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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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werden, fallen sie allmälig in Vergessenheit, ein neues Zeichen des niemals
ganz fest determinirten Wahlmodus.

Die Bestimmungen Alexanders III. bewährten sich in den kampfersüllten
nächsten zwei Jahrhunderten. Nur waren die Wahlen oft schwierig und lang¬
dauernd und daher ausgedehnte Interregna nicht selten. Das Konklave nach
dem Tode Cölestin's IV. 1241 dauerte über zwanzig Monate, das 1269 be¬
ginnende über zwei Jahre. Das letztere fand in Viterbo statt, und das Ver¬
langen und die Ungeduld des Volkes, einen Oberhirten zu erhalten, wuchs
derartig, daß endlich der Podesta kurzweg das Dach des Konklavepalastes ab¬
decken ließ, um die Kirchenfürsten zu schnellerer Einigung zu nöthigen. In
der That kam, wie der Kardinal Johann von Porto sagte, der heilige Geist,
der anders nicht hatte eintreten können, neben Sonne und Regen alsbald durch
die Oeffnung herein, und sein Werk war die Ernennung Gregors X. 127Z,
der nicht durch direkte Votirung, sondern durch Kompromiß erwählt wurde
und nicht selbst Kardinal war.

Dieser Papst gab ein neues, offenbar durch die letzte Erfahrung nahe
gelegtes Statut über die Wahl, welches durch eine außerordentliche Verschär¬
fung der Formen wichtig und durch seine eigenthümlichen Bestimmungen in-
terressant ist.

Um zu verhindern, daß eine so lange Verzögerung der Wahl durch Un¬
einigkeit der Cardinäle wiederkehre, erfand er die Klausur des Konklave, und
machte diese zu einer so harten, daß bei Jedem der Theilnehmer der Wunsch
einer baldigen Beendigung unausbleiblich sein mußte. Noch Nikolaus II, hatte
die Wahl des Ortes für das Konklave, falls es nicht in Rom stattfinden
konnte, ganz freigestellt. Gregor X. bestimmte, daß es in der Stadt, in wel¬
cher der Papst mit seiner Kurie zuletzt residirt habe und gestorben sei, und
wenn beides nicht an gleichem Orte geschehen sei in der letzteren, oder,
falls diese unter dem Interdikt stehe, in der nächst benachbarten vor sich
gehen solle. Zehn Tage mußte ans die Ankunft der auswärtigen Kardinäle
gewartet, am elften zur Einschließung der Versammelten geschritten wer¬
den. Dieselbe geschah in dem vom Papste bewohnten Palaste, und zwar in
einem einzigen Zimmer. Jeder Kardinal durste eiuen, im Nothfalle zwei Geist¬
liche oder Laien zur Dienstleistung bei sich haben. In dem Zimmer durfte
keine Scheidewand aufgerichtet sein, welche den Einen vom Andern trennte;
Niemand durfte ein- oder ausgehen, keine Briefe oder Meldungen angenom¬
men werden. Durch eine Oeffnung in der Wand wurde die Nahrung gereicht.
Diese konnte während der ersten drei Tage nach Belieben gewählt werden.
Während der nächsten fünf war sie ans eine einzige Speise zu Mittag und
eine zu Abend beschränkt. Vertiefen auch diese, ohne daß es zur Wahl kam,


werden, fallen sie allmälig in Vergessenheit, ein neues Zeichen des niemals
ganz fest determinirten Wahlmodus.

Die Bestimmungen Alexanders III. bewährten sich in den kampfersüllten
nächsten zwei Jahrhunderten. Nur waren die Wahlen oft schwierig und lang¬
dauernd und daher ausgedehnte Interregna nicht selten. Das Konklave nach
dem Tode Cölestin's IV. 1241 dauerte über zwanzig Monate, das 1269 be¬
ginnende über zwei Jahre. Das letztere fand in Viterbo statt, und das Ver¬
langen und die Ungeduld des Volkes, einen Oberhirten zu erhalten, wuchs
derartig, daß endlich der Podesta kurzweg das Dach des Konklavepalastes ab¬
decken ließ, um die Kirchenfürsten zu schnellerer Einigung zu nöthigen. In
der That kam, wie der Kardinal Johann von Porto sagte, der heilige Geist,
der anders nicht hatte eintreten können, neben Sonne und Regen alsbald durch
die Oeffnung herein, und sein Werk war die Ernennung Gregors X. 127Z,
der nicht durch direkte Votirung, sondern durch Kompromiß erwählt wurde
und nicht selbst Kardinal war.

Dieser Papst gab ein neues, offenbar durch die letzte Erfahrung nahe
gelegtes Statut über die Wahl, welches durch eine außerordentliche Verschär¬
fung der Formen wichtig und durch seine eigenthümlichen Bestimmungen in-
terressant ist.

Um zu verhindern, daß eine so lange Verzögerung der Wahl durch Un¬
einigkeit der Cardinäle wiederkehre, erfand er die Klausur des Konklave, und
machte diese zu einer so harten, daß bei Jedem der Theilnehmer der Wunsch
einer baldigen Beendigung unausbleiblich sein mußte. Noch Nikolaus II, hatte
die Wahl des Ortes für das Konklave, falls es nicht in Rom stattfinden
konnte, ganz freigestellt. Gregor X. bestimmte, daß es in der Stadt, in wel¬
cher der Papst mit seiner Kurie zuletzt residirt habe und gestorben sei, und
wenn beides nicht an gleichem Orte geschehen sei in der letzteren, oder,
falls diese unter dem Interdikt stehe, in der nächst benachbarten vor sich
gehen solle. Zehn Tage mußte ans die Ankunft der auswärtigen Kardinäle
gewartet, am elften zur Einschließung der Versammelten geschritten wer¬
den. Dieselbe geschah in dem vom Papste bewohnten Palaste, und zwar in
einem einzigen Zimmer. Jeder Kardinal durste eiuen, im Nothfalle zwei Geist¬
liche oder Laien zur Dienstleistung bei sich haben. In dem Zimmer durfte
keine Scheidewand aufgerichtet sein, welche den Einen vom Andern trennte;
Niemand durfte ein- oder ausgehen, keine Briefe oder Meldungen angenom¬
men werden. Durch eine Oeffnung in der Wand wurde die Nahrung gereicht.
Diese konnte während der ersten drei Tage nach Belieben gewählt werden.
Während der nächsten fünf war sie ans eine einzige Speise zu Mittag und
eine zu Abend beschränkt. Vertiefen auch diese, ohne daß es zur Wahl kam,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/338>, abgerufen am 20.10.2024.