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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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ihrer Gewalt weichen. Wer Rom in seiner Gewalt hatte, besetzte den Thron
Petri und die schamloseste Jntriguenwirthschaft schaltete mit der höchsten kirch¬
lichen Würde. Die verwegene und verführerische Römerin Theodor" machte
ihren Geliebten Johann X. zum Papst und ihre nicht minder schöne und schlaue
Tochter Marozzia, Gemahlin des Markgrafen Alberich, setzte ihren und des
Papstes Sergius III. Sohn als Johann XI. auf den Heiligen Stuhl. Eine
usnrpatorische Selbsternennung war die des neunzehnjährigen Johann XII.
(955--963), dessen schamlose und verbrecherische Aufführung selbst die zeitge¬
nössischen Römer empörte und mit die Ursache wurde, daß die kaiserlichen
Hoheitsrechte sich wieder einmal entschieden geltend machten. Der starke Kaiser
Otto I. ließ dem nichtswürdigen Kirchenoberhaupte den Prozeß machen und
setzte ihn wie auch den von den Römern gewählten Gegenpapst ab. Der von
Otto, nun "Römischem Kaiser", ernannte Papst Leo VIII., welcher päpstlicher
Oberarchivar und Laie war, erkannte in Uebereinstimmung mit dem Klerus
und dem Volke dem Kaiser und seinen Nachfolgern das Recht zur Ernennung
und Einsetzung des Papstes zu, ein Beschluß, den die Römer durch eine Em¬
pörung bald wieder umzustoßen suchten und der durch die Nichtanerkennung
Leo's VIII. von Seiten der Kirche ungiltig gemacht werden sollte. Dennoch
ernannte Otto, als 964 Leo VIII. starb, in demselben Jahre nach Abführung
des von den Römern gewählten Gegenpapstes Benedikt V. abermals ein Kirchen¬
oberhaupt in Johann XIII,, der indeß "a.b oirmi xlvbv IZDinWs." mitgewählt
wurde. Bei der Wahl Benedikts VI. 972 ist wiederum nur von einer Zu¬
stimmung des Kaisers die Rede.

In den Wirren der nächsten Zeit war die Papstwahl wieder eine reine
Machtfrage. Bald find es die Parteien des Crescentius und der Grafen von
Tusculum, bald die Kaiser, Otto II. und Otto HI., welche iber Kirche ein
Oberhaupt geben. 1024 erkaufte Johann XIX., ein Laie und Graf von Tos-
eanello, um Geld die päpstliche Würde und behauptete sie bis zu seinem Tode
1033, worauf dessen Bruder Alberich seinen zehnjährigen Sohn als Benedikt IX.
auf den Stuhl Petri setzte. Unter Verbrechen, Lastern und wechselnden Schick¬
salen behauptete ihn dieser elf Jahre lang und verkaufte ihn dann an Gregor VI.
um tausend Pfund Silber. Bald rente ihn der Handel und er suchte seine
Macht zu behalten, und da kurz vorher die Römer einen Gegenpapst in Sil¬
vester III. gewählt hatten und auch Gregor nicht zurücktreten wollte, so gab
es drei Päpste in der Christenheit. Wieder war es der deutsche Kaiser, der
dem Aergerniß ein Ende machen mußte und es nur konnte, indem er ein
Machtwort sprach. Heinrich III. ließ auf der Synode von Sutri 1046 alle
drei ^Päpste absetzen und ernannte nach einander vier ehrenwerthere und tüch¬
tigere, alle von deutscher Herkunft. Das Recht der Römer zur Theilnahme


ihrer Gewalt weichen. Wer Rom in seiner Gewalt hatte, besetzte den Thron
Petri und die schamloseste Jntriguenwirthschaft schaltete mit der höchsten kirch¬
lichen Würde. Die verwegene und verführerische Römerin Theodor« machte
ihren Geliebten Johann X. zum Papst und ihre nicht minder schöne und schlaue
Tochter Marozzia, Gemahlin des Markgrafen Alberich, setzte ihren und des
Papstes Sergius III. Sohn als Johann XI. auf den Heiligen Stuhl. Eine
usnrpatorische Selbsternennung war die des neunzehnjährigen Johann XII.
(955—963), dessen schamlose und verbrecherische Aufführung selbst die zeitge¬
nössischen Römer empörte und mit die Ursache wurde, daß die kaiserlichen
Hoheitsrechte sich wieder einmal entschieden geltend machten. Der starke Kaiser
Otto I. ließ dem nichtswürdigen Kirchenoberhaupte den Prozeß machen und
setzte ihn wie auch den von den Römern gewählten Gegenpapst ab. Der von
Otto, nun „Römischem Kaiser", ernannte Papst Leo VIII., welcher päpstlicher
Oberarchivar und Laie war, erkannte in Uebereinstimmung mit dem Klerus
und dem Volke dem Kaiser und seinen Nachfolgern das Recht zur Ernennung
und Einsetzung des Papstes zu, ein Beschluß, den die Römer durch eine Em¬
pörung bald wieder umzustoßen suchten und der durch die Nichtanerkennung
Leo's VIII. von Seiten der Kirche ungiltig gemacht werden sollte. Dennoch
ernannte Otto, als 964 Leo VIII. starb, in demselben Jahre nach Abführung
des von den Römern gewählten Gegenpapstes Benedikt V. abermals ein Kirchen¬
oberhaupt in Johann XIII,, der indeß „a.b oirmi xlvbv IZDinWs." mitgewählt
wurde. Bei der Wahl Benedikts VI. 972 ist wiederum nur von einer Zu¬
stimmung des Kaisers die Rede.

In den Wirren der nächsten Zeit war die Papstwahl wieder eine reine
Machtfrage. Bald find es die Parteien des Crescentius und der Grafen von
Tusculum, bald die Kaiser, Otto II. und Otto HI., welche iber Kirche ein
Oberhaupt geben. 1024 erkaufte Johann XIX., ein Laie und Graf von Tos-
eanello, um Geld die päpstliche Würde und behauptete sie bis zu seinem Tode
1033, worauf dessen Bruder Alberich seinen zehnjährigen Sohn als Benedikt IX.
auf den Stuhl Petri setzte. Unter Verbrechen, Lastern und wechselnden Schick¬
salen behauptete ihn dieser elf Jahre lang und verkaufte ihn dann an Gregor VI.
um tausend Pfund Silber. Bald rente ihn der Handel und er suchte seine
Macht zu behalten, und da kurz vorher die Römer einen Gegenpapst in Sil¬
vester III. gewählt hatten und auch Gregor nicht zurücktreten wollte, so gab
es drei Päpste in der Christenheit. Wieder war es der deutsche Kaiser, der
dem Aergerniß ein Ende machen mußte und es nur konnte, indem er ein
Machtwort sprach. Heinrich III. ließ auf der Synode von Sutri 1046 alle
drei ^Päpste absetzen und ernannte nach einander vier ehrenwerthere und tüch¬
tigere, alle von deutscher Herkunft. Das Recht der Römer zur Theilnahme


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[0334] ihrer Gewalt weichen. Wer Rom in seiner Gewalt hatte, besetzte den Thron Petri und die schamloseste Jntriguenwirthschaft schaltete mit der höchsten kirch¬ lichen Würde. Die verwegene und verführerische Römerin Theodor« machte ihren Geliebten Johann X. zum Papst und ihre nicht minder schöne und schlaue Tochter Marozzia, Gemahlin des Markgrafen Alberich, setzte ihren und des Papstes Sergius III. Sohn als Johann XI. auf den Heiligen Stuhl. Eine usnrpatorische Selbsternennung war die des neunzehnjährigen Johann XII. (955—963), dessen schamlose und verbrecherische Aufführung selbst die zeitge¬ nössischen Römer empörte und mit die Ursache wurde, daß die kaiserlichen Hoheitsrechte sich wieder einmal entschieden geltend machten. Der starke Kaiser Otto I. ließ dem nichtswürdigen Kirchenoberhaupte den Prozeß machen und setzte ihn wie auch den von den Römern gewählten Gegenpapst ab. Der von Otto, nun „Römischem Kaiser", ernannte Papst Leo VIII., welcher päpstlicher Oberarchivar und Laie war, erkannte in Uebereinstimmung mit dem Klerus und dem Volke dem Kaiser und seinen Nachfolgern das Recht zur Ernennung und Einsetzung des Papstes zu, ein Beschluß, den die Römer durch eine Em¬ pörung bald wieder umzustoßen suchten und der durch die Nichtanerkennung Leo's VIII. von Seiten der Kirche ungiltig gemacht werden sollte. Dennoch ernannte Otto, als 964 Leo VIII. starb, in demselben Jahre nach Abführung des von den Römern gewählten Gegenpapstes Benedikt V. abermals ein Kirchen¬ oberhaupt in Johann XIII,, der indeß „a.b oirmi xlvbv IZDinWs." mitgewählt wurde. Bei der Wahl Benedikts VI. 972 ist wiederum nur von einer Zu¬ stimmung des Kaisers die Rede. In den Wirren der nächsten Zeit war die Papstwahl wieder eine reine Machtfrage. Bald find es die Parteien des Crescentius und der Grafen von Tusculum, bald die Kaiser, Otto II. und Otto HI., welche iber Kirche ein Oberhaupt geben. 1024 erkaufte Johann XIX., ein Laie und Graf von Tos- eanello, um Geld die päpstliche Würde und behauptete sie bis zu seinem Tode 1033, worauf dessen Bruder Alberich seinen zehnjährigen Sohn als Benedikt IX. auf den Stuhl Petri setzte. Unter Verbrechen, Lastern und wechselnden Schick¬ salen behauptete ihn dieser elf Jahre lang und verkaufte ihn dann an Gregor VI. um tausend Pfund Silber. Bald rente ihn der Handel und er suchte seine Macht zu behalten, und da kurz vorher die Römer einen Gegenpapst in Sil¬ vester III. gewählt hatten und auch Gregor nicht zurücktreten wollte, so gab es drei Päpste in der Christenheit. Wieder war es der deutsche Kaiser, der dem Aergerniß ein Ende machen mußte und es nur konnte, indem er ein Machtwort sprach. Heinrich III. ließ auf der Synode von Sutri 1046 alle drei ^Päpste absetzen und ernannte nach einander vier ehrenwerthere und tüch¬ tigere, alle von deutscher Herkunft. Das Recht der Römer zur Theilnahme

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/334>, abgerufen am 27.09.2024.