Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

losen im Laufe der Zeiten entstandenen Auswüchsen beim Gesellenmachen, dem
sog. Hobeln, Schleifen, Häufeln u. s. w.. entgegen und erklärte diese Mi߬
bräuche ein- für allemal aufgehoben. Alsdann unterzog sie die übermäßig
hohen Ein- und Ausschreibegebühren einer gründlichen Revision und verfügte,
daß die Aufdinge-, Lehr- und Losspruchgelder aller Orten von den Obrigkeiten
festgesetzt und zur allgemeinen Kenntnißnahme pnblizirt werden sollten. Die
wichtigste Maßregel jedoch, welche das in Rede stehende Gesetz in Betreff des
Lehrlingsweseus anordnete, war die Bestimmung über die Lehrbriefe. Bis
gegen das Ende des 16. Jahrhunderts hatte im Namen der Meisterkorpvration
der derzeitige Obermeister den Lehrbrief ausgestellt, welcher zur Beglaubigung
vom Obermeister, zwei Beisitzmeistern und dem Lehrherrn unterzeichnet werden
mußte. Da man aber häufig bei Abfassung dieses sür die Zukunft des jungen
Handwerkers so wichtigen Dokuments sehr willkürlich verfuhr, so ereignete es
sich nicht selten, daß die Innung der einen Stadt den von der Bruderinnung
der andern Stadt ausgefertigten Lehrbrief anfocht und denselben nicht für rechts¬
kräftig anerkennen wollte. In Folge dessen wurde es im 17. Jahrhundert
ziemlich allgemein, daß nicht die Innung, sondern die Obrigkeit auf Antrag
des Handwerks den Lehrbrief ausstellte. Hierauf Bezug nehmend, bestimmte
nun die Reichszunftordnung, daß bei sämmtlichen Handwerken und Zünften
ein jeder Lehrling, der aufgedungen würde, seinen Geburtsbrief in die Meister¬
lade, d. i. das Archiv der Meister-Korporation niederzulegen habe. Bei seinem
Uebertritte in den Gesellenstand solle er gleichfalls den erhaltenen Original-
Lehrbrief der Meisterlade so lange zur Aufbewahrung überantworten, bis er
sich an einem Orte niederlassen und Meister werden wolle, welches Vorhaben
von der dortigen Behörde und der Zunft zu bestätigen sei. Trete der junge
Geselle seine Wanderschaft an, so solle er zu seiner Legitimation die Abschrift
seiner in der Lade befindlichen Papiere und außerdem noch ein Arbeitszeugniß, die
sog. Kundschaft, erhalten. Das Formular zu der Letzteren lautete folgendermaßen:

"Wir Geschworene, Vor- und andere Meister des Handwerks N. N. in
der Stadt N., bescheinigen hiermit, daß gegenwärtiger Geselle, Namens N. N.,
von . . gebürtig, . . Jahre alt, von Statur.., von Haaren .., ist, bei uns
allhier . . Jahre und . . Wochen in Arbeit gestanden und sich solcher Zeit
über treu, fleißig, still, friedsam und ehrlich, wie jeglichem Handwerksburschen
geziemt, verhalten hat, welches wir also attestiren, und deßhalb unsere sämmt¬
lichen Mitmeister diesen Gesellen nach Handwerksgebrauch überall zu fordern,
geziemend ersuchen wollen.

N. N., den :c. (L. S.) N. N., Obermeister.
(L. S.) N. N., Meister,
wo obiger Gesell in Diensten gestanden."


losen im Laufe der Zeiten entstandenen Auswüchsen beim Gesellenmachen, dem
sog. Hobeln, Schleifen, Häufeln u. s. w.. entgegen und erklärte diese Mi߬
bräuche ein- für allemal aufgehoben. Alsdann unterzog sie die übermäßig
hohen Ein- und Ausschreibegebühren einer gründlichen Revision und verfügte,
daß die Aufdinge-, Lehr- und Losspruchgelder aller Orten von den Obrigkeiten
festgesetzt und zur allgemeinen Kenntnißnahme pnblizirt werden sollten. Die
wichtigste Maßregel jedoch, welche das in Rede stehende Gesetz in Betreff des
Lehrlingsweseus anordnete, war die Bestimmung über die Lehrbriefe. Bis
gegen das Ende des 16. Jahrhunderts hatte im Namen der Meisterkorpvration
der derzeitige Obermeister den Lehrbrief ausgestellt, welcher zur Beglaubigung
vom Obermeister, zwei Beisitzmeistern und dem Lehrherrn unterzeichnet werden
mußte. Da man aber häufig bei Abfassung dieses sür die Zukunft des jungen
Handwerkers so wichtigen Dokuments sehr willkürlich verfuhr, so ereignete es
sich nicht selten, daß die Innung der einen Stadt den von der Bruderinnung
der andern Stadt ausgefertigten Lehrbrief anfocht und denselben nicht für rechts¬
kräftig anerkennen wollte. In Folge dessen wurde es im 17. Jahrhundert
ziemlich allgemein, daß nicht die Innung, sondern die Obrigkeit auf Antrag
des Handwerks den Lehrbrief ausstellte. Hierauf Bezug nehmend, bestimmte
nun die Reichszunftordnung, daß bei sämmtlichen Handwerken und Zünften
ein jeder Lehrling, der aufgedungen würde, seinen Geburtsbrief in die Meister¬
lade, d. i. das Archiv der Meister-Korporation niederzulegen habe. Bei seinem
Uebertritte in den Gesellenstand solle er gleichfalls den erhaltenen Original-
Lehrbrief der Meisterlade so lange zur Aufbewahrung überantworten, bis er
sich an einem Orte niederlassen und Meister werden wolle, welches Vorhaben
von der dortigen Behörde und der Zunft zu bestätigen sei. Trete der junge
Geselle seine Wanderschaft an, so solle er zu seiner Legitimation die Abschrift
seiner in der Lade befindlichen Papiere und außerdem noch ein Arbeitszeugniß, die
sog. Kundschaft, erhalten. Das Formular zu der Letzteren lautete folgendermaßen:

„Wir Geschworene, Vor- und andere Meister des Handwerks N. N. in
der Stadt N., bescheinigen hiermit, daß gegenwärtiger Geselle, Namens N. N.,
von . . gebürtig, . . Jahre alt, von Statur.., von Haaren .., ist, bei uns
allhier . . Jahre und . . Wochen in Arbeit gestanden und sich solcher Zeit
über treu, fleißig, still, friedsam und ehrlich, wie jeglichem Handwerksburschen
geziemt, verhalten hat, welches wir also attestiren, und deßhalb unsere sämmt¬
lichen Mitmeister diesen Gesellen nach Handwerksgebrauch überall zu fordern,
geziemend ersuchen wollen.

N. N., den :c. (L. S.) N. N., Obermeister.
(L. S.) N. N., Meister,
wo obiger Gesell in Diensten gestanden."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139645"/>
          <p xml:id="ID_1016" prev="#ID_1015"> losen im Laufe der Zeiten entstandenen Auswüchsen beim Gesellenmachen, dem<lb/>
sog. Hobeln, Schleifen, Häufeln u. s. w.. entgegen und erklärte diese Mi߬<lb/>
bräuche ein- für allemal aufgehoben. Alsdann unterzog sie die übermäßig<lb/>
hohen Ein- und Ausschreibegebühren einer gründlichen Revision und verfügte,<lb/>
daß die Aufdinge-, Lehr- und Losspruchgelder aller Orten von den Obrigkeiten<lb/>
festgesetzt und zur allgemeinen Kenntnißnahme pnblizirt werden sollten. Die<lb/>
wichtigste Maßregel jedoch, welche das in Rede stehende Gesetz in Betreff des<lb/>
Lehrlingsweseus anordnete, war die Bestimmung über die Lehrbriefe. Bis<lb/>
gegen das Ende des 16. Jahrhunderts hatte im Namen der Meisterkorpvration<lb/>
der derzeitige Obermeister den Lehrbrief ausgestellt, welcher zur Beglaubigung<lb/>
vom Obermeister, zwei Beisitzmeistern und dem Lehrherrn unterzeichnet werden<lb/>
mußte. Da man aber häufig bei Abfassung dieses sür die Zukunft des jungen<lb/>
Handwerkers so wichtigen Dokuments sehr willkürlich verfuhr, so ereignete es<lb/>
sich nicht selten, daß die Innung der einen Stadt den von der Bruderinnung<lb/>
der andern Stadt ausgefertigten Lehrbrief anfocht und denselben nicht für rechts¬<lb/>
kräftig anerkennen wollte. In Folge dessen wurde es im 17. Jahrhundert<lb/>
ziemlich allgemein, daß nicht die Innung, sondern die Obrigkeit auf Antrag<lb/>
des Handwerks den Lehrbrief ausstellte. Hierauf Bezug nehmend, bestimmte<lb/>
nun die Reichszunftordnung, daß bei sämmtlichen Handwerken und Zünften<lb/>
ein jeder Lehrling, der aufgedungen würde, seinen Geburtsbrief in die Meister¬<lb/>
lade, d. i. das Archiv der Meister-Korporation niederzulegen habe. Bei seinem<lb/>
Uebertritte in den Gesellenstand solle er gleichfalls den erhaltenen Original-<lb/>
Lehrbrief der Meisterlade so lange zur Aufbewahrung überantworten, bis er<lb/>
sich an einem Orte niederlassen und Meister werden wolle, welches Vorhaben<lb/>
von der dortigen Behörde und der Zunft zu bestätigen sei. Trete der junge<lb/>
Geselle seine Wanderschaft an, so solle er zu seiner Legitimation die Abschrift<lb/>
seiner in der Lade befindlichen Papiere und außerdem noch ein Arbeitszeugniß, die<lb/>
sog. Kundschaft, erhalten. Das Formular zu der Letzteren lautete folgendermaßen:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1017"> &#x201E;Wir Geschworene, Vor- und andere Meister des Handwerks N. N. in<lb/>
der Stadt N., bescheinigen hiermit, daß gegenwärtiger Geselle, Namens N. N.,<lb/>
von . . gebürtig, . . Jahre alt, von Statur.., von Haaren .., ist, bei uns<lb/>
allhier . . Jahre und . . Wochen in Arbeit gestanden und sich solcher Zeit<lb/>
über treu, fleißig, still, friedsam und ehrlich, wie jeglichem Handwerksburschen<lb/>
geziemt, verhalten hat, welches wir also attestiren, und deßhalb unsere sämmt¬<lb/>
lichen Mitmeister diesen Gesellen nach Handwerksgebrauch überall zu fordern,<lb/>
geziemend ersuchen wollen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1018"> N. N., den :c. (L. S.) N. N., Obermeister.<lb/>
(L. S.) N. N., Meister,<lb/>
wo obiger Gesell in Diensten gestanden."</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0352] losen im Laufe der Zeiten entstandenen Auswüchsen beim Gesellenmachen, dem sog. Hobeln, Schleifen, Häufeln u. s. w.. entgegen und erklärte diese Mi߬ bräuche ein- für allemal aufgehoben. Alsdann unterzog sie die übermäßig hohen Ein- und Ausschreibegebühren einer gründlichen Revision und verfügte, daß die Aufdinge-, Lehr- und Losspruchgelder aller Orten von den Obrigkeiten festgesetzt und zur allgemeinen Kenntnißnahme pnblizirt werden sollten. Die wichtigste Maßregel jedoch, welche das in Rede stehende Gesetz in Betreff des Lehrlingsweseus anordnete, war die Bestimmung über die Lehrbriefe. Bis gegen das Ende des 16. Jahrhunderts hatte im Namen der Meisterkorpvration der derzeitige Obermeister den Lehrbrief ausgestellt, welcher zur Beglaubigung vom Obermeister, zwei Beisitzmeistern und dem Lehrherrn unterzeichnet werden mußte. Da man aber häufig bei Abfassung dieses sür die Zukunft des jungen Handwerkers so wichtigen Dokuments sehr willkürlich verfuhr, so ereignete es sich nicht selten, daß die Innung der einen Stadt den von der Bruderinnung der andern Stadt ausgefertigten Lehrbrief anfocht und denselben nicht für rechts¬ kräftig anerkennen wollte. In Folge dessen wurde es im 17. Jahrhundert ziemlich allgemein, daß nicht die Innung, sondern die Obrigkeit auf Antrag des Handwerks den Lehrbrief ausstellte. Hierauf Bezug nehmend, bestimmte nun die Reichszunftordnung, daß bei sämmtlichen Handwerken und Zünften ein jeder Lehrling, der aufgedungen würde, seinen Geburtsbrief in die Meister¬ lade, d. i. das Archiv der Meister-Korporation niederzulegen habe. Bei seinem Uebertritte in den Gesellenstand solle er gleichfalls den erhaltenen Original- Lehrbrief der Meisterlade so lange zur Aufbewahrung überantworten, bis er sich an einem Orte niederlassen und Meister werden wolle, welches Vorhaben von der dortigen Behörde und der Zunft zu bestätigen sei. Trete der junge Geselle seine Wanderschaft an, so solle er zu seiner Legitimation die Abschrift seiner in der Lade befindlichen Papiere und außerdem noch ein Arbeitszeugniß, die sog. Kundschaft, erhalten. Das Formular zu der Letzteren lautete folgendermaßen: „Wir Geschworene, Vor- und andere Meister des Handwerks N. N. in der Stadt N., bescheinigen hiermit, daß gegenwärtiger Geselle, Namens N. N., von . . gebürtig, . . Jahre alt, von Statur.., von Haaren .., ist, bei uns allhier . . Jahre und . . Wochen in Arbeit gestanden und sich solcher Zeit über treu, fleißig, still, friedsam und ehrlich, wie jeglichem Handwerksburschen geziemt, verhalten hat, welches wir also attestiren, und deßhalb unsere sämmt¬ lichen Mitmeister diesen Gesellen nach Handwerksgebrauch überall zu fordern, geziemend ersuchen wollen. N. N., den :c. (L. S.) N. N., Obermeister. (L. S.) N. N., Meister, wo obiger Gesell in Diensten gestanden."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/352
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/352>, abgerufen am 27.09.2024.