag, hatte ich
jene zur Linken, um sie immer nachschlagen zu können. Und als Milton mir
in die Hände fiel, loderte das Feuer, das Homer in mir entzündet, zur
Flamme auf, und hob meine Seele, um den Himmel zu besingen."

„Doch Sie können noch Größeres für mich thun. Der Messias ist kaum
angefangen, und es fehlt mir an Muße. Und da ich von sehr gebrechlichen
Körper bin, und mein Leben nicht hoch bringen werde, so ist meine Hoffnung,
den Messias vollenden zu können, sehr klein!" Er bittet ihn, sich um ein Jahr¬
gehalt zu verwenden.

„Und uun führe ich Sie noch in das innere Heiligthum meiner Angele¬
genheiten. Ich liebe das heiligste Mädchen. Sie hat sich noch nie gegen mich


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[0384] was er so lange verkündet, und die neue Dichtung mit ihrer gesühlseligen Stimmung stimmte viel besser zu den pietistischen Neigungen der Zeit, als die harte, oft eckige Zeichnung des „Verlornen Paradieses." Bodmer theilte die frohe Botschaft sofort den Freunden mit. „Die Menschheit wird in einer Würde vorgestellt werden, welche den Rath der Er¬ schaffung rechtfertigt und den Leser vor das Angesicht Gottes führt. Die Stunden sind schon vorhanden, in welchem alle diese Dinge in Erfüllung kommen sollen. Die große Seele, die sie vor das Licht bringen soll, ist wirk¬ lich mit einem Leibe bekleidet. Ich konnte Ihnen den Namen melden, der jetzt noch so dunkel und so schwer auszusprechen ist, und noch in die späteste Nach¬ welt erschallen soll." „Eine Schrift von feinem Geschmack verursacht einem wohlgearteten Ge¬ müth ein so empfindliches Vergnügen, daß alle Funken von aufglimmenden Neid darunter erlöschen..... Daher habe ich Jünglinge zu Freunden. Die Muse ist ein Mädchen von unsterblicher Jugend und schickt sich für Jünglinge." Das war der entscheidende Gegensatz Bodmer's gegen Gottsched: sein Begriff vom Poeten war ihm wirklicher Glaube, und darum verdiente er, daß durch einen Dichter, dessen Ruhm den seinigen weit überstrahlte, das Verdienst seiner kritischen Bemühungen dem folgenden Geschlecht deutlich ge¬ macht wurde. „Sie haben doch schon den Messias in den Neuen Beitrügen gelesen?" schreibt Ewald von Kleist 10. Juni 1748 an Gleim. „Ich bin ganz entzückt darüber, Milton's Geist hat sich über den Verfasser ausgegossen; solche Poesie und Hoheit des Geistes war ich mir von keinem Deutschen ver¬ muthen!" 10, Aug. dankt Klop stock dem Schweizer Kritiker in einem lateinischen Brief für sein Lob, und für den Einfluß, den er auf ihn geübt. „Ich war ein junger Mensch, als mir Ihre kritischen Schriften in die Hand fielen. Ich verschlang sie, und wenn mir zur Rechten Homer und Virgil lag, hatte ich jene zur Linken, um sie immer nachschlagen zu können. Und als Milton mir in die Hände fiel, loderte das Feuer, das Homer in mir entzündet, zur Flamme auf, und hob meine Seele, um den Himmel zu besingen." „Doch Sie können noch Größeres für mich thun. Der Messias ist kaum angefangen, und es fehlt mir an Muße. Und da ich von sehr gebrechlichen Körper bin, und mein Leben nicht hoch bringen werde, so ist meine Hoffnung, den Messias vollenden zu können, sehr klein!" Er bittet ihn, sich um ein Jahr¬ gehalt zu verwenden. „Und uun führe ich Sie noch in das innere Heiligthum meiner Angele¬ genheiten. Ich liebe das heiligste Mädchen. Sie hat sich noch nie gegen mich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/384>, abgerufen am 20.10.2024.