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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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rieb IV. so glänzend gesiegt hatte, hielten seine Nachfolger ohne große Mühe
das Statut des Nikolaus aufrecht; ja die kaiserliche Bestätigung scheint fast
ein Jahrhundert lang von keinem Papste eingeholt worden zu sein. Wenigstens
ist keine Spur davon seit Viktor III. (1086) bis auf Alexander III. (1159)
vorhanden.

Hand in Hand mit dieser Stärkung der Wahlfreiheit ging in der gleichen
Periode die wachsende Sicherheit und Autorität der Papstwahl durch ihre
Einschränkung auf ein angesehenes Kollegium und die allmälige Zurückdrängung
des niederen Klerus und des Volkes von der Theilnahme. Je geschlossener
der Wahlkörper, je gleichmäßiger dessen Elemente, je großer demzufolge die
Einigkeit innerhalb desselben war, desto größeres Gewicht hatten seine Beschlüsse
und desto schwieriger war eine Einsprache sowohl von Seiten des in Parteien
gespaltenen Volkes, als der Fürsten. Die Kardinalpriester waren selbst Fürsten,
Kirchenfürsten; ihr Kollegium ward als ein souveränes betrachtet, und das
Volk nicht minder als sie selbst gewöhnten sich daran, ihren Beschluß als un¬
umstößlich und an sich giltig zu betrachten.

Gerade in einer verhängnißvollen Zeit jedoch zeigte sich, daß gegen zwie¬
spältige Wahlen, welche das zwölfte Jahrhundert reich an Gegenpäpsten
machten, noch immer keine Garantie gegeben war. Als Friedrich Barbarossa
wieder mit Wucht das kaiserliche Schwert gegen das ungehorsame Italien und
den anmaßenden Stuhl Petri schwang, mußte Alexander III. sehen, daß ein
Theil der Kardinäle ihn nicht anerkannte, sondern den Führer der kaiserlichen
Partei in Rom -- als Viktor IV. -- zum Papste wählte, der von der Synode
zu Pavia 1160 und vom Kaiser anerkannt wurde. Nach dem für Alexander
siegreichen Ausgange des langen Kampfes mit Friedrich, der in Venedig ihm
den Steigbügel hielt, beschloß der Papst eine neue Wahlreform. Auf dem
lateranensischen Konzil des Jahres 1179 erließ er ein neues Statut, welches der
Wahl des Kirchenoberhanptes, weil sie keiner höhern Instanz unterworfen sei,
größtmögliche Sicherheit und Autorität geben sollte. Statt der einfachen sollte
eine Zweidrittelmajorität erforderlich sein. Der so Gewählte solle so ix8o als
anerkannter Papst betrachtet werden. Gegen denjenigen, welcher ohne diese
Bedingung sich der Tiara bemächtige, schlenderte Alexander den Bann und die
schwersten Sentenzen. Er solle der geistlichen Würden verlustig, der kirchlichen
Gnaden beraubt sein, das Sakrament des Altars soll ihm, außer im Falle des
Todes, versagt werden und er solle das Loos des Dathan und Abiron erleiden,
welche die Erde lebendig verschlang. -- Weder der Theilnahme der Laien noch
der Unterscheidung der kirchlichen Grade und Orden geschieht Erwähnung.
Ohne daß die betreffenden früheren Bestimmungen ausdrücklich aufgehoben


Grenzboten l, 1373, 42

rieb IV. so glänzend gesiegt hatte, hielten seine Nachfolger ohne große Mühe
das Statut des Nikolaus aufrecht; ja die kaiserliche Bestätigung scheint fast
ein Jahrhundert lang von keinem Papste eingeholt worden zu sein. Wenigstens
ist keine Spur davon seit Viktor III. (1086) bis auf Alexander III. (1159)
vorhanden.

Hand in Hand mit dieser Stärkung der Wahlfreiheit ging in der gleichen
Periode die wachsende Sicherheit und Autorität der Papstwahl durch ihre
Einschränkung auf ein angesehenes Kollegium und die allmälige Zurückdrängung
des niederen Klerus und des Volkes von der Theilnahme. Je geschlossener
der Wahlkörper, je gleichmäßiger dessen Elemente, je großer demzufolge die
Einigkeit innerhalb desselben war, desto größeres Gewicht hatten seine Beschlüsse
und desto schwieriger war eine Einsprache sowohl von Seiten des in Parteien
gespaltenen Volkes, als der Fürsten. Die Kardinalpriester waren selbst Fürsten,
Kirchenfürsten; ihr Kollegium ward als ein souveränes betrachtet, und das
Volk nicht minder als sie selbst gewöhnten sich daran, ihren Beschluß als un¬
umstößlich und an sich giltig zu betrachten.

Gerade in einer verhängnißvollen Zeit jedoch zeigte sich, daß gegen zwie¬
spältige Wahlen, welche das zwölfte Jahrhundert reich an Gegenpäpsten
machten, noch immer keine Garantie gegeben war. Als Friedrich Barbarossa
wieder mit Wucht das kaiserliche Schwert gegen das ungehorsame Italien und
den anmaßenden Stuhl Petri schwang, mußte Alexander III. sehen, daß ein
Theil der Kardinäle ihn nicht anerkannte, sondern den Führer der kaiserlichen
Partei in Rom — als Viktor IV. — zum Papste wählte, der von der Synode
zu Pavia 1160 und vom Kaiser anerkannt wurde. Nach dem für Alexander
siegreichen Ausgange des langen Kampfes mit Friedrich, der in Venedig ihm
den Steigbügel hielt, beschloß der Papst eine neue Wahlreform. Auf dem
lateranensischen Konzil des Jahres 1179 erließ er ein neues Statut, welches der
Wahl des Kirchenoberhanptes, weil sie keiner höhern Instanz unterworfen sei,
größtmögliche Sicherheit und Autorität geben sollte. Statt der einfachen sollte
eine Zweidrittelmajorität erforderlich sein. Der so Gewählte solle so ix8o als
anerkannter Papst betrachtet werden. Gegen denjenigen, welcher ohne diese
Bedingung sich der Tiara bemächtige, schlenderte Alexander den Bann und die
schwersten Sentenzen. Er solle der geistlichen Würden verlustig, der kirchlichen
Gnaden beraubt sein, das Sakrament des Altars soll ihm, außer im Falle des
Todes, versagt werden und er solle das Loos des Dathan und Abiron erleiden,
welche die Erde lebendig verschlang. — Weder der Theilnahme der Laien noch
der Unterscheidung der kirchlichen Grade und Orden geschieht Erwähnung.
Ohne daß die betreffenden früheren Bestimmungen ausdrücklich aufgehoben


Grenzboten l, 1373, 42
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[0337] rieb IV. so glänzend gesiegt hatte, hielten seine Nachfolger ohne große Mühe das Statut des Nikolaus aufrecht; ja die kaiserliche Bestätigung scheint fast ein Jahrhundert lang von keinem Papste eingeholt worden zu sein. Wenigstens ist keine Spur davon seit Viktor III. (1086) bis auf Alexander III. (1159) vorhanden. Hand in Hand mit dieser Stärkung der Wahlfreiheit ging in der gleichen Periode die wachsende Sicherheit und Autorität der Papstwahl durch ihre Einschränkung auf ein angesehenes Kollegium und die allmälige Zurückdrängung des niederen Klerus und des Volkes von der Theilnahme. Je geschlossener der Wahlkörper, je gleichmäßiger dessen Elemente, je großer demzufolge die Einigkeit innerhalb desselben war, desto größeres Gewicht hatten seine Beschlüsse und desto schwieriger war eine Einsprache sowohl von Seiten des in Parteien gespaltenen Volkes, als der Fürsten. Die Kardinalpriester waren selbst Fürsten, Kirchenfürsten; ihr Kollegium ward als ein souveränes betrachtet, und das Volk nicht minder als sie selbst gewöhnten sich daran, ihren Beschluß als un¬ umstößlich und an sich giltig zu betrachten. Gerade in einer verhängnißvollen Zeit jedoch zeigte sich, daß gegen zwie¬ spältige Wahlen, welche das zwölfte Jahrhundert reich an Gegenpäpsten machten, noch immer keine Garantie gegeben war. Als Friedrich Barbarossa wieder mit Wucht das kaiserliche Schwert gegen das ungehorsame Italien und den anmaßenden Stuhl Petri schwang, mußte Alexander III. sehen, daß ein Theil der Kardinäle ihn nicht anerkannte, sondern den Führer der kaiserlichen Partei in Rom — als Viktor IV. — zum Papste wählte, der von der Synode zu Pavia 1160 und vom Kaiser anerkannt wurde. Nach dem für Alexander siegreichen Ausgange des langen Kampfes mit Friedrich, der in Venedig ihm den Steigbügel hielt, beschloß der Papst eine neue Wahlreform. Auf dem lateranensischen Konzil des Jahres 1179 erließ er ein neues Statut, welches der Wahl des Kirchenoberhanptes, weil sie keiner höhern Instanz unterworfen sei, größtmögliche Sicherheit und Autorität geben sollte. Statt der einfachen sollte eine Zweidrittelmajorität erforderlich sein. Der so Gewählte solle so ix8o als anerkannter Papst betrachtet werden. Gegen denjenigen, welcher ohne diese Bedingung sich der Tiara bemächtige, schlenderte Alexander den Bann und die schwersten Sentenzen. Er solle der geistlichen Würden verlustig, der kirchlichen Gnaden beraubt sein, das Sakrament des Altars soll ihm, außer im Falle des Todes, versagt werden und er solle das Loos des Dathan und Abiron erleiden, welche die Erde lebendig verschlang. — Weder der Theilnahme der Laien noch der Unterscheidung der kirchlichen Grade und Orden geschieht Erwähnung. Ohne daß die betreffenden früheren Bestimmungen ausdrücklich aufgehoben Grenzboten l, 1373, 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/337>, abgerufen am 27.09.2024.